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Ein Halbgott in Guyana

Rainer Buhmann genießt Tour als Schach-Botschafter in der Karibik / Hockenheimer mit 2603 Elo in der erweiterten Weltspitze angekommen

Text und Foto von FM Hartmut Metz, 6. September 2009

 

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Rainer Buhmann ist der größte Superstar aus Leimen - allerdings nur in Guyana. In dem südamerikanischen Land, das südöstlich von Venezuela liegt, behandelten ihn die Einheimischen "regelrecht wie einen Halbgott", berichtet der Großmeister, der wie Boris Becker aus dem kleinen badischen Städtchen stammt. Der deutsche Top-Ten-Spieler war für den Schach-Weltverband FIDE in der Karibik als Botschafter auf Tour, um die Begeisterung für den Denksport auf Trinidad&Tobago, Barbados und Guyana zu steigern. Mit mehreren Simultanvorstellungen gegen jeweils 30, 40 Schüler stärkte der 28-Jährige vor allem die Nachwuchsarbeit. Die Kinder in der Hauptstadt Georgetown fragten den ersten leibhaftigen Großmeister, den sie in ihrem kurzen Leben zu Gesicht bekamen, Löcher in den Bauch.

Gerne erzählte der gebürtige Leimener von seinen Anfängen auf den 64 Feldern. Mit sechs Jahren brachte ihm sein Vater die Schachregeln bei. Bald darauf bekam Klein-Rainer einen Brett-Computer geschenkt, der ihn noch mehr an das alte, ehrwürdige königliche Spiel fesselte. "Ich verbrachte viel Zeit mit dem Schachcomputer, trat aber erst mit zwölf Jahren einem Klub bei", berichtet Buhmann. Vom MTZ Mannheim (1993-1995) ging es über ST Remisdemi Mannheim (bis 1998) zu den SF Baiertal-Schatthausen. Unter deren Farben feierte das Talent erste große Erfolge: Von der Oberliga ging es hoch bis in die Bundesliga. 1999 wurde der 18-Jährige deutscher Jugendmeister in Oberhof. Daraufhin wurden mehrere Erstligisten auf ihn aufmerksam. 2001 ging der mittlerweile zum Internationalen Meister (der zweithöchsten Würde, die die FIDE für Turniererfolge verleiht) aufgestiegene Hockenheimer zu den Stuttgarter SF. Sie boten ihm die Chance, sowohl mehrere Turniere im Jahr zu spielen als auch eine Ausbildung zum Informatiker zu absolvieren. Buhmann nahm die Offerte dankend an, zweigleisig zu fahren - schließlich gilt der Beruf als Schachprofi als beschwerlich und nur für die absolute Weltspitze als lohnend. Leichter haben es nur die Profis aus Osteuropa, die noch vom Währungsgefälle profitieren. Den badischen Meister von 2000 zog es jedenfalls weiter zum deutschen Topklub OSG Baden-Baden (2003-2006). Mit dem "FC Bayern des Schachsports" wurde Buhmann deutscher Champion. Beim Serienmeister trat der badische Spitzenspieler an der Seite von Assen wie Weltmeister Viswanathan Anand oder Alexej Schirow an. Gegen den "Hexer von Riga" hatte Rainer als Bube selbst in einem Simultan mitgewirkt. "Zehn Jahre später spielte ich in Baden-Baden in derselben Mannschaft mit ihm! Hätte mir einer das damals beim Simultan erzählt ...", erinnert sich Buhmann und ergänzt, "Alexej weiß das gar nicht. Ich hab's ihm auch nie erzählt."

Nach einigen Einzelerfolgen erklomm der Marathonläufer auch 2007 endlich die höchste Stufe der Schach-Leiter: Als deutscher Vizemeister erfüllte der mittlerweile 26-Jährige die dritte und letzte Großmeister-Norm, so dass ihm die FIDE auch diesen Titel verlieh. Die Weltauswahl aus der Kurstadt verließ Buhmann dennoch, um seinen ambitionierten Heimatverein Hockenheim (2006-2008) nach oben zu führen. Weil der Aufstieg mit dem Team allerdings in der Oberliga ins Stocken geriet, folgte ein weiterer Wechsel - Bundestrainer Uwe Bönsch hatte dem Nationalspieler nahegelegt, sich doch einen Verein im Oberhaus zu suchen, falls er bei der Schach-Olympiade 2008 in Dresden im A-Team dabei sein wolle. So schloss sich Buhmann der SG Solingen an. Mit dem Bundesliga-Gründungsmitglied etablierte sich der Badener umgehend in der Spitze und gewann heuer den deutschen Mannschaftspokal. Bei der Mannschafts-WM in Dresden war Buhmann dennoch nur für Deutschland III nominiert worden.

Seitdem steigerte er sich aber kontinuierlich. Das Training mit Legenden wie Ex-Weltmeister Anatoli Karpow, das sein Hockenheimer Ziehvater Dieter Auer arrangierte, oder Partien gegen Ausnahmekönner wie Anand in der Bundesliga und Schirow bei der Olympiade trug Früchte. Der ehemalige deutsche Jugendmeister durchbrach so im Juli 2009 die Schallmauer von 2600 Elo-Weltranglistenpunkten. Damit zählt man zur erweiterten Weltspitze. Der Profi, der zudem in Österreich in der Staatsliga für den SK Maria Saal spielt, will sich aber noch weiter nach vorne pirschen. Gnadenlos objektiv, wie Schachspieler auch sich selbst gegenüber sind, betont Buhmann: "Die 2600 Elo besitzen nicht mehr den Stellenwert von einst. Früher war man damit in der absoluten Weltspitze angelangt, heute zählt man noch gerade zu den Top 200. Dennoch sauge ich aus der Zahl zusätzliche Motivation." Die Top 100 fasst die deutsche Nummer sieben fest ins Visier: "Jetzt möchte ich mich natürlich weiter über die 2603 hinaus verbessern und peile die 2650 Elo an. Sicher, das wird nicht leicht - aber man muss ehrgeizig bleiben."

In Guyana sorgte der deutsche Großmeister auch so für Begeisterung wie einst die Leimener Tennis-Legende Boris Becker rund um den Globus. Der vieljährige Premierminister Samuel Hinds verfolgte Buhmanns Lektionen an einer Eliteschule des Landes. Das Fernsehen berichtete dauernd live über das Gastspiel des 28-Jährigen. "Als Erstes ging es zum Kultur-, Jugend- und Sportminister Frank Anthony. Wir gaben eine große Pressekonferenz, das Fernsehen sendete und zahllose Vorberichte auf den Titelseiten waren schon erschienen. Die Leute, die mit Schach nichts am Hut hatten, sprachen mich daraufhin auf der Straße an und sagten: ,Sie sind doch der Schach-Großmeister, ich habe Sie im Fernsehen gesehen'", erinnert sich Buhmann gerne an die traumhafte Karibik-Tour zurück, denn: "In Deutschland gibt's so etwas nie, es kennt einen ja keiner, wenn man nicht gerade Profifußballer ist. In Guyana saß ich im Café, schon kamen die Leute und wollten Autogramme haben. Da fühlt man sich plötzlich wie ein Weltstar." Grinsend ergänzt der Nationalspieler: "In den drei Tagen in Guyana habe ich so viele Autogramme wie nie zuvor gegeben. Zudem lud mich der Sportminister wieder ein. Er will mich dann in den Nationalpark Potaro begleiten und mir die 225 Meter hohen Kaieteur-Wasserfälle zeigen."

Nach Guyana will Buhmann nun weitere Teile der Schachwelt erobern.

Rainer Buhmann
Eine der Attraktionen des Stadtfests: Großmeister Rainer Buhmann
- hier im Bundesliga-Duell mit dem englischen Weltklassespieler Michael Adams (rechts) -
spielt bei seinem Simultan gegen 25 Spieler gleichzeitig.


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