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Open Baden-Baden

REO - 10 Jahre Rochade


Rochade Express, Nr. 37, Seite 14ff, "Open Baden-Baden 1989"

   Dieses Jahr spielte ich eigentlich nur mit, weil das Open direkt vor der Haustüre liegt und mir noch zwei Partien für den FIDE-Meister-Titel fehlten. So richtig fit fühlte ich mich aus studientechnischen Gründen nicht gerade, weshalb ich der Turnierleitung mitteilte, dass ich auf keine Norm spielen wollte. Insbesondere sollte man mir nicht absichtlich in jeder Runde eine Keule vorsetzen.

   Doch nach zwei lockeren Auftaktrunden (l20 und l00 Ingo) kam ich gegen FM Hermann. Nach einem munteren Theoriegeplänkel hatte ich mir einen leichten Raumvorteil verschafft, den mein Gegner mit einem Damenopfer für Turm, Läufer und Bauer neutralisierte. Wenig später hatte sich ein dynamisches Gleichgewicht eingestellt, was Hermann aber nicht reichte. So unternahm er einen interessanten Gewinnversuch, der aber an meiner Verteidigung scheiterte. Ich bekam die Dame für zwei Leichtfiguren, was wohl gereicht hätte - wenn mir nicht ein lustiges Selbstmatt eingefallen wäre. Ziemlich verärgert trat ich nun gegen den Heidelberger Bundesligaspieler Zuse an:











Zuse - Gerstner
Open Baden-Baden 1989

1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 a6 5.Sc3 Dc7 6.Le2 Sf6 7.0-0 Le7 8.f4 d6 9.Kh1 0-0 10.Lf3 Sc6 11.a4 Td8 12.Sde2? Eine zweifelhafte Neuerung, denn auf e2 stört der Springer eher. 12.Le3 oder Sb3 ist Theorie. 12...Tb8 13.b3 b5 14.axb5 axb5 15.Lb2 Sd7 Mit der Idee Lf6,um den Lb2 abzutauschen. 16.De1 Lf6? Aber dies ist zu früh, weil eine Feinheit übersehen wird. [ Richtig war 16...b4 17.Sa4 Lf6 ] 17.Dg3! Se7 [ 17...b4? 18.e5 bxc3 ( 18...dxe5 19.Se4 exf4 20.Sxf6+ Sxf6 21.Sxf4 Die weißen Angriffschancen sind sehr real.) 19.exf6 Sxf6 20.Lxc3+- ] 18.Df2! [ Aber nicht 18.e5 dxe5 19.Se4 Sf5 20.Sxf6+ Sxf6 21.Df2 e4 22.Lxf6 exf3-+ ] 18...Sc6 [ Erneut scheitert 18...b4 19.Ta7 Tb7 ( 19...Lb7 20.Sb5 Dc5 21.Dxc5 Sxc5 22.Lxf6 gxf6 23.Sg3+/= ) 20.Sb5 Dc5 21.Dxc5 Sxc5 22.e5 Txa7 ( 22...Txb5 23.exf6+/= ) 23.exf6+- ] 19.e5? Sieht sehr gut aus, scheitert aber. 19...dxe5 20.Lxc6 [ 20.Se4 Se7 21.Dg3 g6=/+ Die weißen Figuren harmonieren nicht gut miteinander zumal Schwarz ausreichend verteidigen kann.] 20...Dxc6 21.fxe5 Sxe5 22.Sd4 Txd4!! positionelles Qualitätsopfer für Bauer, Angriff und Initiative zumal die Alternative [ 22...De8 23.Se4 Le7 24.Dg3+- ] nicht sehr vertrauenserweckend aussieht. 23.Dxd4 Lb7 24.Df2 [ 24.Tg1? Sc4 25.Df4 e5-+ ; 24.Dd2 Sg4 25.Tg1 ( 25.h3 Td8 26.De2 Se3 27.Tf3 Sf5 28.Df1 Sh4 ) 25...Dc7-+ ] 24...Sg6! Der Schwachpunkt ist g2, er muss anvisiert und belagert werden. [ 24...Sg4? 25.Dg3 ] 25.Sd1 Sf4 26.Tg1 Lxb2 27.Sxb2 e5! Nicht zu ungestüm und 27..Sh3? 28.Dg3, nun droht aber Sh3. 28.Dd2 h5 Alles wird gegen g2 geworfen und auf den ersten Blick ist nicht zu sehen, wie sich Weiß verteidigen will. 29.Sd3 Td8 30.Da5 Txd3! Á-tempo gespielt, um g2 im Sturm zu nehmen. 31.cxd3 Sxg2 32.Dd8+ Kh7 33.Tac1 Dg6?? Vergibt den Gewinn wegen einer kuriosen Fehlberechnung die uns beiden unterlief. [ Nach 33...Df3 34.Tcf1 Dh3 35.Txf7 sahen wir die schwarzen Felle davonschwimmen, doch 35...Sf4+ 36.Txb7 Df3+ führt zum Matt.] Wie kann man so etwas Einfaches übersehen? In allen anderen Varianten schlägt die Dame auf b7 und so waren wir beide davon überzeugt, dass der Tb7 auch noch f3 deckt! 34.Dd7 La8 35.Dc8 Ld5 36.Dd7 und Remis. [ 36.Dd7 Der Gewinnversuch mittels 36...Dxd3 ist zweifelhaft: 37.Tgd1? ( 37.Tcd1 Sf4+ 38.Dxd5 Dxd5+ 39.Txd5 Sxd5 40.Tc1 und nach dem Gewinn des Bb5 ist der b-Bauer wesentlich gefährlicher als die schwarze Königsflügelbauernwalze.) 37...Se1+! 38.Dxd5 ( 38.Kg1 De3+ 39.Kf1 Lg2# ) 38...Df1# ]
1/2-1/2



   Begreiflicherweise hob dieser Ausgang nicht meine Stimmung und erst recht nicht mein nächster Gegner Keilhack, der eine ungeliebte Tarrasch-Verteidigung spielte: Remis nach 17 Zügen. Und damit es mir ja nicht zu langweilig werde, saß mir am nächsten Tag IM Honfi gegenüber, gegen den ich letztes Jahr nur sehr glücklich gewinnen konnte.











Honfi - Gerstner
Open Baden-Baden 1989

1.e4 c5 2.b3 d6 3.Lb2 Sf6 4.Lb5+ Sbd7 5.d3 Da5+ Um nach Sc3 dem Lb2 die Diagonale zu versperren. Von Theorie war keine Spur mehr zu sehen. 6.Sc3 d5 Normalerweise soll man ja das Zentrum nicht öffnen wenn man schlechter entwickelt ist, aber ich glaubte das Läuferpaar zu erhalten und der Sc3 steht nicht optimal. 7.exd5 [ 7.e5 d4 8.exf6 dxc3 9.Lxd7+ Lxd7 10.Lc1 exf6-+ ] 7...Sxd5 8.Sge2 Sxc3 9.Sxc3 g6 10.0-0 Lg7 11.De1! Verhindert zunächst die Rochade und bereitet den Damentausch vor. 11...e6 [ 11...0-0? 12.Lxd7 Lxd7 13.Sd5? ( 13.Dxe7 Lxc3 14.Lxc3 Dxc3 15.Dxd7 Dxc2 16.Tfc1 Dd2 17.Dxb7 Dxd3 18.Txc5+- ) 13...Dxe1 14.Sxe7+? Dxe7 ] 12.a4 0-0 13.Sd1 Nach dem Damentausch wird das weiße Raumübergewicht spürbar. 13...Dxe1 14.Txe1 Td8 15.Lxg7 Kxg7 16.a5! Damit wird der schwarze Damenflügel entwicklungsunfähig. 16...Sf6 17.a6? Ein für einen IM unglaulicher Fehler: Für ein wenig Raumgewinn schwächt er seine Damenflügelbauern, den Lb5 und Schwarz kann sich wieder entwickeln. 17...b6 18.Lc6 Tb8 19.Sc3 Wer würde hier vermuten, dass Weiß schon ums Remis kämpfen muss? 19...Td6 20.Lb5 Traurige Notwendigkeit: [ 20.Lf3 b5 21.Ta5 Lxa6-+ ] 20...Sd5! Beseitigt den aktiven Sc3. 21.Sxd5 [ 21.Se4 Td8 und gegen Sc7 ist nichts zu machen.] 21...Txd5 22.f3 Kf6 23.Kf2 Ke7 24.Te4 Ld7 25.Lxd7 Kxd7 26.Ke3 Kc6 27.b4 Weiß kann nicht warten, sonst spielt Schwarz Tb-d8, b6-b5-b4, Kb5, T8-d6, usw.. Die Alternative war: [ 27.d4 Tbd8 28.dxc5 bxc5-+ und Weiß kann das Eindringen der Türme auf der zweiten Reihe nicht verhindern.] 27...cxb4 28.Txb4 Tc5 Schwarz nimmt sofort die hängenden Bauern aufs Korn. 29.Kd2 Td8 30.c4? Weiß verliert die Geduld und schwächt sich immer mehr. Hier war passive Verteidigung angesagt. 30...h5! Provoziert eine weitere Bauernschwäche. 31.Kc3 h4 32.d4 Tf5 Droht h4-h3. 33.h3 e5! Nun hat Weiß die unangenehme Wahl, den Bc4 entweder zu isolieren oder rückständig zu machen. Damit rächt sich der 30. Zug. 34.d5+ [ Aussichtslos ist 34.dxe5 Txe5 35.Tb2 Te3+ 36.Kb4 Tdd3 und Weiß gerät in Zugzwang.] 34...Kd6 35.Te1 [ Interessant wäre 35.Tab1 Tc8? ( 35...Kc7? 36.c5! Tf6 37.d6++- ; 35...Tf4 36.Txb6+ axb6 37.Txb6+ Kc7 38.Tb7+ Kc8 39.Tb5 Td7 40.c5 mit diversen Fuddelchancen.; Aber: 35...Ta8! 36.Txb6+? axb6 37.Txb6+ Kc7 38.c5 Ta7-+ ) 36.Txb6+! axb6 37.Txb6+ Kc7 38.Tb7+ Kd8 39.a7+- ] 35...Tf4 36.Te4 Und hier war möglich: [ 36.c5+ bxc5 37.Tb7 Td7 38.Txd7+ ( 38.Teb1 Tb4! 39.Txd7+ Kxd7 40.Txb4 cxb4+ 41.Kxb4 Kd6 42.Kc4 g5-+ ) 38...Kxd7 39.Txe5 Ta4-+ ] 36...Txe4 37.fxe4 Tc8 38.Tb2 f5! Nun ist die Partie entschieden. 39.Tf2 [ Nicht besser ist 39.exf5 gxf5 40.Tb5 ( 40.Tf2 f4 41.Te2 Tc5 42.Ta2 Ta5-+ ) 40...Tc5 41.Txc5 Kxc5 42.Kd3 b5-+ ] 39...f4 40.Kb4 Tc5 Aufgegeben, es könnte noch folgen: [ 40...Tc5 41.Ta2 g5 42.Ta1 Ta5 43.Txa5 bxa5+ 44.Kb5 ( 44.Kxa5 g4 45.Kb4 f3-+ ) 44...g4 45.c5+ Kd7 46.Kxa5 f3-+ ]
0-1



   Nach diesem Sieg erhoffte ich mir Erleichterung, doch zu meinem Schreck war GM Kirov mein Gegner. Wie ich im Nachhinein erfuhr, hatte man mich gegen meinen Willen für die IM-Norm gelost. Nun ja, damit legte sich meine Spielfreude, und nach meinem etwas unglücklichen Verlust gegen Kirov schob ich die letzten beiden Runden gegen wesen!lich schwächere Gegner zum Remis. Es war wirklich kein Turnier, das mich mit Glück und Freude überhäufte.


REO - 10 Jahre Rochade