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Analysator vs. Praktikator

REO - Die Aera Hatz


Rochade Express, Nr. 40, Seite 18ff, "Analysator vs. Praktikator"

   Morgens fünf Uhr: Frisch wie ein klarer Gebirgsbach sitzt der Analysator bereits am Frühstückstisch und schlürft seine Blutsuppe. Nach seinem Trainingsplan wird er in einer halben Stunde zu seinem morgendlichen Konditionstraining durch die Schluchten Rastatts aufbrechen. Nur miauende Hunde und jaulende Katzen werden dann Reißaus vor dem Sonderling nehmen, um keinen seiner Trainingsschüsse, wie er lieblich die Tritte nach den armen Tieren nennt, abzubekommen.

   Zur gleichen Zeit schlürft der Praktikator mit schweren Schritten nach Hause. Gezeichnet von einer langen, durchgefeierten Nacht, fällt er müde in sein Wasserbett und träumt dort noch einmal von den prallen, saftigen blauen Trauben, die ihm bei der Feier von jungen, schönen Frauen auf seiner Liege dargereicht wurden. Schon drei Stunden später muss sich der Praktikator aus der Daunendecke pellen, um seinen ausgemergelten Körper zum Badischen Tagblatt, der Zeitung mit der besten Schachspalte weit und breit, zu schleppen.

   Derweil sitzt der Analysator schon seit geraumer Zeit am Schachbrett und tüftelt neue Eröffnungen und Fallen aus. Sein ganzes Sinnen dreht sich darum, den verhassten Praktikator zu überspielen, ihn ein für alle Mal fertig zu machen, der ganzen Welt zu zeigen, wer der Bessere ist. So vergeht Stunde um Stunde. Nur karge Blutsuppen unterbrechen für Minuten seinen Analysewahn. Morgen wird es so weit sein, dann beginnt der Kampf. Ein fratzenhaftes Grinsen verzerrt kurz das Antlitz des Analysators als er sich vorstellt, wie es sein wird, wenn er den Praktikator mattsetzt.

   Am Nachmittag und dann gegen Abend wird der Praktkator immer munterer. Lustig, immer ein witziges Scherzchen auf den Lippen, wandelt er durchs Leben und verschwendet keinen Gedanken an den anstehenden Wettkampf. Am Abend wird es wieder heiter werden . Nach gewohnter Vorbereitung sitzt der Analysator bereits um 8.30 Uhr am Brett. Ungeduldig wartet er auf den Praktikator, den er im Kampf um den mittelbadischen Supercup zerschmettern will. Wenige Sekunden vor Partiebeginn trifft auch der Praklikator ein. Obwohl von der langen Nacht ermattet, begrüßt er den griesgrämigen und missmutigen Analysator mit einem väterichen Klaps. Das Duell der beiden besten Spieler zwischen Murg und Rhein beginnt:











Praktikator - Analysator
1. Wettkampfpartie Kuppenheim, 1990

1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.b3 d6 4.Lb2 Sf6 5.Lb5+ Sbd7 6.De2 [ 6.e5 dxe5 7.Sxe5 Le7 8.0-0 0-0 9.f4 mit leichtem Vorteil ist wohl besser, zumal der Lb5 ein Rückzugsfeld besitzt.] 6...Le7 7.0-0 0-0 8.Sc3?! Passt nicht ins System, weil die Läuferdiagonale geschlossen wird. [ 8.d4 cxd4 9.Sxd4 ( 9.Lxd4 a6 10.Ld3 b5 mit unklarer Stellung.) 9...a6 10.Lc4 Se5 und Schwarz steht etwas besser.] 8...a6 9.Lxd7 Sxd7 10.e5 Die letzte Chance wegen 10..Lf6. 10...dxe5 11.Sxe5 Lf6? Danach kann der Punkt e5 verteidigt werden. [ 11...Sxe5 12.Dxe5 Dd6 ( 12...Dxd2? 13.Se4! ) 13.De2 g5! 14.Tae1 f6 im Sinne des Maroczy-Systems, bei dem Zentrum und Läuferpaar dem Nachziehenden Vorteil sichern.] 12.Sg4? [ 12.f4! Dc7 13.Tae1 b5 14.Se4! mit leichtem Vorteil für Weiß, da sich der Bauerngewinn auf e5 verbietet: 14...Sxe5? ( 14...Lxe5 15.fxe5 Sxe5 16.Sg5 f6 ( 16...Sg6 17.Dh5 h6 18.Sxf7 Sf4 19.Sxh6+ gxh6 20.Txf4 Txf4 21.Dg6+ Kf8 22.Le5 ) 17.Lxe5 fxe5 18.Sxh7! ) 15.Sxf6+ gxf6 16.fxe5 f5 17.Dh5 Kh8 18.Te3 Tg8 19.Txf5! exf5 20.e6++- ] 12...Ld4 13.Sd1 Der starke Läufer muss beseitigt werden. 13...Lxb2 14.Sxb2 e5! Nur dieser Zug, der das Zentrum gewinnt, sichert Schwarz Vorteil. Andernfalls gelingt es Weiß, mit f4 und Se5 nebst Tae1 auf dem Königsflügel dauerhaft Druck zu erzeugen, zum Beispiel nach: [ 14...b5? 15.f4 Lb7 16.Se5 Dc7 17.Tae1 ] 15.Sc4 [ 15.Sxe5? Te8 16.f4 Sxe5 ( 16...f6?? 17.Dc4+ mit Gewinn.) 17.fxe5 Dd4+-+ ] 15...Te8 [ 15...Dc7? 16.Scxe5 Te8 17.f4 und Weiß hat Vorteil.] 16.Tae1 Dc7 17.Dd3 Der Nachziehende hat e5 befestigt und will mit b5 den Sc4 vertreiben, welcher auf d6 den Lc8 abtauschen soll. 17...h5! [ Und nicht 17...b5? 18.Scxe5 ; oder 17...Te6 18.Scxe5 ] wegen der schwachen schwarzen Grundreihe. 18.Sge3 b5 19.Sd6 Te6 20.Sxc8 Txc8 21.c4?! Schwächt natürlich d2 und d4 gewaltig. Dafür schafft es Verwicklungen, blockiert das Zentrum und schafft einen Vorposten lür den Springer. 21...Dd6? Greift sofort daneben. Das Bauernopfer ist völlig verfehlt und unnötig: [ 21...b4! 22.Sd5 Dd8 23.Dh3 Sf6 24.Sxf6+ Dxf6 25.Dxh5 Td8 mit guten Chancen für Schwarz.] 22.De2! b4 [ Gut für Weiß ist auch 22...Sf6 23.cxb5 axb5 24.Dxb5 Dxd2 25.a4 ] 23.Dxh5 Sf6 24.De2 Td8 Baut auf den schwachen d2-Bauer. Weiß steht dann besser, wenn es ihm gelingt, den Be5 mittels f4 zu beseitigen, um dann d4 durchzusetzen. Schwarz muss den Bd2 blockieren und versuchen, über die a- Linie einzubrechen. 25.Td1 Dd3? Damentausch vereinfacht die weiße Aufgabe. [ Deshalb sollte 25...Sd7 26.Sd5 ( 26.d3 Sb8 27.Sd5 Sc6 28.De4 Sd4 ) 26...Sb6 27.Se3 Sc8 28.Sd5 Se7 29.Se3 f5! jeweils mit unklarem Spiel folgen.] 26.Tfe1 Ted6 27.Dxd3 Txd3 28.Sf1! Nun steht Weiß besser: Der Be5 ist schwach, der Springer deckt d2 und die Turne können die e-Lirie besetzen. 28...e4 29.Te3 T3d4 30.Tde1 a5 31.f3 exf3 32.Txf3 Kf8 Wegen Te7 erzwungen. 33.Te5 Sd7 34.Te2 [ 34.Th5 Ke7 35.Te3+ Kf6! 36.Thh3 Se5 und Weiß kommt nicht weiter.] 34...a4 35.Kf2! Sf6 36.Ke1 axb3 37.axb3 Ta8 38.d3 Ta3 39.Tb2 Sd7 40.Te3 f6 Der Se5 soll das gegnerische Spiel einengen. 41.Ke2 Se5 42.Sd2 Td7 Vermeidet Abtausch und macht d4 für den Springer frei. 43.Sf3 Sc6 44.Kd2 Kf7 45.Te4! Td6? Übersieht den nächsten Zug. Angebracht war 45..Ta8 nebst Tad8, wonach Weiß noch Probleme zu überwinden hat. 46.d4! Zur rechten Zeit befreit sich Weiß. 46...cxd4 [ 46...Sxd4? 47.Sxd4 cxd4 48.Kd3 Ta1 49.c5! und der Praktikator ist im Vorteil.] 47.Kd3 Ta8 48.c5! Td5 49.Kc4 Tad8 50.Td2 Se5+! Die letzte Chance, da nach dem Nehmen auf d4 Weiß gewinnt. 51.Sxe5+ Danach ist die Partie erstaunlicherweise Remis. [ 51.Kxb4 hätte aber eher noch Weiß in Gefahr gebracht: 51...Tb8+ 52.Ka4 ( 52.Ka3? Sc4+ 53.bxc4 Td7 ) 52...Ta8+ 53.Kb5 Tb8+ 54.Ka6 Txb3= ] 51...fxe5 52.Tf2+ Forciert das Remis, weil der Bd4 zu stark ist. [ 52.Tf2+ Ke6 53.Tg4 d3 54.Tg6+ Ke7 55.Txg7+ Ke6 mit Dauerschach folgen können, da der Gewinnversuch 56.Tg6+ Ke7 57.Td2 e4 58.Tg3 Ke6 59.Te3 Ke5 60.g3 Td4+ 61.Kb5 Tb8+ 62.Kc6 Tdd8 63.Te1 Kd4 64.Ted1 Tdc8+ 65.Kd7 Txc5 fehlschlägt.]
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   Schon drei Tage später kommt es zum erneuten Aufeinandertreffen der Rivalen. Diesmal umgeht der Liebing der Massen, der geniale wie schachfaule Praktikator die vorbereiteten Varianten des Anaysators mit einer am Brett gefundenen Neuerung. Die Gedanken des Analysators kreisen derweil zwischen den Blutsuppen nur um eines: Den Praktikator zu schlagen.











Analysator - Praktikator
2. Wettkampfpartie Kuppenheim, 1990

1.d4 Sf6 2.Lg5 c6 3.Sc3 d5 4.e3 Lf5 5.Ld3 Lxd3 6.Dxd3 Db6 7.Sf3 Da6! Ein sehr starker Zug, mit dem Schwarz den Eröffnungskampf für sich entscheidet. Entweder gibt Weiß die Rochade auf - und damit die Kontrolle über e4 - oder er tauscht die Damen, wonach e4 erschwert ist und der Nachziehende mit c5 Vorteile im Zentrum erlangen kann, da der c2-Bauer sehr unbeweglich ist. 8.Dxa6 Sxa6 9.a3 e6 10.0-0 Ld6?! Besser ist 10..Le7, da Schwarz nach e4 von Weiß ein Tempo verliert. 11.Tfe1 h6 12.Lh4 [ Nach 12.Lxf6 gxf6 13.e4 dxe4 14.Sxe4 Le7 steht der Praktikator besser. Die beiden halboffenen Linien wiegen die Bauernschwäche mehr als auf.] 12...Tc8 13.b4 Sb8 14.e4 Le7 15.Lxf6 Es drohte 15..g5 16.Lg3 Sxe4 17.Sxe4 dxe4 18.Txe4 f5 19.Txe6 f4. 15...gxf6 16.Sa4! Nimmt b6 und c5 unter Kontrolle oder strebt nach b2 um c4 durchzusetzen. 16...Sd7 17.Sb2 Sb6 18.Tac1 0-0 19.c4 dxe4 [ 19...dxc4 20.Sxc4 Sxc4 21.Txc4 Tfd8 22.Tec1 a6 und Schwarz steht zwar passiv hat aber kaum Schwächen.] 20.Txe4 Ta8! Da der Anziehende das Zentrum kontrolliert und de Königsflügelbauernstruktur keine Aktion zuläßt, versucht Schwarz am Damenflügel Drohungen aufzustellen oder sich dort Linien zu öffnen. 21.c5!? Ein sehr verpflichtender Zug, der den Gegner einengt aber dafür den Bd4 und das Feld d5 schwächt. Dafür erhält der Analysator c4 und verhindert a5, was stark drohte. 21...Sd5 22.Sc4 Tfb8 Um mit b6 oder a5 die weiße Bauernfront zu zerstören. 23.Sfd2 Td8? Inkonsequent. [ Ein sicheres Remis ergab 23...b5 24.Sa5 ( 24.cxb6 axb6 25.Sb3 c5! 26.dxc5 bxc5 27.Sxc5 Lxc5 28.bxc5 Tc8 29.Sd6 Tc6 30.a4 Sb6! mit Ausgleich.) 24...Tc8 und die Stellung ist dicht. ] 24.Sb3 Td7 25.g3! Um dem Springer f4 zu nehmen und so den Turm ungestört auf der vierten Reihe umgruppieren zu können. 25...Kg7 Schwarz spielt planlos (Anm. des Texters: Der arme Praktikator war wohl in diesem Kampf mit ungleichen Waffen nicht so ausgeschlafen wie der gegnerische Gemeinling), b6 muss durchgesetzt werden. 26.Te2 Kf8 27.f3 Kg7 28.Kf2! Tg8? Die a-Linie muss besetzt bleiben. 29.Tb2 b5? Diese Befreiung kommt zu spät und zum falschen Zeitpunkt, weil Weiß einen Bauern gewinnt. [ Gerade noch geht 29...Tc8 30.Sca5 ( 30.Sba5 b6 mit unklarer Stellung.) 30...Tdc7 31.Sd2 b6 32.cxb6 axb6 33.Sab3 Ta7 34.Sb1 Ld8 35.Tbc2 Se7 und es bleibt unklar, wie Weiß eindringen will, da auch a3 und d4 schwach sind.] 30.cxb6 axb6 31.Se3! Ta8 32.Txc6 Txa3 33.Sxd5 Txd5 34.Txb6 Ta4 35.Sc5 Der entscheidende Zug der Abwicklung, der dem Analysator einen Mehrbauern beschert. 35...Ta3 36.Tb7 Kf8 37.Sb3? Fasst einen schlechten Plan und bringt sich um die Früchte seines bisherigen Spiels. 37...Ta4 Weiß hat zwar einen Mehbauern, aber Probleme ihn zu verwerten, da b4 und d4 schwach sind. Deshalb entschließt er sich in Zeitnot, den Mehrbauern für einen Mattangriff herzugeben - und tatsächlich befndet sich Weiß bald im dichten Mattnetz. 38.Tc2? [ Besser ist 38.Sc5 Ta3 39.Td2 Td8 40.h4! Ke8 41.Td3 Ta2+ 42.Ke3 ] 38...Txb4 39.Tc8+ Kg7 40.Txe7? [ Nach 40.Txb4 Lxb4 41.Tc4 schippert de Partie in den Remishafen, aber noch träumt der Analysator vom Matt.] 40...Txb3 41.Tcc7 Txd4 42.Txf7+ Kg6 43.g4? Der Verlustzug. [ Nach 43.Tg7+ Kf5 44.Tc2 Tdd3 45.f4 sollte Weiß die Stellung halten können, wenn auch etwas mühevoll.] 43...Kg5 44.Tc5+ [ Endlich sieht Weiß 44.Kg3? Txg4+! ] 44...e5 45.Kg2 Tf4 46.Tg7+ Kh4 47.Tg6 Tbxf3 Damit ist die Partie entschieden und Schwarz bringt das Endspiel sicher unter Dach und Fach. 48.Txh6+ Kxg4 49.Tc2 Kg5 50.Th8 Ta3 51.Te2 Tg4+ 52.Kf2 Kf4 53.Th5 f5 54.Ke1 Tf3 55.h3 Tg1+ 56.Kd2 e4 57.Th4+ Kg5 58.Th8 Ta1 59.Tg2+ Kf4 60.Th4+ Ke5 61.Tg8 Ta2+ 62.Ke1 Tb3 63.Td8 Tb1+ 64.Td1 Txd1+ 65.Kxd1 f4 66.Th8 e3 67.Te8+ Kd4 68.h4 Th2 69.Th8 f3 70.Td8+ Ke4 71.Te8+ Kf4 72.Tf8+ Kg3 73.Te8 Kf2 74.h5 Txh5
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   Nach dieser Niederlage ist der Anaysator sehr wütend geworden. Seine arme, wehrlose Mutter und seine Freundin müssen für den Ausrutscher büßen. Da beide vom Praktikator und seinem unübertreffliche Humor begeistert waren und sind - wer ist das nicht? - ließ er seinen Zorn an diesen unschuldigen Kreaturen aus. Danach tauchte der Analysator für mehrere Monate unter. Unbestätigte Gerüchte aus ansonsten zuverlässiger Quelle besagen, dass der Analysator beim Training in der sibirischen Taiga gesichtet wurde. Dort stählte er seinen Körper und Geist spartanisch, während der Praktikator in dem Glauben lebte, den Wettkampf kampflos gewonnen zu haben. Doch kurz nach Weihnachten kehrte der Analysator zurück und forderte den Praktikator heraus. Dessen Einwände, er habe eine Grippe mit 40 Grad Fieber, ließ der Analysator nicht gelten. So schleppte sich der Praklikator todkrank ans Brett anstatt ins Bett. Nach heroischem Verteidigungskampf musste sich dann der Praktkator im 52. Zug der Grippe beugen. Der Analysator glich zum 1,5:1,5 aus.











Praktikator - Analysator
3. Wettkampfpartie Kuppenheim, 1990

1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.Sc3 a6 4.a4 Dc7 5.g3 Sc6 6.Lg2 g6!? [ Nach 6...d6 7.0-0 Sf6 8.d4 cxd4 9.Sxd4 Le7 erreicht man eine typische Stellung des Scheveringer Systems mit 6.g3. Schwarz versucht den Tempoverlust a4 auszunutzen, um Drohungen in Zentrum aufzustellen. Dafür werden der schwache Bd6 und die schwarzen Felderschwächen in Kauf genommen.] 7.d4 Notwendig und gut. 7...cxd4 8.Sxd4 Lg7 9.Sb3 [ 9.Le3? Se5 10.0-0 ( 10.Sb3 Sc4 11.Dc1 Sxb2! ) 10...Sc4 und der Nachziehende steht besser.] 9...d6 10.0-0 Sge7 11.f4 [ 11.Le3 Se5 mit ähnlichen Motiven wie oben. Es ist wichtig, e5 unter Kontrolle zu bringen.] 11...b6 Sonst spielt der Kontrahent 12.a5 mit 13.Le3 und steht gut. 12.Le3 Tb8 Deckt b6, räumt die lange Diagonale und wartet auf die Öffnung der b-Linie. 13.Dd2 0-0 14.Tad1? [ 14.Tfd1 ist angebracht, da am Damenflügel ein verteidigender Turm später hilfreich wäre.] 14...Td8 15.Kh1? Übersieht den folgenden Zug, der den Analysator in Vorteil bringt. [ Weiß hat es aber schon schwer: 15.g4 f5! 16.exf5 gxf5 17.g5 ( 17.Kh1 Se5! ) 17...Sa5! mit Vorteilen für den Führer der dunklen Steine.] 15...Sa5! 16.Sxa5 bxa5 17.e5 Darauf hatte sich Weiß verlassen, zumal andere Züge schlecht sind. 17...Sf5 18.Lg1 Lb7! Nun wird der Lg2 beseitigt und es droht dxe5. [ Besser als 18...Txb2 19.g4 Sh4 20.Le4 Lb7 21.Lf2 Lxe4+ 22.Sxe4 Txc2 23.De3 mit unklarer Position.] 19.exd6 Txd6 20.Dc1 Lxg2+ 21.Kxg2 Tc6 [ 21...Lxc3 22.bxc3 Dxc3 23.Tf3 lässt Weiß den c-Bauern, der eventuell gefährlich werden kann.] Jetzt tauscht Schwarz noch einen Turm. 22.Tf3 Lxc3 23.Txc3 Txc3 24.bxc3 Dxc3 25.Kh3 Es drohte 25..Dc6+ nebst Dxa4. 25...Tc8 26.Td7! Aktiviert seine Figuren: Der Turm auf der siebten Reihe und der Läufer, der die schwarzen Felderschwächen markiert, können dem Nachziehenden die Verwertung seines materiellen Vorteils erheblich erschweren. 26...h5! Sichert den Vorposten des Sf5. [ 26...Dxc2? 27.Td8+! Kg7 28.Txc8+- ] 27.Dd1 Dxc2 28.Td8+ Kh7 [ 28...Kg7? 29.Ld4+ f6 ( 29...Kh7? 30.Dxc2+- ) 30.Td7+ Kf8 31.Dxc2 Txc2 32.Lxf6 mit unklarer Stellung.] 29.Dxc2 Txc2 30.Ta8 Ta2 Die Verteidigung beider Mehrbauern bringt Schwarz nicht weiter. [ 30...Tc6 31.Ta7 Kg7 mit unklarem Spiel, da der Turm die sechste Reihe nicht verlassen darf, der Springer d4 decken muss und der König an f7 gebunden ist.] 31.Txa6 Txa4 32.Lb6 g5! Im Endspiel Springer + x Bauern gegen Läufer + (x-1) Bauern ist es wichtig, sich einen Freibauern zu verschaffen. 33.fxg5 Kg6 34.Txa5 Txa5 35.Lxa5 Kxg5 36.Ld2+ Kg6 37.Kg2 [ 37.g4? hxg4+ 38.Kxg4 vereinfacht das Endspiel zugunsten der Springer-Partei.] 37...e5 38.Kf3 Sd4+ 39.Ke4 f5+! 40.Ke3 [ 40.Kxe5? Sf3+ ] 40...h4? Vergibt den Gewinn, der zwar nicht leicht zu bewerkstelligen ist, aber gute praktische Chancen besitzt Schwarz auf jeden Fall. Richtig ist die Königswanderung nach d5 oder c4 und die Springerumgruppierung nach g4. Entweder steht er dort dominierend oder er wird mit h3 vertrieben. Dafür wird aber g3 geschwächt und nach vorbereitetem h4 erhält der Nachziehende zwei verbundene Freibauern. 40..h4 ist eine Felhkalkulation, die eine hübsche weiße Möglichkeit ausser Acht lässt. 41.gxh4 Kh5 42.Lc3 Kg4! Versucht es mit einer letzten Falle. [ 42...Sc6? 43.Lxe5! Sxe5 44.Kf4 mit Remis.] 43.Lxd4? Nun neigt sich die Waagschale wie der dem Analysator zu. [ 43.h5! Kxh5 ( 43...f4+ 44.Ke4 Se2 45.h6 Sxc3+ 46.Kxe5 f3 47.h7= ) 44.Lxd4 exd4+ 45.Kxd4 Kg4 46.Ke3= ] 43...f4+ 44.Ke4 exd4 45.Kxd4? [ Gewisse Chancen blieben bei 45.h5! f3 46.h6 f2 47.h7 f1D 48.h8D De2+! 49.Kd5 Dg2+ 50.Ke5! De2+ ( 50...d3? 51.Dg8+= ) 51.Kd5 und Schwarz kommt nicht weiter.] 45...Kxh4 46.Kd3 Kh3 Die Opposition erzwingt den Gewinn. 47.Ke4 Kg4 48.Kd3 Kf3 49.h4 Kg2 50.Ke4 f3 51.Kf5 f2 52.h5 f1D+
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   Der Analysator glich also aus. Die vierte Partie endete nach hartem Kampf Unentschieden. Wieder hatte der Analysator große Vorteile nach der Eröffnung, doch der Praktikator egalisierte diese nach zwei Bauernopfern durch sein virtuoses Spiel.











Analysator - Praktikator
4. Wettkampfpartie Kuppenheim, 1990

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 d5 4.Lf4 Lg7 5.e3 0-0 6.Db3 c6 7.Sf3 Da5? [ 7...dxc4 8.Lxc4 b5 9.Le2 Le6 10.Dc2 gab gute Chance für Schwarz, zum Ausgleich zu gelangen. Die Dame steht auf a5 exponiert und schlecht, da der Druck auf der Diagonalen a1-h8 fehlt.] 8.Sd2! Sbd7 [ Nach 8...dxc4 9.Sxc4 erhält Weiß gutes Spiel.] 9.Le2 Te8 10.0-0 e5!? Führt zu einem Isolani. Dafür kommen de Figuren aktiv ins Spiel. 11.dxe5 Sxe5 12.Lxe5 [ 12.cxd5 erlaubt 12...Sxd5 13.Sxd5 Dxd5 ( Nicht 13...Le6? wegen 14.Dc3 ) 14.Dxd5 cxd5 15.Lxe5 ( 15.Sb3 Sc4!= ) 15...Lxe5 16.Tab1 d4!= ] 12...Txe5 13.cxd5 cxd5 14.Sf3 [ 14.Db5 Dxb5 15.Sxb5 Te7! 16.Sf3 a6 17.Sbd4 Se4 mit leichten weißen Vorteilen ist eine ansprechende Alternative.] 14...Te7 15.Tfd1 Le6 16.Sd4 Wegen der Drohung d4 erzwungen. Natürlich kontrolliert der Springer auf d4 viele Felder. 16...Tc8 17.Tac1 Das Schlagen auf e6 würde nur das schwarze Zentrum stärken. 17...a6? Ein klares Versehen, das einen Bauern kostet. [ 17...Tec7 18.Lf3 a6 19.Tc2 und Weiß ist wegen des schwachen Bd5, der drei gegnerische Figuren bindet, leicht im Vorteil. Der Druck kann aber kaum noch verstärkt werden, da die weißen Figuren schon alle ihre Idealfelder eingenommen haben.] 18.Sxe6! Txe6 [ 18...fxe6 19.Sxd5+- ] 19.Dxb7 [ 19.Sxd5? Txc1 20.Sxf6+ Lxf6 21.Txc1 Tb6= ] 19...Tec6 Der Nachziehende hat gewisse Äquivalenz in der aktiven Stellung seiner Figuren, der Beherrschung der c-Linie und der leicht verirrten Dame auf b7. Zudem sind ungleichfarbige Läufer auf dem Brett. 20.Tb1! Entfesselt den Sc3 und deckt vorsorglich b2. 20...Lf8?! Will die Stellung der Db7 ausnutzen. [ Besser war wohl 20...T8c7 21.Db8+ Tc8 22.Df4 und Weiß besitzt geringen Vorteil.] 21.Lf3 Lb4 Droht 22..Tc7. 22.Sxd5 Sxd5 23.a3? Dieser Zug gewinnt zwar einen weiteren Bauern, gestattet aber Schwarz mit dem ungleichfarbigen Läufer und den aktiven Türmen den Materialnachteil wett zu machen. Dem Analysator ist es nun fast unmöglich, die Partie noch zu gewinnen. [ 23.Txd5! Db6 24.Dxb6 Txb6 25.Ld1 Tbc6 26.Kf1 und Weiß hat reelle Gewinnchancen.] 23...Db6! 24.Dxb6 [ 24.Dd7 Sf6 25.Dh3 Lf8 26.Lxc6 Dxc6 mit beiderseitigen Chancen.] 24...Txb6 25.Lxd5 [ 25.Txd5? Lxa3= Die Unterschiede zur Variante 23.Txd5 Db6 sind nur gering, aber entscheidend. Entweder wird der Bb2 jetzt rückständig oder Schwarz erobert die zweite Reihe.] 25...Le7 26.a4 Tc2 27.b3 Tf6! Der Anziehende kam kaum e3-e4 spielen, da danach der gegnerische Läufer diesen Punkt auch noch unter Beschuss nimmt. 28.Tf1 a5 Der Mehrbauer am Damenflügel ist jetzt wertlos. 29.Tbc1 Td2 30.Tc8+ Kg7 31.Lc4 Tf5 Mt der Idee Lc5, Tfxf2 und Lxe3. 32.g4!? Vereitelt das Manöver, schwächt aber den Königsflügel. 32...Te5 33.Te8 Kf6 34.h4 h6 35.Te1 Durch den Vorstoß des f-Bauern soll der Turm auch ins Spiel gebracht werden. 35...g5! f4 ist verhindert. 36.h5 Te4 37.f3 Te5 38.Kf1 Lb4! Diese kleine Abwicklung forciert nahezu das Remis. 39.Txe5 Kxe5 40.Tc1 f5?! Gibt Weiß ein wichtiges Tempo. [ 40...La3 41.Ta1 ( 41.Tc3 Lb4 42.Td3 Txd3 43.Lxd3 Lc3= ) 41...Lb2 42.Ta2 f6 43.Ke1 Th2 44.Le2 Lc3+ 45.Kd1 Lb4 mit Ausgleich, da der Anziehende keine Möglichkeit hat, ins schwarze Lager einzudringen oder f4 durchzusetzen.] 41.gxf5 Kxf5 42.Le2 Tb2 43.Tc6 Txb3 44.e4+? Das vermeintlich starke Zwischenschach bringt den Analysator noch in eine prekäre Lage. [ Nach 44.Kf2 ist 44...Ld2 45.e4+ Kf4 46.Tf6+ Ke5 47.Txh6 Le3+ 48.Kg2 Tb2 die einzige Möglichkeit für Schwarz, das Gleichgewicht zu halten. Bei zu scharfen weißen Gewinnversuchen darf der Praktikator selbst noch auf den Gewinn hoffen.] 44...Kf4 45.Kf2 Lc3! Deckt f6 und erlaubt das Eindringen in das gegnerische Lager. 46.Txh6 Ld4+ 47.Kf1 [ 47.Ke1? Ke3 48.Tc6 Tb2! 49.Ld1 Th2=/+ ] 47...Ke3 48.Td6 Tb1+ 49.Kg2 Tb2 50.Kf1 Tb1+ 51.Kg2 Tb2 52.Kf1
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   Das war bereits die dritte Partie, die im 52. Zug endete! Im Durchschnitt aller vier Partien kämpften die beiden Koryphäen bisher 57 Züge lang. 2:2 steht es nun nach insgesamt 230 Zügen. Das Match bleibt - entgegen aller Prognosen - offen. Kurz vor Redaktionsschluss kam die neueste Meldung von dem Wettkampf: Der Analysator konnte dem Praktikator erneut ein Remis abtrotzen. Schon nach 19 Zügen einigten sich die Kontrahenten auf ein Remis. Die Partie finden Sie im nächsten Rochade Express.

   Die Fortsetzung dieses Titanenkampfes können Sie nur im Rochade Express verfolgen, da wir uns die Exklusivrechte gesichert haben. Wir haben dafür keine Ausgaben gescheut. Der Anaysator bekam einen Schnuller und der Praktikator einen feuerroten Ferrari. Damit wir auch morgen noch schreiben können: Beim Rochade Express und der Rochade Kuppenheim sitzen Sie in der ersten Reihe!

Von Wolfgang Gerstner (Partien) und Hartmut Metz (Text)


REO - Die Aera Hatz