Startseite Rochade Kuppenheim

Deutscher Pokal in Kuppenheim

Oberliga-Verein Rochade holt gegen zwei Bundesligisten 4,5:3,5 Punkte

von FM Hartmut Metz, Januar 2006

zu den Schachtexten

 

Tag 1: Rochade eliminiert deutschen Pokalsieger!

 

Auslosung Deutscher Pokal 2006

Die Auslosung zum Deutschen Pokal 2006: Glücksfee Anna-Lena Tammert.

 

   Mit einem sensationellen 3:1-Erfolg über den OSC Baden-Baden ist die Rochade Kuppenheim ins Achtelfinale des deutschen Pokals eingezogen. Der Bundesliga-Tabellenführer brachte zwar nicht das Ausnahmeteam aus dem Jahre 2005 an die Bretter im Alten Kindergarten – aber mit der Schach-Legende Robert Hübner, den IM Illya Mutschnik und Helmut Reefschläger sowie Nachwuchstalent Raoul Strohhäker waren die Kurstädter dennoch nominell weit überlegen. Insgesamt war der OSC sogar mit dem 1:3 gut bedient. In der zweiten Begegnung der Zwischenrunde schlug Erstligist Heidelberg-Kirchheim erwartungsgemäß den krassen Außenseiter SG Schramberg-Lauterbach mit 4:0. Der Landesligist wehrte sich tapfer, am Schluss neigte sich jedoch an allen Brettern die Waage zu Gunsten des Favoriten. Die Schramberger nahmen es gelassen und posierten nach dem Match für ein Erinnerungsfoto mit Hübner. Am Sonntag um 9 Uhr türmt sich damit vor der Rochade eine weitere hohe Hürde mit Kirchheim auf. Die Gäste sind auch diesmal wieder nominell klar favorisiert.

 

Deutscher Pokal in Kuppenheim

Ludger Keitlinghaus (links) verteidigte mit Schwarz gegen die deutsche Schach-Legende Robert Hübner ein Remis. Ein Unentschieden steuerte Hartmut Metz gegen Illya Mutschnik bei.

 

   Gegen den OSC glich Keitlinghaus am Spitzenbrett relativ leicht und früh mit Schwarz gegen Hübner aus. Nach rund 15 Zügen bot der Kuppenheimer Großmeister daher schon einen Friedensschluss an. Der Baden-Badener lehnte indes ab, konnte aber anschließend keinen Vorteil gegen die solide Verteidigung seines früheren OSC-Vereinskameraden herauskneten. In einem Turmendspiel mit jeweils zwei Bauern schüttelte man sich so die Hände. Der Kuppenheimer Aufstellungspoker schien endgültig aufzugehen, als Hartmut Metz seinen Kontrahenten überspielte. Metz war in allen Fällen für Mutschnik vorgesehen. Hätte Hübner gefehlt, wäre er am ersten Brett gegen ihn angetreten und Keitlinghaus wäre ans zweite Brett gerückt. Mit einem überraschend angebotenen Qualitätsopfer wollte Metz die gegnerische Stellung endgültig in Schutt und Asche legen. Als Mutschnik jedoch eine Zugumstellung einbaute und den Kuppenheimer mit einem Remisangebot überraschte, lehnte der ab – und patzte. Ein Damenschach mit anschließend geplantem Läuferopfer auf g6 wäre inkorrekt gewesen. Metz „vergaß“ dabei einen Springerrückzug nach f7. So musste er darauf verzichten und seine ganzen Kräfte zurückziehen. Mutschnik kam dadurch endlich mit seinen Figuren heraus und gewann sogar eine Figur. Weiß erhielt jedoch hässliche Angriffsdrohungen, die nur durch die Rückgabe der Figur zu parieren waren. Zeitgleich bot wieder Mutschnik mit nur noch zwei Minuten für zehn Züge auf der Uhr ein Unentschieden an, das Metz diesmal akzeptierte. In der Schlussstellung stand die Nummer zwei der Rochade aber wohl wieder auf Gewinn, ergab die Analyse mit Keitlinghaus und Hübner. Immerhin hätte der Kuppenheimer so seine Rekordserie mit 16 Weiß-Siegen in Folge ausbauen können. Der Pfad war jedoch schmal – und warum ein Mannschafts-Risiko eingehen, wo doch Hubert Schuh am dritten Brett mit einem Sieg alles klar zu machen schien?

 

Deutscher Pokal in Kuppenheim

Die Kuppenheimer Pokalhelden Hubert Schuh (links) und Velimir Kresovic (dahinter) schlugen den ehemaligen Kuppenheimer Helmut Reefschläger und Raoul Strohhäker.

 

   Reefschläger büßte nach einem zu frühen Vorstoß im Zentrum einen Bauern ein. Der einzige Remistrumpf war danach vielleicht der ungleichfarbige Läufer, wobei der schwarze äußerst passiv stand im Gegensatz zum aktiven weißen. Der ehemalige Kuppenheimer musste auch noch die Damen tauschen, wonach Schuh locker die Qualität opferte für einen weiteren Bauern und um einen gedeckten Freibauern auf c7 zu installieren. Mit einem kleinen Kniff hätte er die Umwandlung erzwingen können. Erst den schwarzen g-Bauern mittels h6 ablenken, dann Td8 ziehen, wonach der Blockadeur auf c8 den Turm nehmen muss. Daraufhin folgt jedoch ein Zwischenschach mit Le5-f6, so dass der König auf e7 diesen nehmen muss – und sich der c-Bauer auf d8 verwandeln kann. Diesen Trick, den Oswald Gschnitzer kurz zuvor gegen Schramberg anbrachte (!), sah Schuh nicht und ließ ihn gleich zweimal aus. Stattdessen stürzte er sich mit seinem Turm auf die isolierten Doppelbauern auf der a-Linie. „Ta5 war der einzige Zug, der nicht sofort gewann“, scherzte Hübner in der Analyse. In der Tat zog Reefschläger den Kopf aus der Schlinge und wickelte in ein Turmendspiel mit drei gegen zwei Bauern am Königsflügel ab. Das war nicht zu gewinnen, meinten die anwesenden Großmeister. Schuh setzte sich dennoch durch. Seinem einstigen Klubkameraden war nach fünfeinhalbstündiger zäher Verteidigung ein Übergang ins Bauernendspiel entgangen, der zu seinem Verlust führte.

   Angesichts der schlechten Endspielbehandlung erwies sich der Sieg von Velimir Kresovic als die Perle des Tages. Mit der Sizilianischen Verteidigung glich der Kuppenheimer Pokalkiller problemlos gegen Strohhäker aus. Nach und nach verstärkte Kresovic den Druck und gewann einen Bauern im Endspiel mit jeweils Dame, Turm und Springer. Die gelockerte weiße Position führte dazu, dass Schwarz sowohl Druck auf e4 bekam und auch noch einen gefährlichen Freibauern auf d3 installieren konnte. Das war zu viel des Guten. Der Baden-Badener versuchte noch einen letzten Trick mit einem Turmopfer, das bei ungenauer Beantwortung ins Dauerschach geführt hätte, doch mit einem Zwischenschach machte Kresovic das 3:1 perfekt.

   Die Rochade Kuppenheim hat in ihrer 26-jährigen Vereinsgeschichte sicher schon einige große Erfolge gefeiert. Dieser klare Sieg über den OSC mit der Schach-Legende Robert Hübner übertrifft vielleicht alles.

 

Rochade Kuppenheim – OSC Baden-Baden 3:1
1. Ludger Keitlinghaus – Robert Hübner remis, 2. Hartmut Metz – Illya Mutschnik remis, 3. Hubert Schuh – Helmut Reefschläger 1:0, 4. Velimir Kresovic – Raoul Strohhäker 1:0
diese Partien online nachspielen
Download alle Pokal-Partien (pgn)

 

SG Heidelberg-Kirchheim – SG Schramberg-Lauterbach 4:0
1. Till Wippermann – Winfried Haist 1:0, 2. Oswald Gschnitzer – Rainer Braun 1:0, 3. Gernod Beckhuis – Armin Maier 1:0, 4. Klaus-Peter Zuse – Michael Fichter 1:0
diese Partien online nachspielen

Download alle Pokal-Partien (pgn)

 

Hübner-Simultan eine echte Herausforderung

"Bei einem Hübner-Simultan hättet ihr es schwerer gehabt!"

Der Kirchheimer Bundesliga-Spitzenspieler Till Wippermann zum 3:1 der Rochade über den deutschen Pokalverteidiger OSC Baden-Baden, bei dem Robert Hübner am ersten Brett gegen Ludger Keitlinghaus remisierte, der Rest des Teams aber in der zweite Runde nicht mehr viel holte.

 

Tag 2: Tapferer Kresovic tragischer Held

   Der Kuppenheimer Höhenflug hat im deutschen Pokal ein Ende gefunden. Im Achtelfinale unterlag die Rochade nach dem Sensationssieg über Titelverteidiger OSC Baden-Baden dem nächsten Bundesligisten: Im Alten Kindergarten zog der Oberligist mit 1,5:2,5 den Kürzeren gegen die SG Heidelberg-Kirchheim. Fast wäre noch eine weitere Riesenüberraschung gelungen. Beim Stand von 1,5:1,5 lehnte Velimir Kresovic von Gernod Beckhuis mehrfach ein Remis ab, obwohl er zwei Bauern weniger hatte! Wie ein Löwe kämpfte der Kuppenheimer und versuchte alles. Fast wäre ihm in beidseitiger Zeitnot noch die Wende gelungen. Als beide Kontrahenten weniger als eine Minute auf der Uhr hatten, stellte Kresovic jedoch die Dame ein.

 

Deutscher Pokal in Kuppenheim

Brett 1: GM Ludger Keitlinghaus (links) - IM Till Wippermann Remis.

 

   Das Match gegen den Favoriten begann nicht sonderlich gut. Ludger Keitlinghaus erreichte gegen IM Till Wippermann nur Ausgleich. Seine Position war solide, aber bot keine Gegenchancen. Deshalb offerierte der Großmeister im 20. Zug ein Remis, was Wippermann akzeptierte.

 

Deutscher Pokal in Kuppenheim

Brett 2: FM Hartmut Metz - IM Oswald Gschnitzer 0:1.

 

   Da zeichnete sich schon ab, dass Hartmut Metz nicht seinen besten Tag erwischt hatte. In einem „innovativ“ vorgetragenen Königsgambit gerieten er wie IM Oswald Gschnitzer rasch aus der für sie bekannten Theorie. Der Kuppenheimer gewann einen Bauern. Dafür besaß der Gästeakteur Entwicklungsvorsprung. Anstatt den König wegzurochieren, was riskant schien, aber zu unklarem Spiel geführt hätte, brachte Metz seine Dame von c6 zurück nach c4 und f1. Anschließend hatte Gschnitzer leichtes Spiel. Der Kuppenheimer wollte sich daraufhin in ein paar Zügen auf h5 matt setzen lassen – aber nicht einmal die forcierte Variante mit ein paar Schachs „gönnte“ ihm sein Kontrahent. Aus war es aber trotzdem bald.

 

Deutscher Pokal in Kuppenheim

Brett 3: FM Hubert Schuh - FM Klaus-Peter Zuse 1:0.

 

   So hatten Hubert Schuh und Velimir Kresovic die undankbare Aufgabe, ihre Partien an den Brettern drei und vier unbedingt gewinnen zu müssen. Aus einer interessanten Eröffnung, die aber wohl nicht ganz korrekt verlief, schaffte Schuh gegen Klaus-Peter Zuse den Übergang in ein Springerendspiel mit Mehrbauer. Das behandelte Schuh perfekt. Geschickt drängte er Zuses König wie Springer immer weiter ab und drohte einen zweiten Bauern zu erobern. Der amtierende badische Meister streckte deshalb die Waffen.

 

Deutscher Pokal in Kuppenheim

Brett 4: Velimir Kresovic - Gernod Beckhuis 0:1.

 

   Kresovic kämpfte derweil schon die ganze Zeit mit dem Mute der Verzweiflung! Um die Stellung mit jeweils Dame und Turm noch am Leben abseits des Unentschiedens am Leben zu halten, opferte er erst einen Bauern, dann einen zweiten! Als sich tatsächlich gewisse Gegenchancen bei zwei gegen vier Bauern einstellten, bot Beckhuis Zugwiederholungen wie auch ein Remis an. Kresovic wich immer wieder aus. Und plötzlich hatte er, als beide Kämpen weniger als fünf Minuten auf der Uhr hatten, eine realistische Chance auf den Sieg. Wegen eines Turmopfer-Tricks, der die Dame gewonnen hätte, konnte Beckhuis seine Bauern nicht mehr zusammenhalten. Anstatt einen mit Schach zu eliminieren und den nächsten anschließend wegzunehmen, setzte Kresovic sofort auf seinen a-Bauern. Der wäre aber nach dem Rückgewinn der Bauern noch immer sein Trumpf geblieben – und bei knapper Zeit wäre die Verteidigung für Beckhuis äußerst schwierig geworden. Bitter für den bewundernswerten Kresovic, dass er auch noch den a-Bauern einstellte, indem er ihn nach a2 vorzog, wo er einfach genommen werden konnte. Die Serie von Schachs brachte ihm anschließend nichts. Als der Kirchheimer endlich seine Stellung konsolidiert hatte und die Türme tauschen konnte, ließ der Kuppenheimer noch Damentausch zu. Dass dabei die Dame angegriffen war, sah er nicht mehr bei jeweils wenigen Sekunden, weshalb Beckhuis die lästigste schwarze Figur schlug und die Hand zum Zeichen der Aufgabe übers Brett gereicht bekam. Schade. Nach dem Rückgewinn der zwei Bauern hätte der Kuppenheimer den Verlauf der „Blitzpartie“ deutlich lieber gesehen.

   Trotz der Niederlage kann die Rochade mit dem Verlauf der Pokal-Zwischenrunde zufrieden sein. Gegen die beiden Bundesligisten holte das zwei Klassen tiefer spielende Quartett des Gastgebers immerhin 4,5:3,5 Punkte.

Rochade Kuppenheim – SG Heidelberg-Kirchheim 1,5:2,5
1. Brett Ludger Keitlinghaus – Till Wippermann remis, 2. Hartmut Metz – Oswald Gschnitzer 0:1, 3. Hubert Schuh – Klaus-Peter Zuse 1:0, 4. Velimir Kresovic – Gernod Beckhuis 0:1
diese Partien online nachspielen
Download alle Pokal-Partien (pgn)


zu den Schachtexten