Startseite Rochade Kuppenheim

Bubu

Matthias Burkhalters Buchrezensionen September 2002

mehr Buchrezensionen von Matthias Burkhalter


Kommentare ohne Titel

Tja, na, so, liebe Leserinnen und Leser meiner Schachbuchspalte, es ist peinlich, doch ich habe diesen Monat kein Buch zum spalten. Es ist nichts reingekommen, kein müdes Eröffnungsbuch, keine Biographie über einen westfälischen Klubmeister, keine Partiensammlung mit 1.h4 a5, bloss der Gurten-Läufer, der ja auch nicht schlecht ist, ja sogar eine ganz ausgezeichnete Klubzeitschrift, dann noch die Agenda 2002, doch die habt ihr ja alle schon.

Hmmh, also sauge ich mir mal zu später Stunde was aus den Fingern und berichte von Schachsammlern, die alle so einen Flick weg haben. Ich gehöre auch dazu. Leider. Ich habe eben Työväen Shakki 1934-1938 für 1000 Euros gekauft. Das ist die gesamte Ausgabe der finnischen Arbeiter-Schachzeitung und wiegt gerade mal 690 Gramm. Es kommt dazu, dass ich nicht Finnisch kann. Folgerung: ich habe gleich zwei Flicke weg, ich habe quasi einen Flick-Konzern.

Es gibt aber auch Flick-Weg-Treffen. Halbjährlich veranstaltet das Antiquariat A. Klittich-Pfankuch - tönt ganz sympathisch - eine Buchauktion. Der letzte Katalog der Juni-Versteigerung umfasst 294 klein gedruckte Seiten. Angeboten werden Porzellan, Keramik, Gemälde, Harzansichten & Bergbau (fehlt mir noch), Pferdebücher und: Schachbücher!! All der kulturelle Krimskrams belegt die Ausrufnummern 1-511 und dann kommt Caissas Ausverkauf mit den Nennungen 512-1685. Und dieses quantitative Missverhältnis kippt langsam zu einem platonischen Verhältnis oder einer klaren Bekennung zum Schach als eigentlichem Handelszweck um. Klittich ist längst die beste Adresse für die Schnäppchenjäger in Deutschland. Klar gibt es auch noch Schachbuchauktionen in Holland oder die Internetauktionen russischer Literatur von Alexander Baburin aus dem fernen Irland oder Raimo Lindroos aus Finnland oder...

Zurück zur Juni-Auktion: Da hatte es einige ganz besonders schöne Sachen darunter, nämlich die Schweizerischen Schachzeitungen der ersten beiden Jahre sowie zahlreicher weiterer früher Jahrgänge. Im Katalog steht dazu: "Organ des Schweizerischen Schachvereins. (Später: Hrsg. vom Schweizerischen Schachverein). Redaktion: U. Bachmann, Max Pestalozzi, Th. Schaad, später M. und W. Henneberger, E. Voellmy, H. Johner u.a..." Das sind noch Namen mit Rang und Klang, insbesondere die Problemisten scheinen gewiefte Redakteure gewesen zu sein. Das Schachproblem hatte eben früher noch einen ganz anderen Rang als heute. Partien waren selten, die Nachrichten spärlich, ein internationales Turnier ein Riesenevent. Das Schachproblem war wohl mithin der Prüfstein für des Schächers Intelligenz, seine mentale Sitzfestigkeit, seine Überlegenheit gegenüber dem blossen Zeitungs- und Postillenleser.

Doch zurück zur Versteigerung: Der erste Jahrgang unserer altehrwürdigen Schachzeitung aus dem Jahre 1900 wurde mit 75 Euros ausgerufen und hat diesen Wert sogar noch übertroffen. Wer also noch diese wunderbaren, leicht vergilbten Heftchen in wechselnden Farben im Jugendstildesign im Estrich hütet, trete mutig hervor und biete sie an, denn die Sachen sind gesucht. Die SSZ ist immerhin die einzige deutschsprachige Schachzeitung, die seit über 100 Jahren ununterbrochen erscheint. Manchmal merkt man es ihr ja ein ganz klein wenig an. Mir merkt man meine Sprüche und Kommentare auch schon an und so ist es Zeit, das Handtuch zu werfen: Ende Jahr höre ich auf und kümmere mich um andere Flicke, die auch noch weg müssen.

Übrigens: die nächste Pfankuch-Versteigerung kommt schon bald, unter www.klittich-pfankuch.de gibt es News. Viel Spass. Haben Sie übrigens auch schon daran gedacht, einmal eine klitzekleine Schachbuchsammlung anzulegen. Das kann ja bei zwei drei Bänden starten, dann vielleicht ein bescheidenes Regal, das dem Ehepartner noch diskret verschwiegen werden kann. Mit Zimmern und Wohnungsmieten beschäftigen sich dann erst die richtig angefressenen Sammler, aber dazu hat es ja noch Zeit. Also, lieber Leser, kauf doch schon mal dein zweites Schachbuch.


zu Bubu