Weiße Würgeschlange triumphiert im Dortmunder "Wohnzimmer"Weltmeister Wladimir Kramnik gewinnt zum achten Mal die SchachtageText und Fotos von FM Hartmut Metz, Juli 2007 |
Schach-Weltmeister Wladimir Kramnik sieht sich für die Titelverteidigung im September in Mexiko gerüstet. Der Russe gewann zum achten Mal die Dortmunder Schachtage. Der 32-Jährige beherrschte das weltweit zweitstärkste Turnier des Jahres und deklassierte die Konkurrenz in sieben Runden um einen vollen Zähler. Kramnik lag nach einem Remis am Sonntag gegen Jewgeni Alexejew mit fünf Punkten weit vor dem russischen Meister, der überraschend Platz zwei belegte. Nach Feinwertung geschlagen folgten knapp dahinter der Ungar Peter Leko und Viswanathan Anand (alle 4).
Wladimir Kramnik
Der Weltranglistenerste räumte neidlos ein: Kramnik verdiente sich den Sieg. Er spielte das beste Schach und befand sich in keiner Partie in Verlustgefahr. Zudem bescheinigte Anand ihm vor laufender indischer Fernsehkamera ein äußerst effektives Spiel. Mit Weiß gewann er alle Partien außer gegen mich. Die anderen Konkurrenten fielen der Würgeschlangen-Strategie Kramniks zum Opfer, der mit feinen, unscheinbaren Zügen die Luft aus den gegnerischen Stellungen drückt. Der Weltmeister klang entsprechend zufrieden. Nachdem meine Teilnahme wegen einer Angina auf der Kippe stand, hätte ich nicht gedacht, hier so gut abzuschneiden, gestand Kramnik. Seine Taktik sei mit drei Weiß-Siegen und drei Schwarz-Remis voll aufgegangen, auch wenn er in der Vorschlussrunde gegen Lokalmatador Arkadij Naiditsch etwas Glück hatte nach meinem Figurenopfer. Er hätte ein Unentschieden retten können, analysierte der Pariser den achten Erfolg in seinem Wohnzimmer. Das Weltklasseturnier hat der Russe von 1995 bis 1998, 2000, 2001 und 2006 gewonnen.
Derweil haderte Naiditsch. Vor zwei Jahren hatte der Dortmunder sensationell bei seinem Heimspiel triumphiert. Diesmal trug der deutsche Meister nur die rote Laterne. Ich stellte ständig Material in besseren Stellungen ein, lamentierte der auf Weltranglistenplatz 78 abgerutschte 21-Jährige. Eine Erklärung für seine schwankende Form hat Naiditsch aber nicht. Den Großmeistern vor ihm in der Tabelle erging es allerdings auch nicht besser. Der frisch gebackene WM-Teilnehmer Boris Gelfand (Israel) lag mit 2,5 Punkten nur einen halben Zähler vor dem Deutschen und einen halben hinter Magnus Carlsen. Das 16-jährige Wunderkind schaute nach dem letzten Zug bedrückt drein, konnte der Norweger doch keine einzige Partie gewinnen und unterlag Kramnik.
Arkadij Naiditsch (links) bei der Analyse mit Boris Gelfand.
Mit einer ausgeglichenen Bilanz von 3,5:3,5 Punkten belegte Schachrijar Mamedjarow Platz fünf. Der Weltranglistensechste aus Aserbaidschan wurde am Sonntagabend von Leko 107 Züge lang gequält. Dann hatte die Nummer sieben auf dem Globus endlich ein Einsehen und akzeptierte den Friedensschluss, der Leko den zweiten Rang kostete. Der Kampfgeist war bezeichnend für die 35. Dortmunder Schachtage. Die vier Partien pro Runde endeten zwar erneut häufig remis, waren aber mehr als im Vorjahr ausgekämpft.
Das lockte nicht nur rund 3.000 Zuschauer ins Schauspielhaus, sondern vor allem täglich etwa 50.000 verschiedene Besucher auf die Webseite. Um ein Zeichen gegen Computer-Doping zu setzen, sahen die virtuellen Zuschauer die Züge zeitversetzt. Die viertelstündige Verschiebung sollte verhindern, dass ein Mittelsmann die Fortsetzungen in einen PC einspeist, ein Schach-Programm einen starken Zug berechnet und dieser auf verschlungenen Pfaden an den Spieler übermittelt wird. Mit der Verzögerung verlöre ein Betrüger zu viel Bedenkzeit.
Obwohl Anand etwas Vorsprung in der Weltrangliste auf den zweitplatzierten Kramnik einbüßte, zeigte sich der Tiger von Madras durchaus zufrieden mit seinem mageren einen Sieg und sechs Unentschieden. Ich habe hier schon viel schlechter abgeschnitten, weiß der 37-jährige Inder, dass Dortmund das Reich seines schärfsten Rivalen bei der WM ist. Anand regiert dafür als König in Mainz, wo er beim zweiten hochkarätigen deutschen Wettbewerb im August regelmäßig triumphiert. Der Weltmeister selbst glaubt: Die Schachtage waren ähnlich gut wie die WM besetzt. Das gibt mir Selbstvertrauen, äußerte Kramnik und verbreitete Zuversicht, wenn ich in Mexiko so spiele wie hier, verteidige ich meinen Titel.
Mit einem Dauerschach machte Weltmeister Wladimir Kramnik (rechts) den Turniersieg vor Jewgeni Alexejew perfekt.
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Kramnik,V (2772) - Anand,V (2786) [D12]
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Kramnik,V (2772) - Gelfand,B (2733) [D45]
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Mamedyarov,S (2757) - Kramnik,V (2772) [E14]
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Kramnik,V (2772) - Carlsen,M (2698) [E05]
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Leko,P (2738) - Kramnik,V (2772) [C42]
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Kramnik,V (2772) - Naiditsch,A (2654) [E04]
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Alekseev,E - Kramnik,V [C42]
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