Familie Carlsen kämpft um 50 ProzentErster Blog eines Schach-Superstars: Diplomatisch und mit netten Hintergrund-Informationenvon FM Hartmut Metz, 2. Juni 2007 |
Magnus Carlsen
Dem einen oder anderen Top-Großmeister ist eine Webseite gewidmet. Richtig prickelnd sind die Informationen auf den Homepages über Asse wie Weltmeister Wladimir Kramnik, dem Weltranglistenersten Viswanathan Anand oder Ex-Champion Wesselin Topalow selten. Am ehesten sorgte die Webseite des Bulgaren für Aufsehen während der WM 2006, wenn man wissen wollte, welchen Unsinn Topalows Manager Silvio Danailow sich mal wieder ausgedacht hatte. Der Blogger-Hype infizierte bis dato keinen aus den Top Ten. Vielleicht ändert das jedoch einer, der Mitte Januar ins Netz ging und seitdem zahllose Fans anzog: Magnus Carlsen, der mit Unterstützung seines Vaters unter http://blog.magnuschess.com bloggt.
Das 16-jährige Wunderkind, wie die erste Biographie über ihn auch heißt, zieht dabei die Fans einmal mehr magisch an. An Turniertagen sind es zwischen 500 und 2.500. Der Spitzenwert liegt sogar bei 4.000 verschiedenen Besuchern, berichtete Henrik Carlsen vor den derzeit laufenden Kandidaten-Zweikämpfen in Elista. In Kalmückien kämpfen 16 Spieler darum, einen der vier weiteren Plätze für das mit acht Spielern besetzte WM-Turnier zu ergattern. In den ersten drei Runden bot Magnus Carlsen dem Armenier Lewon Aronjan Paroli und glich seine Erstrunden-Niederlage (siehe Partie) im dritten Durchgang aus.
Der Vater des Norwegers sammelt die Informationen von seinem Junior und stellt diese dann ins Netz. Das sind willkommene Ergänzungen, wenn auf Turnierseiten nur ein Einheitsbrei aus Resultaten und Partien-Allgemeinplazets geliefert wird. Etwa in Morelia und Linares, wo sich Carlsen mit Anand ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert hatte und am Schluss Rang zwei belegte. Vor Wijk aan Zee waren Carlsen&Carlsen 2006 mit der Idee eine zeitlang schwanger gegangen. Unsere Absicht bestand darin, die Medien und die Schachfans auf einem effizientem Weg mit Informationen zu versorgen, erläutert Henrik Carlsen. Mit ein Grund für die Einführung des Blogs sei dabei gewesen, dass Magnus die meisten Medienanfragen ablehnt. Hätte es dann eine Homepage mit allen Informationen über den Weltranglisten-22. nicht auch getan? Das macht eigentlich keinen großen Unterschied, meint Henrik Carlsen, außer dass Blogs zu mehr Kommentaren einladen. Nach dem Wettbewerb im Schnell- und Blindschach-Mekka Monaco hatte der Norweger bereits mehr als 400 Kommentare verzeichnet, von denen nahezu jeder uns Zustimmung und Unterstützung signalisiert. Wir erhielten unglaublich viel positives Feedback, freut sich Vater Carlsen. Ein weiterer Auslöser für den Blog, fällt ihm dann ein, könnte auch gewesen sein, dass mich Simen Agdestein Anspruch inspirierte. Der vieljährige Trainer des Wunderkinds habe stets bei jeder Gelegenheit versucht, über alle Medien die Entwicklung und das Interesse am Schach zu fördern.
Für Nicht-Schachspieler mag es sich zuweilen etwas fad lesen, wenn er auf Englisch erfährt, dass Magnus im Duell der beiden besten Junioren von Teimur Radjabow durch das Jänisch-Gambit mit 3.f5 überrascht wurde. Einige Insider begeistern sich indes für solche Feinheiten und neue Eröffnungszüge in der Sizilianischen Verteidigung. Spannender sind für den Laien Einblicke in das Leben fern der Turnierpartien. So spielt Magnus Carlsen auch zwischendurch Fußball mit seinen Konkurrenten oder Tennis. Leider versäumt es Henrik Carlsen zu erwähnen, wie sein Filius gegen den sportlichen Ungarn Peter Leko nach Sätzen abschneidet. Nett auch die Nachricht aus Gausdal, dass Magnus und die drei anderen Carlsens im einheimischen Schach-Mekka gemeinsam 50 Prozent anstrebten. Ungeachtet der zwischenzeitlichen -5 schafften wir am Schluss +1, schreibt Henrik Carlsen und überlässt dem Leser die Berechnung seines Resultats: Magnus +5, Ellen +1, Ingrid -2, ich selbst Interessant sind die Hintergründe, warum der souveräne Sieger die meiste Zeit während des Turniers Hauptvarianten vermied. Das lag vor allem daran, dass sein Computer in der Nacht vor dem Wettbewerb kaputt ging. Angesichts von 1,5 Punkten Vorsprung in der A-Gruppe scheinen auch seine um ihn herumturnenden Klassenkameraden geschadet zu haben. Magnus räumte lieber seinen sozialen Kontakten oberste Priorität ein, zudem Skifahren und Schwimmen. Aber auch unterhalb der 100 Prozent seiner Möglichkeiten, genügte dies zu 7/9 und einem Elo-Zugewinn in der A-Gruppe.
Sprengstoff vermeidet der Blog. Die einzige Nachricht gegen den Strich war im ersten Vierteljahr eine klare Aussage zur WM. Der 16-Jährige hatte sich fürs Achtelfinale qualifiziert und trifft nun Ende Mai im kalmückischen Elista auf den Armenier Lewon Aronjan. Nachdem der Schach-Weltverband FIDE eine neue Marschroute für die WM ausgab, mokierte sich Familie Carlsen über die gewaltigen Privilegien von Weltmeister Wladimir Kramnik. Das Familien-Oberhaupt deutet die Zurückhaltung an, wenn die Sprache auf Verbesserungen in nächster Zukunft beim Blog kommt: Es ist sicher eine gute Idee, mehr Informationen über bevorstehende Turniere zu verbreiten, und alle Fragen der Fans zu beantworten. Allerdings ist das auch eine Frage der Ressourcen und ebenso der Diplomatie
In Elista zeigte sich Kontrahent Aronjan generös: Die Carlsens frönten im Sportzentrum einmal mehr dem Fußball, hatten aber vergessen, Geld für die Platzmiete einzustecken Aronjan, der zum Tischtennis eingetroffen war, rettete seinen Gegner. Der Armenier half den beiden finanziell aus der Bredouille. Danach konnten sich die beiden am Abend zum wiederholten Mal entspannt über den Monty-Python-Film Ritter der Kokosnuss amüsieren.
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Carlsen,Magnus (2693) - Aronjan,Lewon (2759) [C84]
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