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Carlsen mit 16 noch zu jung als Schach-König

Jüngster WM-Kandidat aller Zeiten scheitert in zweiter Verlängerung

von FM Hartmut Metz, 9. Juni 2007

 

Magnus Carlsen

Magnus Carlsen

 

   Dem 16-jährigen Wunderknaben aus Norwegen bleibt noch der höchste Schach-Thron versagt. Magnus Carlsen hat dennoch einiges erlebt bei seinem ersten Ansturm auf den Gipfel. Der jüngste WM-Kandidat aller Zeiten ließ sich weder von einem Busunfall bei der Anreise nach Elista noch von den kalmückischen Mädchen, die ihn zum Teenieschwarm erkoren, ablenken. Bis kurz vor Schluss durfte der 16-Jährige davon träumen, im Herbst jüngster Weltmeister in der Geschichte des königlichen Spiels zu werden. „Ich rechne mir Chancen gegen Lewon Aronjan aus“, hatte Carlsen optimistisch angekündigt und Taten folgen lassen.

   Erst nach zweimaliger Verlängerung unterlag der ehemalige Skispringer aus Lommedalen dem Weltranglistenfünften aus Armenien. Der in Berlin lebende Topfavorit Aronjan konnte endlich die vierte Führung zur Entscheidung nutzen. „Carlsen vom Schach“ besserte durch das ehrenvolle 5:7 wenigstens sein Taschengeld auf, ging es doch um 40.000 Dollar Preisgeld. Den Anteil an seiner Kampfbörse hätte der Weltranglisten-22. vorher schon ganz gut gebrauchen können. Im Sportzentrum kickte Linksverteidiger Carlsen mit seinem Vater Henrik, ohne Geld mitzunehmen – glücklicherweise kam aber auch Aronjan vorbei, der sich mit Tischtennis fit halten wollte. Lieferten sich früher die Großmeister Psycho-Kriege, die Spieler traten sich unter den Tischen oder bliesen dem anderen den Rauch billiger Zigarren ins Gesicht, geht es heutzutage gesitteter zu – zumindest mit Aronjan. Der streckte die Platzmiete für die Carlsens vor.

   Weniger Geschenke gab es dann natürlich auf den 64 Feldern. Für die ist ohnehin Kirsan Iljumschinow zuständig. Der Präsident des Schach-Weltverbandes FIDE fand erneut keine Sponsoren für die acht Kandidaten-Kämpfe, weshalb diese alle in der kalmückischen Steppe verlegt wurden. Dort ist Iljumschinow auch Herrscher in der russischen Teilrepublik. Kurzerhand griff er wieder in die eigene Schatulle und lobte für jedes der acht Duelle 40.000 Dollar aus. Gut verdiente damit überraschend der Russe Jewgeni Barejew. Der ehemalige Weltranglisten-Fünfte war zuletzt bis auf Platz 69 abgestürzt, feierte gegen die auf Position 13 notierte Ungarin Judit Polgar jedoch mit einem 3,5:2,5-Sieg ein Comeback. Ihr Landsmann Peter Leko machte es deutlich besser und eliminierte Michail Gurewitsch (Belgien) schon nach vier der maximal sechs Partien mit 3,5:0,5. Im gestern beginnenden Viertelfinale gegen Barejew könnte Leko solch ein Kunststück erneut gelingen.

   Aronjan gilt auch gegen den Wahl-Spanier Alexej Schirow, der den Briten Michael Adams knapp ausschaltete, als Favorit. Offen ist das Duell zwischen dem US-Amerikaner Gata Kamsky - 3,5:0,5-Triumphator über den Franzosen Etienne Bacrot - und Boris Gelfand. Der Israeli bezwang Rustam Kasimdschanow (Usbekistan) mit 5,5:3,5. Zudem messen sich die Russen Alexander Grischuk (3,5:1,5 über Wladimir Malachow) und Sergej Rublewski, der den ukrainischen Ex-Weltmeister Ruslan Ponomarjow mit 3,5:2,5 ausbremste. Die vier Sieger qualifizieren sich für die Weltmeisterschaft im September in Mexiko. Dafür sind Weltmeister Wladimir Kramnik, Peter Swidler und Alexander Morosewitsch (alle Russland) und der Weltranglistenerste Viswanathan Anand (Indien) gesetzt.

   In der fünften Runde kam bei Judit Polgar nochmals kurzzeitig Hoffnung auf, als die Ungarin gegen Barejew auf 2:3 verkürzte.

 










Polgar,Judit (2727) - Barejew,Jewgeni (2643) [B11]
WM-Kandidatenkaempfe, Achtelfinal Elista (Russland) (5), 01.06.2007

1.e4 c6 2.Sc3 d5 3.Sf3 Lg4 4.h3 Lxf3 5.Dxf3 e6 6.Le2 Sd7 7.d3 g6 8.0-0 Lg7 9.Lf4 Db6 10.Sd1 Sgf6 11.a4 a5 12.g4?! Weil Judit Polgar gewinnen muss, geht sie forsch zur Sache. [12.c3 ist ein normaler Zug, der die Stellung im Gleichgewicht belässt.] 12...e5 13.Ld2 Sc5?! [13...0-0 14.g5 dxe4 15.dxe4 Sh5 und Schwarz hat keine Probleme.] 14.g5?! [14.exd5 Sxd5 15.Se3! Dd8! 16.Sxd5 Dxd5 17.Dxd5 cxd5 18.Tfe1 Kd7 verspricht Weiß keine Gewinnchancen.] 14...dxe4 15.dxe4 Sfd7? Barejew spielt plötzlich zu vorsichtig und räumt somit seiner Gegnerin Möglichkeiten ein. [15...Sfxe4! 16.Le3 f5 17.gxf6 Sxf6 18.Sc3 0-0 sieht wegen des gefesselten Springers auf c5 gefährlich aus - indes kann Weiß das nicht ausnutzen.] 16.Lc4 0-0 17.h4 Se6 18.Lxe6 fxe6 19.Dh3 Dd4! Schwarz kümmert sich nicht um den schwachen Bauern auf e6. 20.Sc3! Dxd2 21.Tad1 Dxc2 22.Txd7 Dxb2?! [22...Db3 ist richtig, um die Schwachpunkte e6 und b7 zu überdecken.] 23.h5! gxh5?? Ein dicker Schnitzer. Nur nach [23...Tf7! bleibt Barejew im Spiel: 24.Dxe6 (24.Txf7 Kxf7 25.Tb1 Dd2 26.Txb7+ Kf8 27.Dxe6 Dxg5+ 28.Kf1 Df6 und Schwarz hat alle Gefahren abgewehrt.) 24...Taf8 25.hxg6 hxg6 26.Sd1! Das ist die einzige Kraft, die den Angriff von Weiß beleben kann - wenn auch nur über krumme Pfade. 26...De2 (26...Db4 27.Txf7 Txf7 28.Dxg6 Tf4 bereitet Schwarz auch kein Kopfzerbrechen.) 27.Se3 Df3 (27...Dh5 28.Txb7 Dxg5+ 29.Sg4 Kh7 30.Txf7 Txf7 31.Kg2 (31.Dxf7 Dxg4+ 32.Kh2 Dh4+ mit Dauerschach.) 31...c5 32.Th1+ Kg8 33.Th3 De7 34.Dxg6 Kf8 mit besseren weißen Aussichten.) 28.Sc4 Kh7 29.Txf7 Txf7 30.Sxe5 Lxe5 31.Dxe5 und Weiß hat Mühe, ein Remis zu ergattern.] 24.Dxe6+ Kh8 25.Txg7! Das war Barejew wohl entgangen. Jetzt ist Polgar in ihrem taktischen Element. 25...Kxg7 26.Dh6+ Kg8 27.g6 hxg6 28.Dxg6+ Kh8 29.Kh1! Stellt den König auf ein sicheres Feld und schafft Platz für die Aktivierung des Turms via g1. 29...Tf4 30.Dxh5+ Kg8 31.Tg1+ Kf8 32.Dh8+ Kf7 33.Dg7+ Barejew gab auf, denn die Königsflucht endet rasch: [33.Dg7+ Ke8 (33...Ke6 34.Tg6+ Tf6 35.Txf6# ) 34.Dxe5+ Kf8 35.Dxf4+ Ke8 36.Tg8+ Kd7 37.Tg7+ Ke6 38.Df5+ Kd6 39.Td7# ] 1-0


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