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Gelfand bleibt Anand auf den Fersen

Die zwei ältesten Teilnehmer dominieren in Mexiko vor Weltmeister Kramnik

von FM Hartmut Metz, 22. September 2007

 

Viswanathan Anand könnte heute schon neuer Weltmeister sein. Der Inder in Diensten des OSC Baden-Baden deklassiert bei der Schach-WM in Mexiko City die Konkurrenz. Nach zwölf der 14 Runden wies Anand gestern mit acht Zählern einen Punkt Vorsprung vor dem Israeli Boris Gelfand auf. Bei optimalem Verlauf schlug er vergangene Nacht gegen Schlusslicht Alexander Grischuk (Russland) erneut zu, während sich die beiden Verfolger Gelfand und Wladimir Kramnik (6,5) gegenseitig beharkten.

Der Rest des Feldes ist weit abgeschlagen: allen voran die enttäuschenden Mitfavoriten Peter Leko (Ungarn) und Lewon Aronjan. Der Armenier weist wie Leko und Alexander Morosewitsch (Russland) mit 5,5:6,5 Punkten sogar eine negative Bilanz auf. Am Ende des achtköpfigen Feldes liegen Grischuk und sein Landsmann Peter Swidler (beide 5). Gegen seinen OSC-Vereinskameraden ließ es Anand in der zwölften Runde geruhsam angehen. Nach 22 Zügen war das Remis gegen Swidler perfekt.

Letzte Zweifel am Titelgewinn hatte der "schnelle Brüter" aus Indien im direkten Duell mit Kramnik vertrieben. Der verzweifelte Angriff des Weltmeisters scheiterte in der zehnten Runde. Nach Anands 28. Zug gerieten nicht nur die Fans vor Ort und im Internet aus dem Häuschen. "Ich glaubte sehr gut zu stehen", berichtete Anand hernach, dass er seine Möglichkeiten wegen einer drohenden genialen Mattkombination überschätzte. Kramnik reagierte jedoch präzise und rettete zumindest ein Remis. Hier das spannende Duell.











Kramnik (2769) - Anand (2792)
Weltmeisterschaft Mexico City, 24.09.2007

1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 e6 5.Lg5 h6 6.Lh4 dxc4 7.e4 g5 8.Lg3 b5 9.Le2 [ In dieser Stellung war zuvor bei der WM in den Partien Aronjan-Anand und Grischuk-Swidler 9.Se5 h5 10.h4 g4 11.Le2 Lb7 12.0-0 Sbd7 13.Dc2 Sxe5 14.Lxe5 Lg7 geschehen.] 9...Lb7 10.0-0 Sbd7 11.Se5 Lg7 [ 11...h5 versuchte Boris Gelfand bei dieser WM gegen Kramnik. 12.Sxd7 Dxd7 13.Dc1N ] 12.Sxd7 Sxd7 13.Ld6 a6 14.Lh5 [ 14.a4 e5 15.Lg4 exd4 16.e5 c5 war Gegenstand des Duells um die Schnellschach-WM 2006 in Mainz zwischen Teimour Radjabow und Anand.] 14...Lf8 15.Lxf8 Txf8 16.e5 Db6 17.b3!?N Das ist ein neuer Zug. Zuvor wurde stets [ 17.Se4 versucht.] 17...0-0-0 Anand zeigt sich gewappnet und hat die Variante offensichtlich zu Hause tief ausanalysiert. [ 17...c5 18.d5!? ] 18.bxc4 Sxe5 19.c5 Da5 20.Se4 Db4 21.Sd6+ Txd6 Der lästige Springer muss umgehend beseitigt werden. 22.cxd6 Sd7 Bis dahin spulte der Inder die ganze Variante herunter. Während Kramnik dafür immerhin schon knapp eine halbe Stunde benötigte, zeigte die Uhr von Anand lediglich sieben Minuten Zeitverbrauch an! 23.a4 Weiß muss die schwarze Königsstellung lockern. Ansonsten konsolidiert sich der Gegner zusehends und lässt dann die Bauern rollen beziehungsweise widmet sich dem schwachen Bauern auf d4. 23...Dxd6 24.Lf3 Sb6 25.axb5 cxb5 26.Lxb7+ Kxb7 Der schwarze König steht nun etwas offen. Dennoch hat Schwarz keinerlei Sorgen, auch wenn Computer-Programme Weiß leicht im Vorteil sehen: Der Bauernschutz in Verbindung mit dem gut postierten Springer sind genügend Kompensation für die geopferte Qualität. Ohne Damen auf dem Brett könnte Anand sogar auf Gewinn spielen und die zwei Damenflügel-Bauern durchdrücken. 27.Dh5 [ 27.Df3+!? ist die Alternative. 27...Sd5 mit ausgeglichener Stellung.] 27...Sd5 Anand verzichtet auf das Schlagen des Bauern und die damit verbundene Öffnung der d-Linie. Gewiss hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits das folgende Springermanöver im Auge, das eine heimtückische Falle aufstellt. 28.Dxh6 Sf4! 29.Kh1! Das Gros der Spieler hätte sicher - vor allem im Blitz mit ein paar Minuten Bedenkzeit für die ganze Partie - gierig auf g5 zugegriffen. Der Weltmeister durchschaut aber natürlich die Finte. [ 29.Dxg5?? kontert der Nachziehende brillant mit 29...Se2+ 30.Kh1 Dxh2+!! 31.Kxh2 Th8+ 32.Dh4 Txh4# ; 29.g3?! Se2+ 30.Kg2 Dd5+ 31.f3 Td8 32.Dg7 Td7 stellt Schwarz vor keine Probleme.] 29...Dd5 30.f3 Td8~~ 31.Dg7 Td7 32.Df8!? Ein unerwarteter Zug. Natürlich scheint, den d-Bauern mit dem Turm auf f1 zu decken. Kramnik setzt indes auf Angriff in der c-Linie. 32...Se2!? [ In der Pressekonferenz plädierte Anand für >=32...Dd6! , um nach 33.Dg7 mit 33...Dd5= ein Remis zu offerieren.; 32...Dxd4?! ist dagegen wegen 33.Tfc1 gefährlich.] 33.Tfe1 [ 33.Da3 Td6!? bereitet Schwarz hingegen kein Kopfzerbrechen.; 33.Txa6? ist mutig - aber todesmutig und verliert: 33...Kxa6 34.Ta1+ Kb6 35.Db8+ Tb7 36.Da8 Sxd4 und der weiße Angriff versandet.] 33...Sxd4 34.Ted1 [ >=34.Tad1!? schlug Anand als Alternative vor.; 34.Tac1 wird mit 34...Sc6! entschärft, wonach der a- und b-Bauern in Marsch gesetzt werden können.] 34...e5?! Der Zug sieht natürlich aus, vernachlässigt indes den g-Bauern. [ 34...Dd6 ist daher angezeigt. 35.Dg7 Df4 mit Ausgleich.] 35.Tac1?! Eine Ungenauigkeit. Die beiden Großmeister waren sich nach der Analyse einig, dass [ >=35.Dh6! Dd6 36.Dxg5 f6 Kramnik die besseren Aussichten versprochen hätte.] 35...Dd6 36.Dg8 [ 36.Dc8+ Kb6 bringt mangels weiterer Schachs nichts ein.] 36...f6 Damit ist die Bauernkette wieder konsolidiert, und Weiß fehlen die Angriffspunkte. 37.Tc8! Nur so kann man dem schwarzen König noch ein bisschen zusetzen. 37...a5 38.h3 [ Das vermeintlich starke 38.Tdc1? bringt den Gegner in Vorteil: 38...Sc6!-/+ und 39.T8xc6 verbietet sich wegen 39...Dd1+ 40.Txd1 Txd1# Deshalb verschafft Kramnik seinem König erst ein Luftloch.] 38...a4 Die Bauern wirken langsam bedrohlich 39.De8 [ 39.Tdc1 Sb3! missfiel Kramnik verständlicherweise.] 39...Kb6 40.Tb8+ Ka5 [ 40...Tb7!?= ist laut Anand ein Versuch, die Position zu gewinnen - da dem Inder jedoch wegen des Tabellenstandes ein Remis vollkommen reichte, entschied er sich für die Zugwiederholung, in die sich Kramnik mangels guter Alternativen zähneknirschend fügte. ] 41.Ta8+ Mit Remisangebot. [ 41.Ta8+ Kb4!? ( 41...Kb6= 42.Tb8+ Ka5 wiederholt die Stellung.) 42.Dg8 Dd5 43.Df8+ Dd6 44.Dg8= bewertete Anand auch als ausgeglichen. Danach kann Schwarz die Bauern nur unter gewissem Risiko weiter nach vorne drücken. Vermutlich wäre die Partie dann mit einem Dauerschach gegen den offenen König geendet. So fackelte Anand nicht lange und verteidigte mit dem Unentschieden seinen komfortablen Vorsprung vor dem endgültig abgeschlagenen Kramnik. ] 1/2-1/2




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