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Russland knüpft an alte Vormacht an

Überragender Peter Swidler führt Nationalteam zum EM-Titel

Text und Fotos von FM Hartmut Metz, 17. November 2007

 

Russland ist nach zahlreichen schwachen Auftritten bei internationalen Meisterschaften endlich wieder einmal seiner Rolle als Schach-Führungsmacht gerecht geworden. Der Nachfolgestaat des früheren Abonnementsiegers Sowjetunion heimste bei den Europameisterschaften auf Kreta souverän beide Titel ein. Die Herren standen sogar bereits vor der neunten Runde als neuer Champion fest. Die Russen gestatteten nur Spanien im vorletzten Duell ein 2:2. Mit 17:1 Punkten lagen die Mannen um den St. Petersburger Peter Swidler drei Zähler vor den Medaillengewinnern Armenien (14:4) und vier vor Aserbaidschan (13:5).

Die Russinnen (15:3) konnten Polen und das drittplatzierte Armenien (beide 13:5) nicht ganz so klar distanzieren. Die fünf K (Kosteniuk, die beiden Kosintsewa-Schwestern, Kowalewskaja und Korbut) blieben jedoch ebenso ungeschlagen. Die deutschen Damen belegten mit 10:8 Punkten Rang elf unter 30 Teilnehmern. Die Spitzenspielerinnen Elisabeth Pähtz (4:5) und die Muggensturmerin Ketino Kachiani-Gersinska (4,5:4,5) konnten mit ihren Ergebnissen nicht an frühere Leistungen im Nationalteam anknüpfen. Noch enttäuschender schnitten die deutschen Herren ab. Mit 8:10 Punkten landeten sie in der 39 Mannschaften umfassenden Konkurrenz nur auf Platz 23.

Die Russen profitierten von ihren überragenden Spitzenbrettern. Schnitt bereits Alexander Morosewitsch mit 6:2 Zählern außerordentlich gut ab, räumte Swidler an vorderster Front nahezu alles ab. Lediglich zwei Remis gab der Baden-Badener Bundesligaspieler in sieben Partien ab. Seine sensationelle Leistungszahl auf Kreta von 2 989 Elo liegt damit rund 20 Prozent über der Erwartung, die Weltmeister Viswanathan Anand (2 801 Elo) gehabt hätte! Auch in der Schlussrunde zeigte sich Swidler unerbittlich. Der 31-Jährige überrannte dank spektakulärer Opfer den Bulgaren Iwan Tscheparinow, Sekundant von Ex-Weltmeister Wesselin Topalow.











Swidler (2732) - Tscheparinow (2670)
Mannschafts-EM Kreta (Griechenland), 06.11.2007

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Le3 e6 7.g4 h6 8.Lg2!? Mit dem Zug zeigt sich Weiß bereit zu einem Opfer. 8...e5 9.Sf5!? g6?! Schwarz nimmt den Fehdehandschuh und verleibt sich das Material ein. Allerdings spricht die Statistik gegen die gierige schwarze Strategie: Laut der Datenbank des russischen Internationalen Meisters Wladimir Barski gewann Weiß mit dieser Variante 15 von 20 Partien und verlor nur zwei, was eine stolze Bilanz von 82,5 Prozent ergibt! "Normal" ist ein Ergebnis von knapp unter 55 Prozent für Weiß! 10.h3 In einem Vorläufer spielte Weltmeister Viswanathan Anand in Monaco 2005 gegen seinen Baden-Badener Bundesliga-Kollegen Francisco Vallejo Pons [ 10.De2 gxf5 11.exf5 Ld7 12.Lxb7 Lc6 13.Lxa8 Lxa8 14.Tg1 Sbd7 15.0-0-0 Le7 16.h4+/- und erhielt eine bessere Stellung.] 10...gxf5 Nimmt logischerweise den Springer. Versucht wurde auch schon d5, um die eigenen Figuren etwas zu befreien. 11.exf5 Sc6 [ In Betracht kommt die Preisgabe eines Bauern durch 11...d5!? 12.Sxd5 Sxd5 13.Lxd5 Sc6 14.Df3 Dc7 15.0-0-0 Ld7 mit unklaren Folgen. Für die Figur erhält der Anziehende zwei Bauern und Entwicklungsvorsprung mit freierem Spiel.] 12.De2 Da5 13.0-0-0 Ld7 14.f4 Tc8 [ 14...0-0-0!? 15.Dc4 exf4 16.Ld2 ( 16.Lxf4? erlaubt 16...Db4 ) 16...Le7 17.Dxf7 Tdf8 18.Db3 und Weiß steht sicher nicht schlechter, weil die Bauern auf f4 und d6 fallen dürften.] 15.Kb1! Deckt in aller Ruhe den Bauern auf a2, weil Schwarz ohnehin nicht viel machen kann. 15...Sb4 [ 15...Le7 16.g5 hxg5 17.fxg5 Sg8 18.f6 Lf8 19.Df2 Le6 20.Lb6 Db4 21.Sd5 Dc4 22.b3 Dh4 23.Sc7+ Txc7 24.Dxh4 Txh4 25.Lxc7 Kd7 26.Lb6+/- wirkt angesichts der eingekerkerten Kräfte auf g8 und f8 alles andere als verlockend.] 16.a3 Txc3?! Sieht schön aus - wird aber von Weiß "schnöde" ignoriert. 17.axb4! [ 17.bxc3? Sbd5 18.Ld2 Sxc3+ 19.Lxc3 Dxc3 20.fxe5 dxe5 21.The1 b5 ( 21...Lxa3 22.Dxe5+ Dxe5 23.Txe5+ ) 22.Td3 Dc7 23.Dxe5+ Dxe5 24.Txe5+ Kd8 25.Ld5 Th7 26.Lb7 Kc7 27.Lxa6 Lc6 28.Lxb5 Sd7 29.Ted5 Lxd5 30.Txd5 Ld6 verspricht Swidler ein bestenfalls remisträchtiges Endspiel.] 17...Dxb4 18.fxe5 [ 18.Ld2?! entschärft Tscheparinow mit 18...Dc4! 19.De1 Txc2 20.fxe5 Db3 21.exd6+ ( 21.exf6+? Kd8 22.La5+ Kc8 23.Lc3 Txg2 mit Gewinn.) 21...Kd8 22.De5 Lg7 23.Lxb7! Dxb7 24.La5+ Kc8 25.Kxc2 h5 ( 25...De4+? 26.Dxe4 Sxe4 27.The1 Te8 28.Tc1 und Schwarz dürfte auf verlorenem Posten stehen, denn 28...Sxd6? scheitert an 29.Kd2+ Kb8 ( 29...Kb7 30.Tc7+ Kb8 31.Txd7 Sc4+ 32.Kc2 Tc8 33.Lc3 ) 30.Lc7+ Kb7 31.Lxd6+- ) 26.The1 hxg4 27.hxg4 Dc6+ 28.Lc3 Th4 mit unklarer Stellung.] 18...La4 [ 18...dxe5 verliert sofort nach 19.Ld2 , denn nun scheitert 19...Dc4 an 20.Dxe5+ ] 19.exf6! Viel stärker als die auch gute Routineverteidigung [ 19.Tc1 ] 19...Lxc2+ 20.Dxc2! Txc2 21.Kxc2 Materiell ist Schwarz noch immer obenauf mit der Dame, die etwa 9 Bauerneinheiten wert ist, für Turm (5) und Läufer (3). Doch alle weißen Figuren beteiligen sich am Spiel, während beim Nachziehenden die Dame allein auf weiter Flur kämpft. 21...d5 Versucht den Läufer endlich zu aktivieren. Vergeblich ist hingegen [ 21...h5 22.g5 Da4+ 23.Kb1 Kd7 24.Ld5 mit schwarzer Agonie.] 22.Txd5 Da4+ 23.Kb1 Lb4 24.Lc5! Unterbindet die Flucht per Rochade. 24...Db3 [ 24...Lxc5 kostet den König: 25.Te1+ Kf8 26.Td8+ De8 27.Texe8# ] 25.Te5+ Kd8 26.Lxb4 Dxb4 27.Tc1! und um sich vor der unersprießlichen Wahl zwischen Damenverlust oder einem Matt zu drücken, gab Tscheparinow auf. [ 27.Tc1 Kd7 28.Td5+ Ke8 ( 28...Dd6 ) 29.Tc8# ] 1-0



Morosewitsch Morosewitsch
Die Leistungsträger des russischen Teams: Peter Swidler (links) und Alexander Morosewitsch.


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