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Triumph fern des "sehr trockenen" Stils
Wladimir Kramnik deklassiert die Konkurrenz beim Tal-Memorial
Text und Foto von FM Hartmut Metz, 1. Dezember 2007
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Es war fast wie in der guten, alten Sowjet-Zeit - natürlich nur aus schachlicher Sicht gesehen: Moskau als Nabel der Schachwelt. Zum Tal-Memorial strömten Tausende von Zuschauern, anschließend zog die Blitz-Weltmeisterschaft die Fans in ihren Bann. Der Ukrainer Wassili Iwantschuk schlug dort aus verlorener Stellung heraus in der 38. Runde den bis dahin punktgleichen Inder Viswanathan Anand. So setzte sich der Weltranglistenzweite aus Lemberg mit 25,5 Punkten vor dem Weltmeister vom OSC Baden-Baden durch. Rang drei sicherte sich Blitz-Titelverteidiger Alexander Grischuk (Russland) vor Gata Kamsky (USA/beide 23,5).
Nur Fünfter wurde Wladimir Kramnik zusammen mit Peter Leko (Ungarn) und Sergej Rublewski (Russland/alle 21,5). Der Ex-Weltmeister nahm's jedoch gelassen, hatte er doch zuvor beim erstmals ausgetragenen Gedenkturnier an Michail Tal einen Triumph gefeiert. Bereits vor der neunten Runde stand der 32-Jährige als Sieger fest. Mit 6,5 Punkten deklassierte er die von Alexej Schirow (5) angeführte Meute. Boris Gelfand, Magnus Carlsen, Dimitri Jakowenko und Leko kamen nur auf 4,5 Zähler. Iwantschuk musste sich ebenso wie Kamsky und Schachrijar Mamedjarow mit vier Zählern zufriedengeben. Letzter wurde der russische Meister Jewgeni Aleksejew (3,5).
Wladimir Kramnik im Interview
In der nächsten Weltrangliste zieht Kramnik damit an Iwantschuk vorbei und dürfte auch Anand an der Spitze knapp überflügeln. "Es ist schön, wieder die Nummer eins zu werden", sagte Kramnik im Interview mit dem "Sport-Express". Wichtiger sei jedoch ein Sieg bei der im Herbst anstehenden WM gegen den Inder. Ungewohnt selbstkritisch räumte der Russe ein, dass sein Eröffnungsrepertoire mit Schwarz noch immer "sehr trocken ist", was Turniererfolge erschwere, wenn Kramnik nicht wie in Moskau fast alle Weiß-Partien gewinnt. Erfreut zeigte sich der Ex-Weltmeister jedoch, dass er in den Duellen gegen Aleksejew und Mamedjarow auch taktische Fertigkeiten bewies - oft wird dem Pariser nämlich zu technisch sauberes und unspektakuläres Schach zum Vorwurf gemacht.
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Kramnik (2785) - Mamedjarow (2752)
Tal Memorial Moskau, 18.11.2007
1.d4
g6
2.c4
Lg7
3.Sc3
d6
4.e4
e5
5.Sge2
exd4
6.Sxd4
Sc6
7.Le3
Sge7
Mamedjarow wählt häufiger Nebenvarianten wie diese, was ihm mit Schwarz manchen Erfolg einbringt.
8.h4!?
Von Kramnik hätte man eher den ruhigeren Zug [ 8.Le2
erwartet. Stattdessen attackiert der Russe sogleich den gegnerischen Königsflügel.]
8...f5!?
9.h5
fxe4
10.hxg6
hxg6
11.Txh8+
Lxh8
12.Sxe4
d5N
Diese Neuerung soll die schwarzen Probleme lösen - doch die weiße Stellung wirkt harmonischer. [ 12...Lf5
wurde in mehreren Vorläuferpartien zwischen Topleuten versucht, ohne dass der Nachziehende dadurch vollwertiges Spiel erhielt.]
13.Sxc6
bxc6
14.Ld4!
Lg4
Nur so. [ 14...Lxd4?
verliert: 15.Dxd4
dxe4
16.Dh8+
Kd7
17.0-0-0+
Sd5
18.Dh7+
De7
19.Dxg6
Dc5
20.Kb1
Lb7
21.cxd5
cxd5
22.Dxe4
Te8
23.Df5+
mit weißer Gewinnstellung.]
15.Dxg4
[ Stärker als 15.Sf6+
Lxf6
16.Dxg4
Lxd4
17.Dxd4
Sf5
18.Dd2
De7+
19.Le2
0-0-0
20.0-0-0
Dc5
]
15...Lxd4
16.cxd5
Lxb2?
[ 16...cxd5
17.Sd6+
Dxd6
18.Dxd4
De6+
19.Le2
Kf7
20.Dd2
Dc6
21.Tc1
Dd6
22.Dc3
c6
und Schwarz steht zwar etwas offen mit dem König, dürfte aber noch innerhalb der Remisbreite bleiben.]
17.Td1?!
[ 17.Tb1!
überzeugt mehr. 17...Ld4
( 17...Lg7
18.dxc6
Dd5
19.Lc4!
Df5
( 19...Dxc6
20.Lb5
) 20.Dxf5
gxf5
21.Sg5
Le5
( 21...Sxc6??
22.Lb5
Kd7
23.Td1+
Ke7
24.Lxc6
) 22.Ke2
und Weiß verfügt über siegverheißenden Vorteil, denn 22...Sxc6??
verbietet sich erneut: 23.Lb5
Kd7
24.Tc1
) 18.dxc6
Dd5
19.Dd7+!
Dxd7
20.cxd7+
Kxd7
21.Td1
c5
22.Sxc5+
Kc6
23.Txd4
Kxc5
24.Tc4+
Kd6
25.Ld3
, wonach der Mehrbauer gute Chancen auf den vollen Punkt bietet.]
17...cxd5
18.Lb5+
Kf8
Der einzige Zug. [ 18...c6?
erweist sich als dicker Schnitzer: 19.Lxc6+!
Sxc6
20.Dxg6+
Kf8
21.Dxc6
]
19.De6
Kg7
20.Lc6
Sxc6
21.Dxc6
d4
22.Kf1
Tb8
23.Sg5
Dd6
24.Dc4
Dd7
Mamedjarow wandert die letzten Züge exakt entlang des schmalen Grats. Kramnik hat zwar einen Bauern weniger, doch die Stellung ist viel bequemer für ihn. Sein Rivale darf sich keine Ungenauigkeit erlauben, ohne Gefahr zu laufen, dass sein König ins gegnerische Kreuzfeuer gerät.
25.Kg1
c6?!
Da ist schon die erste Ungenauigkeit. [ 25...Tb6
überdeckt die 6. Reihe und damit das eventuell lästige Springerschach auf e6.]
26.Se6+
Kf6
[ 26...Kh7
sieht wegen 27.Td3
wie ein Fehler aus, allerdings rettet 27...Dd5!
28.Da6
Db5
29.Dxa7+
Tb7
30.Da8
Tb8
31.Th3+
Kg8
32.Da7
Tb7
33.Da8+
Tb8
das Remis.]
27.Sc5
De7
28.Tb1
Tb6
29.Sd3
De4
[ 29...Lc3
30.Txb6
axb6
31.Dxc6+
De6
32.Df3+
spielt sich einmal mehr gefahrloser für Kramnik. Dame und Springer harmonieren im Endspiel besser miteinander als Dame und Läufer.]
30.Te1
Dd5
31.Da4
Lc3
32.Dxa7
Lxe1
33.Dxb6
Lc3
34.a4
De4
35.Dd8+
Kf7?!
[ 35...Kg7
36.Dd7+
Kh6
37.Dh3+
Kg7
wickelt ins Remis ab.]
36.Dc7+
Kf6?!
[ 36...Kg8
]
37.Dd6+
De6
[ 37...Kg7
38.Sc5
De8
( 38...De1+
mündet erstaunlicherweise in ein verlorenes Endspiel. 39.Kh2
Dxf2
40.Se6+
Kh6
41.De5
Dh4+
42.Kg1
De1+
Nur so kann man das Matt parieren. 43.Dxe1
Lxe1
44.Sxd4
c5
45.Kf1
Lc3
46.Sc6
c4
47.a5
Lxa5
( 47...Ld2
48.Ke2
) 48.Sxa5+-
) 39.Se6+
Kf7
40.Sxd4
De1+
41.Kh2
Dxf2
42.Sf3
Da7
43.Dxc6
Lf6
mit ein bisschen Hoffnung auf einen halben Punkt.]
38.Df8+
Df7
39.Dh8+
Ke7
40.a5!+-
Plötzlich erwacht der a-Bauer zum Leben und droht zur Dame zu marschieren.
40...Da2
[ 40...Lxa5
41.De5+
De6
42.Dxa5
]
41.Dg7+
Kd8
42.Se5
[ 42.Se5
Dd5
Deckt das Matt auf d7, doch dafür bewegt sich der a-Bauer weiter. 43.a6
d3
44.a7
c5
45.a8D+
Dxa8
46.Dd7#
] 1-0
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