Autobiographien scheinen derzeit im Schach eine neue Blütezeit zu erleben. Von Boris Gelfand bis Anatoli Karpow reichen die Angebote jüngeren Datums etwa bei Edition Olms. Der Schweizer Verlag mit Hildesheimer Wurzeln hält auch die deutschsprachigen Rechte an Garri Kasparows Monumentalwerk über die Schach-Weltmeister. In dieser Reihe findet ebenso Bent Larsen Erwähnung. Der Däne konnte sich zwar nie die WM-Krone aufsetzen, galt aber in seiner besten Zeit Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre als stärkster Spieler des Westens neben Bobby Fischer. Das erkannte auch der Amerikaner an und überließ Larsen 1970 beim Wettkampf zwischen der Sowjetunion und dem "Rest der Welt" (20,5:19,5) das erste Brett. Immerhin gelang dem heute 74-Jährigen in Belgrad ein ehrenvolles 1,5:1,5 gegen Weltmeister Boris Spasski und schlug dessen Ersatzmann Leonid Stein in der vierten Partie.
Der Schachdepot Verlag legte nun Larsens Klassiker "Alle Figuren greifen an" neu auf. Das Vermächtnis gefällt weniger wegen der Partien. Sein Stil wirkt schwerblütig, Husarenritte sind auf Grund seiner Vorliebe für erste Züge wie b3 kaum zu sehen. "In den meisten Eröffnungen gibt es einfach zu viel Theorie ...", begründet der ehemalige Weltranglistendritte seine dröge Wahl. Die Partien sind dafür wortreich und gut für den Laien kommentiert.
Die Höhepunkte stellen allerdings die journalistischen Ausflüge Larsens dar. Originelle Bemerkungen wie etwa "Pele des Schachspiels" für den Brasilianer Henrique Mecking zeugen von der unterhaltsamen Art, die Larsen auszeichnet. Kapitel 16 des Buchs widmet sich einem "Genie namens Bobby Fischer" äußerst ausführlich. Der Amerikaner hatte Larsen mit einem sensationellen 6:0 auf dem Weg zur Weltmeisterschaft gestoppt und danach 1972 Spasski den WM-Titel entrissen. Einziger Fehler des Werks: Das Layout verwirrt immer wieder. Die zwei Spalten verlaufen nicht normal. Am Ende einer Partie sind sie bündig gesetzt. Wechselt man den Blick von der folgenden zweiten Partie in die nächste Spalte nach oben, wundert sich der Leser zunächst über Zug 28, obwohl eigentlich der 6. Zug folgen müsste - fehlt etwas? Nein, nur Layout-Pfusch, denn die Spalte geht auf gleicher Höhe mit dem neuen Partiebeginn (und nur leicht abgesetzt vom vorherigen Duell) weiter.
Ein weiterer Autor, Viorel Bologan, zählt nicht wie einst Larsen zur absoluten Weltspitze. Der Moldawier hat aber durchaus einige Erfolge gefeiert, beispielsweise den Sieg beim Aeroflot-Open in Moskau 2003 nebst Qualifikation für das Weltklasse-Turnier in Dortmund - das Bologan auch noch überraschend gewann! Bereits im Vorwort preist Garri Kasparow - größter Spieler aller Zeiten neben Bobby Fischer und José Raúl Capablanca - Bologans "Ausgewählte Partien". Der Autor gibt nicht nur Einblicke in seine Karriere und sein privates Leben. Die ausführlich kommentierten Partien schließt er stets mit "Schlussfolgerungen" ab, die dem Lernenden sehr nützlich sein können. Das interessante Buch ist nicht nur deshalb zu empfehlen!
Der 38-Jährige hat überdies eine neue DVD bei Chessbase herausgebracht. Darin widmet sich Viktor (wie er sich nun des gebräuchlicheren russischen Vornamens wegen nennt) Bologan mit gewohnter Akribie der klassischen Variante des Caro-Kann nach 1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Sxe4 Lf5 gewidmet. Die DVD, die vier Stunden und 40 Minuten Laufzeit hat, kostet 27,50 Euro.
Die folgende Partie von Larsen ist dem Kapitel "Die besten Jahre 1969-1973" entnommen. In diesem kommentiert der Däne seinen Sieg über Brian Eley in der zweiten Runde in Hastings 1972/73.
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Larsen,B (2625) - Eley,B (2345) [A01]
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