Garri Kasparow und Anatoli Karpow hat vor 25 Jahren nur eines vereint: Ihre Abneigung zueinander. Nicht nur auf dem Schachbrett trennten die beiden Protagonisten der legendären fünf WM-Zweikämpfe, die 1984 begannen, Welten. Auf der einen Seite der auf den 64 Feldern wie im Leben aggressive wie brachiale Angreifer Kasparow, auf der anderen der filigran operierende und geschmeidige Karpow. Wie eine Schlange schlich sich die Koryphäe an und erwürgte mit kleinen, subtilen Manövern die Gegner. Nach Ansicht seiner Kritiker agierte der Liebling der Kommunistischen Partei in der UdSSR kaum anders: immer aalglatt und angepasst an die Partei. Kasparow gerierte sich dagegen gerne als "Kind des Wandels", das furchtlos gegen das politische Establishment kämpft - dabei entlarvte sich das ohne Vater aufgewachsene Muttersöhnchen stets als Diktator, wenn es etwas bestimmen konnte.
Am 10. September 1984 prallten Weltmeister Karpow und sein junger Herausforderer erstmals in einem WM-Finale aufeinander. Die Karriere des 21-Jährigen schien so schnell beendet zu werden, wie sie angefangen hatte. Karpow zertrümmerte Kasparow regelrecht und lag rasch mit 4:0 in Führung. Auch den fünften der erforderlichen sechs Siege feierte der damals 33-Jährige. Doch anschließend zermürbte Kasparow den Titelverteidiger mit einer Serie von Remis und gelegentlich einem vollen Punkt - Karpow nahm elf Kilogramm ab und musste angeblich in einer Klinik behandelt werden. Nach rund 300 Spielstunden und 48 Partien brach Weltverbandspräsident Florencio Campomanes das Match am 15. Februar zugunsten einer Neuansetzung ab - und beide Seiten reklamierten nach der umstrittenen Entscheidung die WM-Krone für sich. Der eine, weil er immer noch 5:3 führte, der andere, weil er sich im Vorwärtsgang gegen einen geschwächten Karpow wähnte.
Neun Monate später löste Kasparow seinen schärfsten Rivalen in einem auf 24 Partien begrenzten Wettkampf durch ein 13:11 ab. Er ließ sich auch in den drei WM-Duellen bis 1990 nicht mehr bezwingen. Die sich seitdem in eherner Feindschaft zugeneigten Gegenpole kamen sich erst im Vorjahr näher: Der menschlich weit sympathischere Karpow überbrachte dem egozentrischen Widersacher im Gefängnis kleine Schach-Präsente. Der mit 41 zurückgetretene Kasparow hatte sich ab 2005 der Politik gewidmet und mutig, aber vergeblich gegen Wladimir Putin gestellt. Nach einer Demonstration wurde der berühmte Oppositionelle eingekerkert.
Seit dem Besuch schätzen sich die beiden früheren Kampfhähne auch privat. Bei einer Veranstaltung in Zürich wirkten sie wie die besten Freunde. Kasparow bestätigt: "Die Zeit heilt alle Wunden." Angesichts eines erklecklichen Honorars einigte man sich so rasch auf einen Wettkampf in Valencia, der an die erste WM vor 25 Jahren erinnert. Weitere drei Stationen sollen laut Karpow mindestens folgen. Paris steht demnach als nächster Ort der Schaukämpfe fest.
Vom schachlichen Gehalt reichen die bisher gespielten vier Schnellschach-Partien nicht an das hohe Niveau der einst nahezu fehlerlos agierenden Großmeister heran. Standen damals unendlich viele Remis auf der Tagesordnung, endete bisher kein Vergleich friedlich. Das liegt vor allem an Karpow, der im September nach rund vier Jahrzehnten aus den Top 100 der Weltrangliste herausflog. Zum Auftakt im Palau de les Arts überschritt der 58-Jährige in ausgeglichener Stellung nach nur 24 Zügen die Zeit. Danach bewies ihm Kasparow, dass er trotz seines Rücktritts anno 2005 taktisch noch immer auf der Höhe ist. Immerhin konnte Karpow dann auf 1:2 verkürzen, ehe die dritte Niederlage am Mittwochabend folgte. "Ich wollte das Match unbedingt ausgleichen. Deshalb habe ich in der vierten Partie auch nach einem Gewinnweg gesucht und zu viel Zeit verloren", kommentiert Karpow seine 1:3-Niederlage. Im folgenden Blitz-Duell am Donnerstag zog der Ex-Weltmeister nach dem Sieg in Partie eins und einem Remis fünfmal gegen Kasparow den Kürzeren, ehe ein weiteres Unentschieden für minimale Ergebniskosmetik beim 2:6 sorgte.
Über das Niveau der Altmeister mag Kasparow nicht diskutieren. "Das ist doch müßig. Die brasilianische Weltmeister-Elf von 1970 vergleicht doch auch keiner mit jener von heute", verweist der 46-Jährige auf Fußball. Hier sein zweiter Sieg in Valencia.
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Kasparow,G (2812) - Karpow,A (2619) [D31]
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