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Carlsen verspürt ein neues "Gefühl"

18-Jähriger deklassiert in China selbst den Weltranglistenersten Topalow / Trainer Kasparow hat noch 16000 Eröffnungsideen im Köcher

Von FM Hartmut Metz, 18. Oktober 2009

 

Magnus Carlsen entschwebt in neue Höhen: Der Norweger deklassierte beim Pearl-Spring-Turnier in Nanjing (China) die Konkurrenz. Selbst der Weltranglistenerste Wesselin Topalow wirkte gegenüber dem 18-Jährigen wie ein Lehrbube! Nach den zehn Runden lag Carlsen mit sensationellen 8:2 Punkten 2,5 Zähler vor dem Bulgaren. Rang drei ging an den Chinesen Wang Yue (4,5:5,5) vor dem Trio Teimour Radjabow (Aserbaidschan), Peter Leko (Ungarn) und Dimitri Jakowenko (Russland/alle 4:6). Die Performance des passend ein knallrotes Jackett mit Drachenaufdruck tragenden Siegers lag bei 3002 Elo-Weltranglistenpunkten. Laut dem amerikanischen Schach-Statistiker Jeff Sonas die beste Turnierleistung der vergangenen zehn Jahre und eine der 20 besten aller Zeiten!

Dank dieser katapultiert sich Carlsen von Platz vier der Weltrangliste vorbei an seinem Baden-Badener Mannschaftskamerad, Weltmeister Viswanathan Anand, auf Position zwei. Mit aktuell 2 801 Elo liegt das Wunderkind, das bereits mit 13 Jahren Großmeister wurde, nur noch fünf Zähler hinter Topalow. Diesen kann der Skandinavier beim Topturnier des Jahres, ab 5. November in Moskau, endgültig überflügeln.

Wem Carlsen den Triumph in Nanjing mit zu verdanken hat, weiß er: seinem neuen Trainer Garri Kasparow. Die zurückgetretene Legende stellt ihm seine Datenbank zur Verfügung, die noch 16000 Eröffnungsideen beinhalten soll. "Er hat mehr Ideen als ich gespeichert", gestand der 18-Jährige. Sein "Spielstil" sei weiter "mein eigener", aber der Junge aus Lommedalen spielte alte Eröffnungen wie Schottisch, das dereinst Kasparow reanimiert hatte. Mit Weiß gewann Carlsen alle fünf Partien. Vom ersten Zug an machte er Druck. "So ein Gefühl hatte ich vorher noch nie verspürt", berichtete der Weltmeister in spe und glaubte zu spüren, dass "meine Gegner ein wenig fürchteten, auch gegen Kasparow spielen zu müssen".

In der achten Runde schlug Carlsen den Chinesen Wang Yue nicht aus der Eröffnung heraus, sondern ganz im Stile eines Routiniers im nur minimal besser stehenden Endspiel.











Carlsen,M (2772) - Wang,Y (2736) [D17]
Pearl Spring Nanjing, 06.10.2009

1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 dxc4 5.a4 Lf5 6.Se5 Sbd7 7.Sxc4 Dc7 8.g3 e5 9.dxe5 Sxe5 10.Lf4 Sfd7 11.Lg2 g5 12.Se3!? [ 12.Sxe5 gxf4 13.Sxd7 0-0-0!? 14.Dd4 Dxd7 15.Dxf4 ( 15.Dxh8 verspricht Weiß keinen Vorteil: 15...Dd2+ 16.Kf1 Dxb2 17.Te1 Lb4 18.Df6 Dc2 19.Se4 Lxe4 20.Lh3+ Kc7 21.Dxf4+ Kb6 22.Lf5 Lxe1 23.Lxe4 Dxa4 24.De3+ Kc7 25.Lxh7 Ld2 ) 15...Ld6 16.Dh6 The8 beschert Schwarz ausreichend Spiel für den geopferten Bauern.] 12...gxf4 13.Sxf5 0-0-0 14.Dc2 Sg6 15.0-0 Kb8 16.Tfc1 a5 17.b4!? Eine interessante Fortsetzung, um auf den offenen Linien am Damenflügel Gegenspiel zu inszenieren. 17...axb4 18.Sb5! De5 19.Sbd4 Lc5 20.Sb3 h5 21.Tab1 [ Dagegen erweist sich 21.Sxc5? Sxc5 22.Dxc5?? als schlimmer Schnitzer wegen 22...Td1+! 23.Lf1 ( 23.Txd1 Dxc5 kostet die Dame.) 23...Dxc5 24.Txc5 Txa1 ] 21...La7 22.Lxc6!? fxg3! [ 22...bxc6 bringt nur den schwarzen König in Gefahr, auch wenn es letztlich zum Remis reichen sollte: 23.Sbd4 ( 23.Dxc6 Dxf5 24.Dc7+ Ka8 25.Dc6+ Kb8 26.Dc7+ führt zum Dauerschach.) 23...Lxd4 24.Txb4+! Lb6 25.Dxc6 Dxf5 26.Tcb1 Dc5 27.Txb6+ Dxb6 28.Txb6+ Sxb6 29.Dxb6+ Ka8= ] 23.hxg3 Tc8? [ 23...Se7! macht es Carlsen schwerer, in den Remishafen zu schippern. 24.Sbd4 ( 24.Sxe7 verliert nach 24...Dxg3+ 25.Lg2 Dxf2+ 26.Kh2 Dh4+ 27.Lh3 Sf6 28.Dc7+ Ka8 29.Sf5 Sg4+ 30.Kg2 Se3+! 31.Sxe3 Thg8+ 32.Lg4 Lxe3 33.Tc4 Txg4+ 34.Txg4 Dxg4+ 35.Dg3 De4+ 36.Kh3 Dxb1 37.Dxe3 Dh1+ 38.Kg3 Tg8+ ) 24...Lxd4 25.Txb4 Sxc6 26.Dxc6 Lb6 27.Df3 The8 28.Td1 Te6 29.Tb5 Dc7 sieht den Nachziehenden im Vorteil, auch wenn dieser nicht zum Sieg ausreichen sollte.] 24.Dd3 bxc6 25.Dxd7 Tc7 26.Dd3 h4 27.Sbd4 hxg3 28.Txb4+ Ka8 29.Sxg3 Td8?! [ 29...Sf4 wirkt etwas stärker. 30.Df3! Sh3+ ( 30...Lxd4 31.Txc6 Ka7 32.Tb5 Txc6 33.Dxc6 ( 33.Txe5 Tc1+ 34.Sf1 Lxe5 35.De3+ Ka6 36.Dxe5 Txf1+!! 37.Kxf1 Th1# ) ) 31.Kf1 Sg5 32.Dg4~~ ] 30.e3 Sh4 31.Kf1 Da5? [ 31...Dd6 ist erforderlich.] 32.Tcb1? [ 32.Txc6! gewinnt stattdessen. 32...Txc6 ( 32...Dxb4 33.Txc7 Lxd4 34.exd4 Kb8 35.Tc5 Txd4 36.Tb5+ Kc7 37.Txb4 Txd3 38.Txh4 ; 32...Txd4 33.Txd4 Txc6 34.Txh4 ) 33.Sxc6 Txd3 34.Sxa5 ] 32...Sf3 33.Sb3 Dd5 34.Dxd5 cxd5 35.Td1 Tc2 36.Tf4 Se5 37.Sd4 Tc4 38.Sde2 Txf4 39.Sxf4 d4 40.Sge2 Sc6 41.e4 Das entstandene Endspiel befindet sich in der Remisbreite - doch wie so oft, presst Carlsen im Stile eines Routiniers den ganzen Punkt aus dem etwas besseren Endspiel. 41...Tb8 42.Sd5 Tb2 43.Sef4 Kb7 44.Sd3 Tb3 45.Ke2 Ta3 46.f4 Txa4 47.Tb1+ Kc8 48.Tc1 Kb7 49.e5 Ta3 50.Th1 Ta5 51.Sf6 Lb8 52.Tb1+ Kc8 53.Tc1 Kb7 54.Se4 Ta3 55.Th1 Lxe5? [ 55...Sxe5 56.fxe5 Lxe5 57.Tb1+ ( 57.Sxe5? Te3+ 58.Kd2 Txe4 mit Ausgleich, weil Springer und Turm gegen Turm wenig ausrichten können. Gefährlich für die schwächere Partei ist lediglich Turm und Läufer gegen Turm. Dieses haltbare Endspiel haben selbst schon viele große Spieler noch verloren.) 57...Kc7 58.Tc1+ Kb6 59.Sd2 und der Läufer trägt eher zur Verteidigung bei als der Springer - das zeigt der tatsächliche Partieverlauf.] 56.fxe5 Sxe5 57.Sd6+ Ka6[] [ 57...Kb6? 58.Sxe5 Te3+ 59.Kd2 Txe5 60.Sc4+ Kc5 61.Sxe5 ] 58.Sb4+ Kb6 59.Tc1 Te3+? [ 59...Ta5 sollte geschehen, um das Springerschach auf d5 zu unterbinden. Zudem vermag der Turm auf c5 die c-Linie für den König freizukämpfen.] 60.Kd1 Tb3? Damit vergibt Wang die letzte Chance, einen halben Zähler zu retten. [ 60...Ka5! 61.Sd5 Te1+! 62.Kxe1 Sd3+ 63.Kd2 Sxc1 64.Kxc1 f5 65.Sf4 d3 66.Kd2 Die Stellung ist theoretisch verloren für Schwarz. Doch Carlsen müsste danach äußerst präzise vorgehen. Denn sollte Schwarz seine Bauern nach vorne ziehen und opfern können, vermögen zwei Springer kein Matt mehr zu erzwingen! Das geht nur, wenn Weiß den schwarzen Monarchen patt setzt, den f-Bauern laufen lässt und rechtzeitig mit dem zweiten Springer zum Matt herbeigaloppiert. ] 61.Sd5+ Ka7 62.Ta1+ Kb8 63.Kc2 Das Problem: Wang kann den Turm nirgends auf der b-Linie halten, ohne ihn einzubüßen. 63...Th3 64.Tb1+ Ka7 65.Tb7+! Ka6 66.Tb6+ Ka5 67.Tb5+ Ka4 [ 67...Ka6 68.Sc7+ Ka7 69.Tb7# ] 68.Sb6+ Ka3 69.Txe5 Wang gab auf, weil der Gegner mit dem Turm auf dem Brett genügend Material für einen Mattangriff hat. 1-0



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