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"Verrückter" spielt auf Schachserver 199000 Partien!

Bisher fast 400 Millionen Duelle auf www.schach.de ausgetragen / Premiumzugang mit neuem Fritz 12

Von FM Hartmut Metz, 8. November 2009

 

Die Gründe, warum sich das Schach-Programm Fritz bereits eine Million Mal verkauft hat, sind vielfältig. Zum einen muss man die immer wieder neuen Funktionen (siehe die Schachspalte der Vorwoche über Fritz 12) nennen, die dank ihrer Vorzüge zum Standard aufsteigen. Brillant agiert die Firma Chessbase zum anderen aber in Sachen Marketing. Die Hamburger betreiben drei Webseiten, die in Deutsch, Spanisch und Englisch unterschiedliche Nachrichten aus aller Welt verbreiten - vor allem fehlt bei der deutschen Webseite nie die amüsante Note. So werden die Kunden auf die Firmen-Homepage gelockt - und die dezente Werbung für die eigenen Produkte verschreckt keinen.

Ein noch besseres Marketinginstrument scheint der Server www.schach.de zu sein. Er entwickelte sich laut Chessbase am kostenpflichtigen amerikanischen Internet Chess Club (ICC) vorbei zum größten Schachportal für Spieler. Allein die Weltkarte auf der Startseite wirkt imposant: All die roten Punkte zeigen an, wo gerade einer vor seinem PC hockt und über schach.de eine Partie austrägt oder bei anderen zuschaut. Um die deutsche Mittagszeit herum sind meist um die 3000 bis 4000 aktiv. Am Abend werden es auch 6000 - oder zu Hochzeiten, wenn Weltmeisterschaften oder Topturniere laufen, tummeln sich 10000.

Kommentare von Großmeistern, die Chessbase dann bietet, saugen die Amateure gerne auf. Das Angebot gehört künftig wie auch Live-Training zur Premium-Mitgliedschaft, die der Käufer von Fritz 12 für ein Jahr erwirbt. Diesen soll man aber auch künftig statt des Basiszugangs erhalten, wenn man neue Versionen der von der Spielstärke her dominierenden Konkurrenzprogramme Rybka oder Shredder bei Chessbase kauft, versichert André Schulz.

Wichtiger als die Kommentare und das Live-Training ist den meisten der mehr als 252000 registrierten Spieler aber, dass sie selbst zur Tat schreiten können. Bis vergangene Woche registrierten die Hamburger seit der Eröffnung von schach.de im November 2001 395 Millionen ausgetragene Partien! Außer in Turnieren, von denen bis zur Vorwoche schon 7234 gespielt wurden, kämpfen die Recken vor allem darum, ihre Wertungszahl durch Siege in die Höhe zu treiben. Gelingt dies, stärkt das das Ego ... Ganz Verrückte "schlagen bei schach.de ihr Bett auf und übernachten da", scherzt Schulz mit Blick auf einen besonderen "Rekordhalter". Der bestritt unter dem Pseudonym "Fellenberg" rund 199000 Partien! Eine unglaubliche Zahl, auch wenn es überwiegend sogenannte Bullet-Partien mit nur einer Minute Bedenkzeit waren.

Als beliebtester Spieler unter den auf dem Server zahlreich vertretenen Profis wird Nigel Short geführt. Den Engländer nennen die Amateure zum einen wegen seines attraktiven Spiels, zum anderen besticht der Vizeweltmeister von 1993 vor allem durch seine pointierten Kommentare. Seinen Einfallsreichtum belegt die nachstehende Begegnung, die Short im September beim Turnier im indischen Kolkata gegen den Georgier Michail Mchedlischwili gewann.











Short,N (2706) - Mchedlischwili,M (2613) [B12]
Kolkata Open Kolkata, 10.09.2009

1.e4 c6 2.Se2!? Short ist experimentierfreudig und bringt mit dem Zug, den er bereits Ende der 70er angewandt hatte, seinen Gegner aus der Eröffnungsvorbereitung. 2...d5 3.e5 c5 [ Bei der Schach-Olympiade 2000 in Istanbul stand Short nach 13 Zügen minimal besser gegen den Inder Krishnan Sasikiran: 3...Lf5 4.Sg3 Le6 Üblicherweise weicht der Läufer nach g6 zurück. 5.d4 g6 6.c3 h5 7.Ld3 Dc8 8.h4 Sh6 9.Sd2 Lg7 10.0-0 c5 11.Sf3 Sc6 12.Le3 Lg4 13.Le2+/= ] 4.d4 Sc6 5.c3 cxd4 6.cxd4 Lg4 [ Gängiger ist 6...Lf5 7.Sbc3 e6 8.Sg3 Lg6 ] 7.Sbc3 e6 8.Le3 Sge7 9.f3 Lf5 10.g4 Lg6 11.Sf4 [ 11.Sb5 kontert Schwarz mit 11...Da5+! 12.Sec3 Sc8<=> 13.Da4 Dd8! Nachfolgendes a6 beseitigt alle Drohungen des scheinbar so aktiven Springers auf b5.] 11...a6 12.Tc1N Erst dies stellt eine Neuerung dar. 12...h5 Der Bauernvorstoß erweist sich oft als sehr riskant, schwächt er doch auch den Läufer auf g6. 13.Lg2 hxg4?! Das sieht natürlich aus, schließlich öffnet es die h-Linie für den Turm - dafür bekommt jedoch der Läufer auf g2 eher Perspektiven, die ihm bisher der Bauer auf f3 nahm. Das führt gleich zu Konsequenzen, wie der Partieverlauf zeigt. 14.fxg4 Lh7 15.0-0 Sg6 Schwarz kann endlich seine Entwicklung vorantreiben. Doch mit den vorherigen Zügen öffnete er dafür den gegnerischen Figuren einige Linien. 16.Sfxd5! Ein einfallsreiches Figurenopfer, mit dem Short die Stellung öffnet und einen starken Angriff einleitet. 16...Sh4? [ Der Nachziehende sollte sich das Opfer zeigen lassen: 16...exd5 17.Sxd5 Tc8! 18.Db3 Sa5 19.Da4+ Sc6 20.Tc3 erweckt kein besonderes Vertrauen - aber Weiß muss den K.o.-Schlag erst noch finden. Bloß 20...Le7 sollte nicht geschehen wegen 21.Db3! 0-0 22.Dxb7 Lg5 23.Lxg5 Dxg5 24.Txf7! Txf7 25.Dxc8+ Sd8 26.Tf3 Sf8 27.Txf7 Kxf7 28.h3 Sde6 29.Dc3 und die vier Bauern für die Figur bescheren Weiß Vorteil, auch wenn die Partie noch lange nicht entschieden ist.] 17.Lh1!? [ 17.Sf4 Sxg2 18.Kxg2 gibt sich mit einem Bauerngewinn zufrieden. Der weißfeldrige Läufer könnte aber später lästig werden, weshalb Short an seinem Figurenopfer festhält.] 17...exd5 18.Sxd5 Lg6? [ 18...Tc8 Überdeckt den Schwachpunkt c6. 19.Dd2!? Le7 20.Sxe7 Sxe7 ist noch spielbar, weil 21.Lxb7? ( 21.Df2 Lg8+/= deckt alles noch mit knapper Not.) 21...Txc1 22.Txc1 Dd7 23.Df2 Dxb7 24.Dxh4 Df3 25.Dg3 Dxg3+ 26.hxg3 Le4 zu einer weißen Ruine führt.] 19.Txc6!! bxc6 20.Sf6+! gxf6 [ 20...Ke7 führt sofort ins Verderben. 21.Lg5 mit verheerenden Abzugsschachdrohungen.] 21.Lxc6+ Ke7 22.exf6+ Kd6 23.Da4! [ 23.Dc1!+- gewinnt ebenso.] 23...Kc7 [ Oder 23...Lh6 24.Lxh6 Txh6 25.Lxa8 Dxa8 26.Db4+ Kc7 ( 26...Kd5 verstrickt den König in ein Mattnetz. 27.Dc5+ Ke6 28.De5+ Kd7 29.De7+ Kc8 30.Tc1+ Kb8 31.Dc7# ; 26...Ke6 endet genauso: 27.De7+ Kd5 28.De5+ Kc4 29.Tc1+ Kd3 30.Td1+ Kc4 31.Dc5# ) 27.Tc1+ und nur 27...Dc6 vermeidet den sofortigen Exitus - allerdings ändert das wenig am baldigen Ende der Partie. 28.Txc6+ Kxc6 29.d5+ Kd7 ( 29...Kxd5 30.Dd2+ Kc6 31.Dxh6 ) 30.De7+ Kc8 31.d6 ] 24.Tc1 Eine grausame Stellung, aus der der König nicht mehr ohne Materialeinbußen entkommt. 24...Dd6 25.Lxa8+ Kb8 26.De8+ [ 26.De8+ Ka7 27.d5+ Db6 ( 27...Dc5 zögert das Matt nur ein paar Züge hinaus. 28.Txc5 ) 28.Tc7# ] 1-0



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