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U wie Unzicker"

Rüstiger deutscher Altmeister feierte 75. Geburtstag

von Hartmut Metz

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   Der Schach-Meister weilte 1951 in Jugoslawien, um Simultanvorstellungen mit einer Urlaubsreise zu verbinden. Auf dem Heimweg sollte er nach Ljubljana fahren, um das jugoslawische Team mit nach Krefeld zu nehmen. Dort stand der erste Länderkampf nach dem Krieg an. Vom Bahnhof aus sollte der deutsche Nationalspieler im Hotel „Union" den ortsansässigen slowenischen Schachverband telefonisch von seinem Eintreffen in Kenntnis setzen. „Ich bin hier. Mein Name ist Unzicker", gab er durch die Leitung. „Wie?", schallte es zurück, „können Sie das bitte buchstabieren." Wolfgang Unzicker tat wie ihm geheißen: „U." Woraufhin sich sein Gesprächspartner rückversicherte: „U wie Unzicker?" „Ich bin Unzicker!"

   Der deutsche Vorkämpfer wurde am 26. Juni 1925 in Pirmasens geboren. Trotz seiner 75 Jahre spielte der Großmeister in der vergangenen Saison immer noch in der Bundesliga bei Duisburg. Ganz von der Schach-Bühne will der pensionierte Richter auch nicht abtreten. „Man muss sich bewusst sein, dass es in meinem Alter mit den Erfolgen vorbei ist", erläutert Unzicker die Philosophie, die ihm die Freude auf den 64 Feldern erhält. Nichtsdestoweniger bewundert er den sechs Jahre jüngeren Viktor Kortschnoi: „Dass sich der noch so lange hält. Er ist ein ganz eiserner Kämpfer und schachlich so vielseitig: kombinatorisch gewaltig und ganz groß im Endspiel. Eine kleine Schwäche, die ihn vielleicht daran gehindert hat, Weltmeister zu werden, ist seine Zeitnot und dass er manchmal die Stellungen überzogen hat. Manchmal prallten an ihm gegnerische Attacken ab wie Wasserperlen an schroffen Felsenwänden." Auch von Filius Alexander musste sich der Papa einmal anhören, „du beherrscht das Endspiel sicher wunderbar, aber der Kortschnoi kann´s noch besser!" Neben Alexander spielt auch Ferdinand Schach und ist Unzickers spielstärkster Nachwuchs mit einer Elo-Bestleistung von 2305, während Stefan nur kurz der Passion seines Vaters frönte.

   Obwohl sich der Bundesrechtsberater des Deutschen Schachbundes hauptberuflich der Juristerei verschrieb („Ich hatte nie das Gefühl, ich sollte Schach-Profi werden"), feierte der zeitweilig weltbeste Amateur schöne Erfolge. Den geteilten ersten Platz mit Boris Spasski in Sotschi 1965, die Siege 1967 in Maribor und Krems sowie die Olympiade 1964 in Tel Aviv zählt der rüstige Unzicker zu seinen „Turnieren, auf die ich stolz bin". Vor allem in Israel brillierte er beim Gewinn der Bronze-Medaille sowie dem 3:1 über die Sowjetunion mit insgesamt 13:5 Punkten. Aber auch den geteilten Rang vier mit Lajos Portisch 1966 beim Piatigorsky-Cup in St. Monica wertet der Münchner als eine seiner herausragenden Stationen. Zwar hinter Boris Spasski, Bobby Fischer und Bent Larsen, aber, „das war sehr wichtig, vor Weltmeister Tigran Petrosjan, Samuel Reschewski, Miguel Najdorf, Borislav Ivkov und Hein Donner!" Seine Karriere scheint dem Jubilar günstig verlaufen zu sein, auch wenn man „natürlich immer ein Haar in der Suppe findet und nie zu 100 Prozent zufrieden ist. Wenn man überlegt, was für Schwächen ich hatte: Die rein strategische Ausnutzung von Vorteilen, die noch nicht ganz den Gewinn bedeuteten, gelang mir nicht wie Botwinnik, Smyslow oder Karpow. Vor allem Karpow holte das Letzte aus einer Stellung heraus", referiert Unzicker und klopft zum Unterstreichen des Gesagten mit dem Finger auf den Tisch: „Da hat es mir gefehlt!" Weltmeister, fällt der Richter sein Urteil, wäre er auch nicht als staatlich geförderter Profi á la Sowjetunion geworden. „Die Teilnahme am Kandidatenturnier hätte mir schon gelingen können, aber selbst Keres, Kortschnoi und Geller schafften es nicht auf den Thron."

   Unzicker ist ein gewandter Redner, der keine Langeweile aufkommen lässt. Manche Anekdote fällt ihm ein. So berührte ein älterer Herr, der sehr zitterte, eine Figur. Sein Gegner bestand darauf, dass er damit ziehen müsse. Vornehm zurückhaltend formulierte Unzicker: „Der ist auch nicht gerade der Inbegriff eines Gentleman." Sein Freund Ludek Pachmann, Verfechter von klaren Worten dazu: „Du hast vielleicht Formulierungen. Sag, er ist ein Schwein und du liegst richtig!"

   Beim Empfang zum legendären Schachkongress in Hastings 1954/55 war erneut Pachmann einer der Protagonisten von Unzickers Lieblingsanekdoten. Als der Prager entdeckte, dass auf dem aufgestellten Brett die Springer und Läufer vertauscht worden waren, bemerkte Paul Keres nur trocken: „Das muss man in Betracht ziehen, wenn man deine Eröffnungsbücher studiert!" Als äußerst schlagfertig erwies sich der Este zudem bei einer Begegnung mit Max Euwe in Varna. Als der Ex-Weltmeister ihm und Unzicker von seinem legendären Springeropfer 1934 in Zürich gegen Alexander Aljechin erzählte, entsponn sich folgender Dialog: „Als ich das Springeropfer brachte, zog Aljechin die Jacke aus." Keres: „Und wenn du die geopfert hättest, hätte er wahrscheinlich die Hose ausgezogen ..."

Nachstehend eine von Unzickers besten Partien, die der deutsche Vorkämpfer 1954 in Amsterdam spielte.

 









Stellung nach:

Unzicker,W - Czerniak,M [C13]
Amsterdam olm Amsterdam, 1954

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 4.Lg5 Le7 5.e5 Sfd7 6.h4 a6 6...Lxg5 7.hxg5 Dxg5 8.Sb5 Dd8 9.Dg4 g6 bietet Weiß positionelle Kompensation auf der h-Linie und den schwarzen Feldern. 7.Dg4 f5 8.Dh5+ g6 9.Dh6 Lxg5 10.hxg5 Kf7 11.Sge2 c5 12.Sf4! Auf cxd4 folgt 13.Sxg6! dxc3 14.Sxh8+ Dxh8 15.g6+ mit besseren Chancen für Weiß. 12...Sf8 13.dxc5 Sc6 14.g4 Sxe5 15.Le2 Dc7 16.gxf5 Sf3+ 17.Lxf3 Dxf4 18.f6! Diesen Zwischenzug hatte Schwarz vermutlich übersehen. 18...Tg8 19.Th3 Ld7 20.Sxd5! De5+ Auf exd5 21.Lxd5+ Le6 22.Lxe6+ Kxe6 23.Te3+ Kd7 24.0-0-0 Kc7 25.Kb1 mit starkem Angriff wollte sich Czerniak nicht einlassen. 21.Se3 Dxb2 22.Td1 Td8 23.c6! bxc6 24.Kf1 Das erklärt den 23. Zug. Ohne c6 würde nun Lb5+ den Druck etwas abschütteln. 24...c5 25.Sc4 Lb5 26.Dxh7+!! Ein hübsches Damenopfer, das die Entscheidung bringt. Sxh7 27.Txh7+ Kf8  Ke8? 28.Te7+ Kf8 29.Txd8+ Le8 30.Tdxe8 matt. 28.Txd8+ Le8 29.Sxb2 Krönender wäre 29.Tf7+! Kxf7 30.Sd6+ Kf8 31.Txe8 matt gewesen. Aber nach vollbrachter Tat lässt oftmals die Konzentration nach. Trotzdem:

1-0

 

   Weiter unten finden sich drei weitere Begegnungen des Jubilars, die er bei den Frankfurt Chess Classic als seine besten Partien benannte. Darunter sein einziger Sieg über seinen Freund Paul Keres in Moskau 1956 sowie der Erfolg über Samuel Reschewski, gegen den Unzicker ansonsten noch achtmal remisierte. Viel Freude bereitete ihm Czerniak in den zwei Duellen 1954 in Amsterdam und Moskau 1958. Da der Sieg des Münchners über den ehemaligen Weltmeister Michail Tal als „beste Partie seiner Karriere" tituliert wurde, ist diese kleine Jubiläumspartie (sie wurde vor 25 Jahren in Mailand gespielt) ebenfalls aufgeführt.

 









Stellung nach:

Unzicker,W - Keres,P [C99]
Alekhine mem Moscow, 1956

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 d6 8.c3 0-0 9.h3 Sa5 10.Lc2 c5 11.d4 Dc7 12.Sbd2 cxd4 13.cxd4 Sc6 14.Sb3 Lb7 15.Lg5 h6 16.Lh4 Sb4 17.Lb1 Tac8 18.Te2 Sh5 19.a3 Sc6 20.d5 Sb8 21.Tc2 Dd8 22.Sa5 23.Sxb7 Dc7 24.Dxc2 Dxb7 25.Lxe7 Tc8 26.Lxd6! Txc2 27.Lxc2 f6 28.Lb3 Sf4! 29.Td1 Sd7 30.Td2 Sb6 31.Lc7 Sc4 32.d6 Se6 33.La5 Sc5? 34.Lb4! Sd7 35.Tc2 a5 36.Lxa5 Dxe4 37.Sd2 Dd3? 38.Txc4! Kh7 39.Lc2

1-0

 

 









Stellung nach:

Unzicker,W - Reshevsky,S [B85]
Munich olm fin-A Munich (3), 1958

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Le2 e6 7.0-0 Le7 8.f4 Dc7 9.Lf3 Sc6 10.Kh1 0-0 11.Le3 Sa5 12.De1 Sc4 13.Lc1 e5 14.Sf5 Lxf5 15.exf5 Tac8 16.g4 e4 17.Sxe4 Tfe8 18.Sxf6+ Lxf6 19.Df2 Lxb2 20.Lxb2 Sxb2 21.Tab1 Sa4 22.Txb7 Dc4 23.Dg2 Sc3 24.g5 Tb8 25.Td7 Tb1 26.Txb1 Sxb1 27.De2! Dc8 28.Tc7 Dd8 29.Dc4 d5 30.Lxd5 Sd2 31.Dc6 Tf8 32.Txf7 Txf7 33.g6 hxg6 34.fxg6 Kh8 35.gxf7 Se4 36.De8+

1-0

 

 









Stellung nach:

Czerniak,M - Unzicker,W [C47]
Moscow olm fin-A Moscow (1), 1956

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Sc3 Sf6 4.d4 exd4 5.Sxd4 Lb4 6.Sxc6 bxc6 7.Ld3 d5 8.exd5 cxd5 9.0-0 0-0 10.Lg5 c6 11.Df3 Ld6 12.Lxf6 Dxf6 13.Dxf6 gxf6 14.Se2 Le6 15.b3 a5 16.a4 c5 17.Tad1 Tfd8 18.f4 c4 19.bxc4 dxc4 20.Le4 Lc5+ 21.Kh1 Tab8 22.f5 Txd1 23.Txd1 Ld7 24.Sc3 Le8 25.g4 Lb4 26.Sd5 Kg7 27.Td4 Lxa4 28.Txc4 Lb5 29.Tc7 Ld6 30.Ta7 a4 31.g5 fxg5 32.f6+ Kf8 33.Sc3 Le8 34.Ld5 Lc5 35.Ta6 Td8 36.Lc4 Ld4 37.Se4 Tc8 38.Ld5 Txc2 39.Ta8 g4 40.h3 g3 41.Sxg3 Lxf6 42.Sf5 Td2 43.Le4 Td8 44.Ta6 Lb2 45.Sd6 Ld7 46.Lxh7 Le6 47.Sxf7 Td1+ 48.Kg2 Lb3 49.Sd6 a3 50.Sf5 Ld5+ 51.Kg3 Le5+ 52.Kf2 a2 53.Se3 Td2+ 54.Ke1 Lc3 55.Sd1 Te2+ 56.Kxe2 Lc4+

0-1

 

 









Stellung nach:

Unzicker,W (2535) - Tal,M (2645) [B43]
Milano Milano (1), 1975

1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 a6 5.Sc3 Dc7 6.g3 Lb4 7.Sde2 Sc6 8.Lg2 Sf6 9.0-0 Le7 10.Le3 Sg4 11.Lf4 d6 12.Sd4 Sce5 13.Lc1 Sf6 14.f4 Sc6 15.Sxc6 bxc6 16.e5 dxe5 17.fxe5 Sd7 18.Lf4 g5 19.Le3 Sxe5 20.Se4 h6 21.Dh5 Sg6 22.Tf2 De5 23.Taf1 Th7 24.Txf7! Txf7 25.Dxg6 Dg7 26.Sd6+ Lxd6 27.Lxc6+ Ke7 28.Txf7+ Dxf7 29.Dxh6! Le5 30.Dxg5+ Kd6 31.Lxa8 Dc7 32.Dxe5+

1-0

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