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Kloska - Balg
Dreiländereck - Kuppenheim, 1992
1.d4!
Dieser Zug erhält von mir grundsätzlich ein Ausrufezeichen.
1...d5
2.c4
e6 Nach einigen Minuten
Überlegens wurde mir sofort klar, das ist kein Slawisch - so ein unfairer
Gegner, im zweiten Zug der erste psychologische Hammer.
3.Sc3
Lb4 Und bereits im
dritten Zug der zweite Hammer! Was soll man denn gegen so etwas spielen?
Ganz klar, ruhig bleiben.
4.e3
Sf6
5.Ld2
0-0
6.Sf3
Sbd7
7.Le2
Te8
8.0-0
c6? Dieses Fragezeichen
setzte sich mein Gegner selbst, denn kurz nachdem er den Zug ausgeführt
hatte, sah er, dass nun Sxd5 einen Bauern gewinnt. Ich sah dies natürlich
auch, doch sind bessere Stellungen nicht mein Stil. Außerdem wäre
es aus schachpsychologischer Sicht ein verhängnisvoller Fehler. In einem
derart frühen Stadium des Spiels die innere Euphorie auf Gewinn
einzustellen, bringt meist herbe Partieverluste mit sich. Der erfahrene
Psychologe wählt deswegen:
9.Db3!
Ld6
10.Tad1 Der Beginn
einer Reihe von Zügen, die anscheinend keinen Sinn haben. Doch gerade
dieser Zug ist derart raffiniert, dass wahrscheinlich gar Kasparow nicht
die verborgenen Ideen entdecken würde, die sich dahinter verbergen.
Diese waren
a) Verhinderung sowohl von c5 als auch von e5
b) Erzielung einer schlechteren Stellung, um den Schwarzen gedanklich auf
Sieg einzustellen und, als Wichtigstes
c) fehlerhafte Einschätzung der Stellung oder aber
d) irgendwohin muss der Turm gezogen werden
10...b6
11.cxd5 Aufgrund
der Ignoranz, die mein Gegner zu Tage legte (er würdigte meinen
überaus sensiblen 10. Zug nicht), musste ich schärfere Geschütze
auffahren. Erst dieser 11. Zug zeigt deutlich auf, wie sinnlos gut mein 10.
war. Außerdem schlug mein Gegner in einer früheren Begegnung in
ähnlicher Stellung mit dem c-Bauern zurück.
11...exd5 Egal wie
er schlägt, ab sofort wird zurückgeschlagen.
12.Tc1 Natürlich
hätte er auch schon im 10. Zug hier stehen können, doch dann wäre
a) bis d) unberücksichtigt geblieben und ich hätte dieses wertvolle
Tempo nicht verlieren können. Außerdem wollte ich, dass Schwarz
jetzt Se4 zieht. Darauf hätte Sxd5 für Weiß schon einiges
Holz eingebracht. Leider weiß mein Gegenüber meine geradezu
ozeantiefen Fallen nicht zu würdigen. Jedenfalls gebietet es der Anstand,
in dieser Stellung Se4 zu ziehen!
12...Lb7 Phantasielos
(siehe letzte Bemerkung).
13.a4! Nicht einmal
Hartmut konnte mit diesem Zug etwas anfangen. Erst nach meiner Erläuterung,
dass, obgleich einem nichts einfällt, gezogen werden muss - so sagen
es die Regeln, war ihm auf einmal alles klar. Eigentlich war meine Traumstellung
erreicht und ich hätte meinem Gegenüber gerne gesagt: "Mach doch
erst mal ein paar Züge ... ich greife später wieder ein." Aber,
was zieht man, wenn man ziehen muss und nicht so recht weiß, was man
ziehen soll? Richtig, einen Randbauern!
13...Se4
14.a5
Tb8 Mit b5 hätte
er den kecken Ba5 eher früher als später gewinnen können.
15.axb6
axb6
16.Ld3 Gewieft und
hinterhältig. Neben Kh1 so ziemlich der einzige Zug, der wieder eine
meiner Fallen aufstellt. In solchen Stellungen deckt man den Se4 mit Sdf6.
Danach stellt Weiß mittels Sxe4 eine Figur ein. Doch halt! Der Springer
auf f6 verhindert, dass die schwarze Dame nach Sg5 eben diesen nehmen kann.
exd3 ist nun wegen Sxf7 übel. Folglich kann Weiß den Bauern auf
e4 nach Sg5 mit Sgxe4 wegschnabulieren und steht gut, was allerdings aus
schachpsychologischer Sicht untragbar wäre. Deshalb muss ich hier meinem
Gegner danken, dass er nicht mitspielte.
16...f5
17.Se2
g5
18.Lc3! Man sieht
es ihm nicht an, 31 Züge später gewinnt dieser Läufer von
diesem Feld aus die Partie. Wenn man bedenkt, dass in dieser, meiner Partie,
die wohl tiefste psychologische Kombination der gesamten Schachgeschichte
zur Anwendung gelangt, so darf's niemanden wundern, dass mich dies nicht
unerheblich mit Stolz erfüllt.
18...g4
19.Sd2
Dh4
20.g3
Dh3 Natürlich
wäre Sf4 schachlich gesehen stärker gewesen, doch muss man bedenken,
dass
a) meine Kombination gefährdet gewesen wäre,
b) das mittlerweile erfolgte 3:0 der Dreiländereckler zu deren
Mannschaftssieg noch nicht reichte
c) in der Landesliga die Gegner aus dem nahen Umkreis kommen, und
d) Hartmut meine Stellung noch zu gut fand.
21.Lxe4
fxe4
22.Tfe1
Te6
23.Sf4!? Das Fragezeichen
steht für Figurenverlust bzw. Matt, das Ausrufezeichen für angewandte
Psychologie.
23...Lxf4
24.exf4 Um das Matt,
welches mit La6 eingeleitet werden kann zu verhindern, müsste schon
Ta1 geschehen. Doch es widerstrebt mir im Innersten, mit einem Klötzchen
weniger zu spielen. Zudem kann man hier - übrigens erstmals seit Lasker
- Schachpsychologie der Extraklasse bewundern. Schwarz, völlig siegessicher
- sozusagen: jeder Zug gewinnt - denkt nicht mehr an Gegenwehr des Weißen.
Gedankenlos wird Matt gesetzt.
24...Th6? Also, La6
hätte mir tatsächlich den Garaus gemacht.
25.Ta1! Ab sofort
wird Schach gespielt, die Psychologie hat das Ihre bereits geleistet.
25...Dxh2+
26.Kf1
e3
27.fxe3
Dxg3 Entlässt
den weißen König aus seinem Käfig. Das so sichere und von
Schwarz ausgelassene schnelle Matt geht ihm nicht mehr aus dem Sinn. Noch
immer, und das bis zum Schluss der Partie, gilt für ihn: "Egal was ich
ziehe, die Partie ist gewonnen!"
28.Ke2
Dg2+
29.Kd3
Th2
30.Dd1
Sf6 Dieser Springer
auf f6 gefiel mir überhaupt nicht, deckt er doch alle Felder um den
schwarzen König.
31.Tg1
Dh3
32.Sf3! Einfach weil
mir der Zug gefällt.
32...Tg2
33.Sg5
Dg3 Alles psychologisch
zu erklären, denn Txg1 verbietet sich, weil
a) Schwarz nach Damen- und Turmtausch nicht mehr schnell Matt setzen kann,
b) die besser stehende Partei der schwächeren keinen entlastenden Tausch
erlauben sollte, und
c) Kuppenheim bei einem zu erwartenden Verlust meinerseits wohl sicher absteigen
würde.
34.Th1
Lc8
35.Ld2
Lf5+
36.Kc3 Nach kurzem
Überlegen. Nirgends steht er besser!
36...Se4+ Endlich
ist der von f6 weg, und das endgültig.
37.Sxe4
Lxe4
38.Th6 Beginn des
Gegenangriffs. Egal ob etwas droht oder nicht, jeder fühlt sich
verunsichert, wenn so ein gegnerischer Turm dicht am eigenen König
auftaucht. 38...c5
39.Ta7 Da ist schon
der zweite!
39...cxd4+ Er treibt
meinen König dahin, wo er gerne hingeht.
40.Kxd4
Df2
41.Lc3 Und wieder
ist er auf dem Siegesfeld!
41...Tg3
42.Dd2
Df1 Nur nicht tauschen,
dann gibt es nämlich kein schnelles Matt mehr.
43.Ke5
Dc4
44.Dd4
Db5 Wie bereits gesagt,
tauschen oder Matt setzen. Mein Gegner entscheidet sich für Matt setzen.
Wie man leicht sehen kann, liegt meine Spielweise eher beim Tauschen. Aber
wenn ich nicht darf:
45.Tg7+ Und da wäre
das Matt! 45...Kf8
[ 45...Kxg7
46.Kd6+
Kxh6 (
46...Kg8
47.Dg7# ;
46...Kf7
47.Df6+
Ke8
48.De7# )
47.Dg7+
Kh5
48.Dg5# ]
46.Kf6
Dc6+
47.Kg5
Lg6
48.Lb4+
Ke8
49.De5+ und aufgegeben.
Dies ist ein für mich typischer Sieg.
1-0 |