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Fietz - Thiel Badenweiler Open 1994
1.e4
c5
2.Sf3
Sc6
3.Lb5
Sf6
4.Sc3
e5
5.0-0
An dieser Stelle sollte Weiß auf c6 nehmen und nach dem Schlagen mit dem d-Bauern entweder 6.d3 oder Se5 spielen. Mit dem Rochieren ist bereits ein neuer Eröffnungsweg beschritten. Rückblickend kann hier bereits von einem ersten Wendepunkt gesprochen werden, da ich nicht mit den Abspielen dieser selten gespielten Variante vertraut war und entsprechend improvisieren musste.
5...d6
6.h3
Le7
7.Te1
0-0
8.Sd5?!
Die zweite kritische Stelle in der Eröffnung. Ich erinnerte mich dunkel, dass Fischer in seinem Match mit Spasski 1992 den Springer nach d5 stellte. In dieser konkreten Variante ist diese Idee jedoch fehl am Platz, da Schwarz leicht den schwachen Bauern attackieren kann. Besser ist es daher, die Entwicklung normal fortzusetzen, obwohl hiermit kein Eröffnungsvorteil erreicht werden kann: [ 8.d3
Db6
( 8...a6
9.Lc4
b5
10.Lb3
Lb7
11.Sd5
Sa5
12.Ld2
Sxb3
13.Sxe7+
Dxe7
14.axb3=
) 9.b3
Sd4
10.Lc4
Le6
11.Sd5
Sxd5
12.Lxd5
mit ausgeglichenem Spiel.]
8...Sxd5
9.exd5
Sb8
Diesmal muss Schwarz eine prinzipielle Entscheidung treffen. Neben dem Rückzug, der vergleichbar auch in einigen Abspielen des Sweshnikov-Systems vorkommt, standen zwei Optionen zur Verfügung. [ Zum einen 9...Sb4
10.Lc4
e4!
und nach diesem überraschenden und starken Bauernzug sollte Schwarz eine gute Stellung erhalten entweder mit 11.Txe4
( oder mit 11.Sh2
f5
12.d3
exd3
13.Lxd3
Lf6
14.c4
Te8
15.Txe8+
Dxe8
16.Lb1
b5
17.a3
Sa6
18.cxb5
Dxb5=/+
) 11...Lf5
12.d3
( 12.Te2
Sxc2
13.Tb1
Sd4
14.Sxd4
Lxb1
15.Sb5
a6
16.Sc3
Lg6-+
) 12...Lxe4
13.dxe4
Da5-+
; Die andere Variante mit dem Springerzug nach d4 ist weniger gefährlich für Weiß: 9...Sd4
10.Lc4
Lf5
11.d3
Dd7
12.Sxd4
cxd4
13.Ld2
Tac8
14.Df3
Tc7=/+
] Die Initiative ist jeweils an Schwarz übergegangen.
10.c3
Weiß verfolgt immer noch den nicht mehr zu realisierenden Plan einer günstigen Öffnung des Zentrums mittels d4. Angebracht war an dieser Stelle eine Blockierung des Zentrums: [ 10.c4
Lf5
11.d3
a6
12.La4
Sd7
13.Lxd7
Dxd7
14.Db3
b5
( 14...Tfb8
15.a4=
) 15.Ld2
Tfb8
16.Dc3
Tb6
17.b3
] Jetzt kommt Schwarz sofort dazu, einen typischen Bauernsturm einzuleiten.
10...f5
11.d3
Kh8
Mit dem Königszug legt Schwarz seine Karten offen. Eine alternative Strategie konnte mit einem aktiven Spiel am Damenflügel verfolgt werden, obwohl dies Weiß gewisse Chancen auf Gegenspiel eingeräumt hätte: [ 11...a6
12.La4
b5
13.Lb3
Sd7
14.Ld2
Lb7
15.a4!?
( 15.c4
bxc4
16.dxc4
e4
17.Sh2
Lf6
18.Dc2
Se5
19.Te2
Sd3
20.Tb1=/+
) 15...bxa4
16.La2
Lf6
17.Tb1
Sb6
18.c4
Tb8
19.La5
La8
20.Lxb6
Dxb6
21.Dxa4
Tf7
22.Te2
Tfb7
23.Da3
und der Ausgang ist unklar.] Zwar hat Schwarz jetzt ein konkretes Aktionsfeld, den Königsflügel, gewählt, jedoch überlässt dies dem Weißen den Damenflügel als Aufmarschfeld. Wie der spätere Spielverlauf zeigt, ist die Einschätzung der wechselseitigen Spielchancen auf entgegengesetzten Flügeln das entscheidende Element, um die eigenen Angriffsmöglichkeiten ausloten zu können.
12.a3
g5
13.Sh2
Weiß muss bereits prophylaktische Maßnahmen ergreifen. Die beiden anderen Sicherungszüge gefielen mir noch weniger als der seltsame Springerzug, der die Möglichkeit einer Verteidigung mit einer Überführung nach fl oder e3 zulässt, ohne derzeit den Aktionsrahmen des Lcl zu beschneiden: [ 13.Sd2
g4
14.hxg4
fxg4
15.b4
cxb4
16.c4
( 16.cxb4
Db6
17.Lc4
Dxf2+-+
) 16...bxa3
17.Txa3-+
; 13.c4
Lf6
( 13...g4
14.hxg4
fxg4
15.Sd2
a6
16.La4
b5
17.cxb5
axb5
18.Lxb5~~
) 14.La4
Tg8
15.Sh2
Sd7
16.Ld2=/+
] Zieht man nach dem skurilen Springerzug eine Zwischenbilanz, so bleibt festzuhalten: Erstens, die Eröffnungsphase ist zugunsten von Schwarz verlaufen, der einen Bauernsturm nach königsindischem Muster plant. Aus diesem Grund wird er jetzt nicht mit 13..Ld7 14.Lxd7 Sxd7 15.c4 den Läufer abtauschen wollen. Zweitens, die Chancen von Weiß liegen in einer Öffnung der b-Line und möglicherweise einem Gegenspiel auf der Diagonalen al-h8, falls e5 geknackt werden kann. Drittens, einem Angriff von Schwarz kann Weiß im Moment wenig entgegensetzen, falls er sich nicht völlig auf eine Verteidigung beschränken will (siehe Variante Zug 18).
13...Sd7
14.Lxd7
Lxd7
15.b4
[ Wenig aus weißer Sicht verspricht 15.c4
Lf6
16.a4
Tg8
17.Ld2
g4
18.hxg4
fxg4
19.Sf1
Lh4
20.Te2
g3
21.fxg3
Lxg3
22.Sxg3
Txg3
23.Db3
b6
24.Tf1
Dh4-/+
; oder 15.d4
cxd4
16.cxd4
e4
17.Db3
b6
18.f3
exf3
19.Sxf3
Lf6
und Schwarz ist am Drücker.]
15...b6
16.De2
Lf6
17.Ld2
De8
18.Sf1
Df7
Dieser Zug ist ein Zeitverlust. Schwarz sollte direkt zum Angriff übergehen, da die Dame ohnehin auf g6 am effektivsten stehen würde: [ 18...f4
19.bxc5
bxc5
20.Tab1
Dg6
21.Tb3
g4
22.hxg4
Lxg4
23.f3
( 23.De4
Lf5
24.Df3
Lxd3-+
) 23...Lh3
24.Sh2
Tg8
25.Sg4
Lxg4
26.fxg4
Dxg4
27.Dxg4
Txg4
28.Te2
Tg3
29.c4
Tag8
30.Kh2
mit schwarzer Initiative.]
19.c4
h5
[ Interessant wäre 19...g4
20.hxg4
fxg4
21.bxc5
bxc5
22.Tab1
Lh4
23.Se3
mit unklarem Ausgang.] Ich glaube, mein Gegner fühlte sich an dieser Stelle zu sicher, da seine Stellung - zumindest optisch - sehr gut aussieht. Allerdings sind seine nächsten Züge nur Reaktion statt Aktion, was als ein Indiz für eine sich ändernde Stellung eingestuft werden kann.
20.bxc5
bxc5
21.Tab1
Tab8
22.La5
Txb1
23.Txb1
Lc8
24.Db2
f4
[ Die Alternative mit 24...e4
verspricht wenig. 25.Lc3
exd3
( 25...Lxc3
26.Dxc3+
Kh7
27.Dd2
Dg6
28.Tb3=
) 26.Dd2
Lxc3
27.Dxc3+
Df6
28.Dxd3
f4
29.Df3
g4
30.hxg4
hxg4
31.De2
Kg8
32.Db2
und Weiß hat Gegenspiel.]
25.Db8
Die zweite Zwischenbilanz fällt aus weißer Sicht schon günstiger aus: Erstens, Weiß hat am Damenflügel Gegenspiel erhalten. Zudem geht eine Aktivierung der weißen Figuren mit Angriffen auf die schwarzen Schwächen (a7, d6) einher. Das Spielfeld ist nunmehr in zwei Hälften unterteilt, wobei jede Seite ihre Figuren am jeweiligen Flügel konzentrieren will. Dies deutet eher darauf hin, dass ein Gleichgewicht der Stellung von keiner Seite angestrebt wird. Zweitens, sollte dem Eindringen der Dame auch der Turm folgen, so sind zwei unterschiedliche Verhaltensweisen von Schwarz denkbar. Einerseits könnte er sich auf Deckung besagter Schwächen beschränken, was aber ein Remis sichern würde. Andererseits wird er für einen Angriff am Königsflügel seine Figuren von Deckungsaufgaben abziehen müssen, wodurch Weiß gegebenenfalls Chancen auf ein Dauerschach oder einen Angriff erhält. Dies wird dadurch erleichtert, dass der schwarze König keine Bauern mehr als Schutz hat. An dieser Stelle muss zusätzlich noch angemerkt werden, dass Schwarz bereits eine ungünstigere Zeit hatte (Weiß: 0:58; Schwarz: 1:38; Zeitkontrolle nach 40 Zügen und zwei Stunden). Zusammenfassend ist aufgrund dieser Faktoren zu erwarten gewesen, dass Schwarz den unmittelbaren Durchbruch suchen wird, da er diesen Plan schon seitdem 10. Zug verfolgt hat.
25...f3
[ Genauer war 25...Le7
26.Dxa7
f3
27.g3
Lxh3
28.Tb7
Te8
29.Se3
Df8
( 29...h4
30.g4
Df8
31.Da6
Ta8
32.Db5=
) 30.Lc7
Ta8
31.Dxa8
Dxa8
32.Tb8+
Dxb8
33.Lxb8
Ld7
allerdings mit nur geringem Vorteil für Schwarz.]
26.g3
[ Zu tollkühl und auch nicht notwendig ist 26.Dxd6
fxg2
27.Se3
Lg7
28.Le1
Lxh3
29.Dxc5
obwohl die Sache längst nicht klar ist.]
26...Dd7
[ Jetzt heißt es schon Sekt oder Selters, da 26...Le7
27.Dxa7
Lxh3
28.Se3
De8
29.Tb7
Lf6
30.Lc7
Dd7
( 30...Lc8
31.Lxd6
Lxb7
32.Lxf8
Dxf8
33.Dxb7+-
) 31.Lb8
Dd8
32.Th7+
Kg8
33.Lc7
Da8
34.Lxd6
zu einer nicht mehr verteidigsfähigen Stellungsruine führt.]
27.Dc7
Dxh3
28.Se3
h4
Spätestens hier musste Schwarz einen Gang zurückschalten. [ Mit 28...Dd7
29.Dxd7
Lxd7
30.Tb7
Tf7
31.Txa7
Kg7
32.Lc3
Lh3
33.Ta6
Le7
34.Kh2
Lc8
35.Ta8
Ld7
36.Ta7
konnte eine Stellung aufgebaut werden, auch wenn Weiß den schönen Freibauern auf der a-Linie hat.]
29.Dxd6
Lg7
[ Ebenfalls keine Hoffnung verspricht 29...Tf7
30.g4
Lxg4
31.Ld8!
Kg7
( 31...Lxd8
32.Dxd8+
Kh7
33.Tb8
Tg7
34.De8+-
) 32.Lxf6+
Txf6
33.Tb7+
Tf7
( 33...Kg6
34.De7+-
) 34.Dxe5+
Kg6
35.Txf7
Kxf7
36.Dxg5
Ld7
37.Df4+
Kg8
38.Dc7
und der materielle Vorteil entscheidet zugunsten von Weiß.]
30.g4
Tf4?
Ein Blackout mit beginnender Zeitnot. Schwarz spielte diesen Zug sehr schnell und energisch, da es aus seiner Sicht der "coup de grace" sein sollte. Angemerkt werden sollte, dass ich meine Züge ebenfalls recht schnell spielte, um meinem Gegenüber keine Atempause zu gönnen. So betrug mein Zeitverbrauch von Zug 20 bis Zug 33 nur 20 Minuten. [ Selbst der von SF Thiel kurz nach der Partie angegebene Sicherungszug mit dem König reicht nicht mehr aus: 30...Kh7
31.Dxc5
Lxg4
32.Tb7
( 32.Dxa7
Tf4
33.Tb7
Ld7-+
) 32...Tg8
( 32...Tf4?
33.Dc7
Ld7
34.Dxd7+-
; 32...Lc8
33.Dxf8
Lxb7
34.De7
Lc8
35.Dxg5
Ld7
36.Lc3+-
) 33.Txa7
Lf5
34.Lc3
Kh6
( 34...Kh8
35.De7+-
) 35.Dd6+
Kh5
36.Dc7
Lg6
37.Lxe5
mit Gewinn.; Ebenso unzulänglich ist 30...Lxg4
31.Tb8
Txb8
( 31...Kg8
32.Txf8+
Lxf8
33.Dg6+
Lg7
34.Dxg5
Lc8
35.Lc3
Kf7
36.Dh5+
Kf8
37.Lxe5
Lxe5
38.Dxe5+-
) 32.Dxb8+
Lc8
33.Dc7
Lf5
34.Lc3
Kg8
( 34...g4
35.Lxe5
) 35.Lxe5
Lxe5
36.Dxe5
Lxd3
37.Dxg5+
Kf7
38.Df4+
Kg7
39.Dc7+
Kg6
40.Dxc5
und wiederum sichert der materielle Vorteil den Gewinn.] In der Partie und auch unmittelbar danach waren wir beide der Auffassung, dass ich hier Glück gehabt hätte. Nüchtern betrachtet, hat Weiß jedoch seit dem 25. Zug keine Probleme mehr. Häufig kommt es allerdings vor, dass Stellungsbeurteilungen aus früheren Partiephasen latent die nachfolgenden Variantenberechnungen beinflussen. In dieser Partie wird Schwarz seine Angriffschancen gleichbleibend hocheingeschätzt haben, zumal Weiß keine zusätzliche Figur zur Verteidigung abstellte. Daher vielleicht auch der impulsive, vermeintliche Gewinnzug.
31.Dd8+
Kh7
[ reicht auch der Rückzug nicht mehr aus, da nach 31...Tf8
32.Dxg5
Kh7
33.Dh5+
Kg8
34.Lc3
die Schwächen sichtbar sind und die schwarze Dame patt gestellt ist.]
32.Dxc8
e4
In Zeitnot beabsichtigt Schwarz möglicherweise, den Springer auf e4 durch den Läufer zu beseitigen. [ Eine Verteidigung ist bereits aussichtslos: 32...Tf7
33.De8
Tf6
34.Dh5+
Th6
35.Dxg5
Tg6
36.Dh5+
Th6
37.Df5+
Tg6
38.Tb7
]
33.dxe4
[ 33.dxe4
Es verliert nunmehr: 33...Kh6
34.Ld8
Tf8
35.De6+
Kh7
36.Lxg5
Der Läufer kann natürlich nicht wegziehen, da sonst der Turm mit Schachgebot eingreift.] 1-0
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