Der unsichtbare Achte |
Rochade Express, Nr. 68, Seite 18ff, "Der unsichtbare Achte"
von Hartmut Metz
Die Zahl sieben nervt. Das hat zwei Gründe, wobei der für Rastatt spezifische letztlich doch immer sehr angenehm für mich endet. Indes ärgert mich langsam die fast hoffnungslose Suche nach dem achten Mann im Pokal. Im Viertelfinale konnte Alexander, der ebenso wie ich händeringend um Einsatzfreudige wirbt, kurzfristig noch Kurt Busch aktivieren. Der befand sich diesmal aber bereits in den USA, so dass neben den Getreuen Ralf & Ralf (nicht zu verwechseIn mit den Wildecker Herzbuben), Jürgen & Jürgen (nicht zu verwechseln mit Udo und Curd Jürgens), Toni, Alex und mir wieder einer fehlte. Die einen hatten wieder keine Zeit, die anderen keine Lust, weitere etwas Besseres vor und die letzten trauten sich nicht - bis wir Vjeko Visnic tags zuvor ansprachen. Er war heiß auf den Einsatz in der "Ersten" - ganz so, wie wir noch zu Breitlings und Kühls Zeiten waren - und blickte trotzig der bei der Caissa Rastatt lauernden Gefahr ins Auge. "Ich gewinne", klang Vjeko gewohnt zuversichtlich.
Sein optimistisches Auftreten muss irgendwie auch die Rastatter beeindruckt haben, denn zunächst rieben die sich angesichts des Unbekannten die Augen und dachten an einen neuen Spitzenspieler. Schließlich gibt es genug Koryphäen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Nach langem Getuschel und einem Blick in die DWZ-Liste atmeten die Gastgeber des Halbfinales aber endlich auf: Visnic war gefunden und zur Erleichterung seines Kontrahenten Jörg Eiler auch mit einer deutlich schlechteren DWZ als der seinen. Eiler ging nun frisch ans Werk und wurde seiner Favoritenrolle an Brett zwei gerecht. Vielleicht hätte man Vjeko an Brett sieben oder acht platzieren sollen, wo schlagbarere Kontrahenten warteten, doch wussten wir ja vorher auch nicht, ob die Rastatter normal aufstellen oder ihren Haufen durchzumischen gedachten. Immerhin imponierte Vjekos Einsatzwillen.
Zunächst lief alles nach Plan. An den hinteren Brettern ging ich von einem deutlichen Übergewicht der Rochade aus, weil auch bei den Rastattern einige Stammspieler wie Bernd Geiger, Christian Dettweiler und Rodo Kostic fehlten. Unter dem lautstarken "Gedudel" der Donauschwaben blies Jürgen Gersinska als erster seinem Kontrahenten den Marsch. Ralf Gantner zeigte sich da schon mehr von dem fürchterlichen Lärm beeindruckt. Mit Verlaub: So schön der Raum im Rastatter Vereinsheim, einer ehemaligen Franzosen-Kaserne, sein mag, am Freitagabend ist er für Schachspieler eine Zumutung. Ralf Gantner akzeptierte aber doch eher aus praktischen Gründen das Remisangebot seines Gegenüber. Der ungestüme Angriff mit ß und g4 schien mir angesichts der noch nicht abgeschlossenen Entwicklung typisch Ralf und vor allem übereilt, aber Willi Eppler fand auch nicht gerade die besten Fortsetzungen. Wie sich allerdings in der Analyse herausstellte, stand unser Mann am Schluss auf Gewinn. Da dieser jedoch etwas schwierig zu finden war, sei Ralf die Punkteteilung nachgesehen. Planloseragierte da aus meiner Warte eher Jürgen Raub, obwohl ich ihm vorher ein Kombinationsbuch geschenkt hatte. Warum? J. R. hatte in Bühlertal ein schlichtes Turmopfer mit Gewinn nicht gesehen und mühte sich danach bis zum Sieg unnötig lange ab. Das galt es diesmal zu verhindern. Gegen Holger Grampp verlief die Eröffnung ungefähr ausgeglichen, unerklärlich bleibt mir allerdings Jürgens Läuferzug nach b5, von wo aus dieser rasch vertrieben wurde und gegen einen in offener Stellung schlechteren Springer abgetauscht wurde. Statt dessen hätte unser Brett fünf problemlos den Läufer und die etwas bessere Stellung behalten können. Wegen des Unentschiedens musste ich die an den hinteren vier Brettern erwarteten 3,5 Brettpunkte bereits abschreiben. Ralf Großhans konnte selbst im günstigsten Falle die Bilanz nur noch auf 3:1 Zähler ausbauen.
Eigentlich hätte es mich wenig gesorgt, hätte Alexander seine riesige Stellung mit Mehrbauer gegen Valentin Jurca zum vollen Punkt umgesetzt. Doch in aufkeimender Zeitnot begann die Krise. Der RERedakteur patzte den Bauern ein und gestattete dem Caissa-Crack sogar einen Qualitätsgewinn - doch der blickte fast genauso wenig wie Alex und schlug nur einen Läufer. Unser zweiter Vorsitzender dankte es ihm schlussendlich mit einem weiteren Qualitätseinsteller, den Jurca diesmal sah. Ich hatte mich einen Zug vorher noch kurz gefragt, warum Alexander nicht postwendend Td8 zieht, da danach der Lc3 wegen des ungedeckten Turms auf a8 stillhalten musste; doch nur scheinbar, denn er konnte einen Bauern auf h3 mit Schach fressen und anschließend den Turm auf d8 heraushacken. Kurz nach meiner Bewunderung für Alexanders Umsicht in Zeitnot, folgte Td8...
Faktisch stand es nun 2:3 gegen uns, da wir kaum ernstlich davon ausgehen konnten, daß Vjeko mit zwei Minusbauern das Ruder gegen Eiler herumwerfen würde. Als die Lage sich als prekär erwies, half uns, speziell mir, das Glück: Gegen Helmut Wolf, gegen den ich trotz seiner unbestrittenen Stärke und Phantasie am Brett immer gewonnen hatte, fühlte ich mich nach einem unbedachten Bauernzug, dessen Konsequenzen ich nicht im geringsten durchschaut hatte, ziemlich unwohl. Ich rang mich zu einem Bauernopfer mit unklaren Folgen durch - Wolf wollte den Burschen jedoch gar nicht und tat sich lieber an dem gut gedeckten Bauern auf f7 gütlich. Ein paar Tage später kam mir dann eine erstaunliche Regelmäßigkeit in meinen Mannschaftspokal-Duellen in den Sinn: Sowohl Rodo Kostic, Jörg Eiler und jetzt Helmut Wolf vergingen sich in den vergangenen Jahren an meinem f7-Bauem - allesamt erfolglos! Vielleicht war auch so zu erklären, warum ich in der Partie dem Springeropfer keine Beachtung geschenkt hatte. In der Folge erhielt Wolf zwar noch einen dritten Bauern für die Figur, ich schüttelte dafür aber den lästigen Druck ab und nutzte in meiner Zeitnot die erste Ungenauigkeit zu einem leichten Endspielsieg (siehe Partie).
Auch das 3:3 vermochte unsere Nerven nicht zu beruhigen. Klar, Ralf Großhans besaß das bessere Endspiel mit eventuellen Gewinnchancen gegen Rolf Hoppenworth. Doch wie ergeht es Toni Stückl in herannahender Zeitnot? Gegen Rastatts Spitzenspieler Joachim Kick sicherte sich der ehemalige Zugspitzmeister eine klar überlegene Position, die technisch wohl den Gewinn versprach. Nur leitete Kick nach dem Motto "Alles oder nichts" einen Königsangriff ein, der eigentlich wenig versprach, durch die Zeitnot jedoch seine Berechtigung fand. Toni reagierte cool: Erst zupfte er ein Bäuerchen heraus, danach tauschte er die Damen und knöpfte zu guter Letzt dem in schlimmerer Zeitnot befindlichen Kick eine Figur ab. Sieg! Obwohl nun ein Remis von Ralf genügte, ließ sein brennender Ehrgeiz keine Punkteteilung zu. Umsichtig verwertete einer unserer zuverlässigsten Spieler - ich kann mich schon gar nicht mehr erinnern, wann er zum letzten Mal eine Partie im Mannschaftskampf verlor - das bessere Endspiel zum 5:3-Erfolg. Den tapfer kämpfenden Rastattern bleibt der Trost, dass man als Dritter bei einem Sieg über Durmersheim ebenfalls noch ins Achtelfinale des badischen Pokals gelangen kann. Der zweite Finalist, Hörden, bezwang Durmersheim ebenfalls mit 5:3.
Einzelergebnisse: Stückl 1, Visnic 0, Hatz 0, Metz 1, Raub ½, Großhans 1, R. Gantner ½, Gersinska 1
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Wolf, Helmut - Metz, Hartmut
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Nun noch die Eindrücke aus Tonis Sicht: An diesem Freitag kam ich als erster der Kuppenheimer um ca. 19.15 Uhr in den Spielraum der Rastatter. Den bis dahin anwesenden Rastattern Eiler, Wolf und Grampp erschien dies als nicht ungewöhnlich. Dies änderte sich erst als etwa fünf Minuten später der Rastatter Kick hinzukam. Dieser hatte nämlich nichts Besseres zu tun, als mich zu fragen, was ich hier eigentlich wolle. Daraufhin antwortete ich ihm, dass doch heute hier der Mannschaftspokalkampf Rastatt gegen Kuppenheim stattfinden würde, und ob er dies nicht wisse. Er entgegnete daraufhin, dass ihm das schon gewahr sei, dies jedoch immer noch nicht meine Aufstellung erklären würde. Ganz offensichtlich spielte der Rastatter auf meine vorwiegenden Einsätze in unserer zweiten Mannschaft an. Ich entgegnete ihm daher, dass sich die Rastatter nun ja nicht mehr zu fürchten bräuchten, angesichts der Tatsache, dass die Kuppenheimer Erste schon auf Ersatzspieler wie mich aus der Zweiten zurückgreifen müsse.
Der Dialog war damit zu Ende. Kurze Zeit später traf Hartmut ein und fragte mich, ob ich einverstanden wäre, auf Brett eins zu spielen. Ich stimmte sofort zu, da es für mich, auch nach Angaben meiner Mannschaftskameraden, sowieso völlig egal ist an welchem Brett ich spiele, denn mein Hauptgegner ist immer die Uhr.
Die Mannschaftsaufstellung wurde dann anschließend bekannt gegeben, und siehe da, mein Gegner hieß Joachim Kick. Blitzartig erinnerte ich mich an den vorangegangenen Dialog und fühlte plötzlich eine besondere Motivation in mir aufkeimen. Sollte sich auch Joachim Kick daran erinnert haben? Jedenfalls sah ich ihn kurz vor Beginn der Partie zum im Spielraum der Rastatter aushängenden Ingospiegel eilen. Vielleicht wollte er nur noch mal die Spielschwäche seines Gegners schwarz auf weiß dokumentiert sehen. Nun aber zum Spiel selbst:
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Stückl - Kick
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