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Millionen für Schach begeistert - nur wenige standen am Grab

Teil I nach dem Tod des legendären Bobby Fischer / Ungar ein Vater der Atombombe und des Wunderkinds? / Mit 14 Jahren bereits US-Meister

von FM Hartmut Metz, 26. Januar 2008

 

Millionen von Menschen hat Bobby Fischer für Schach begeistert. Sein WM-Sieg von 1972 im "Match des Jahrhunderts" über den Russen Boris Spasski löste einen Boom aus. Plötzlich wollten Legionen rund um den Globus dieses faszinierende Denkspiel auch verstehen und drängten in die Schachklubs oder gründeten gar neue in jedem Kaff. Vergangenen Montag wurde Bobby Fischer im kleinen Kreis eingeäschert - nur ein paar wenige Weggefährten standen am Grab des 64-Jährigen. Der legendäre Amerikaner fand rund 60 Kilometer südlich von Reykjavik, der Stätte seines größten Erfolges, die letzte Ruhe auf dem Friedhof der Selfosser Kirche Laugardalur.

Robert James Fischer wurde am 9. März 1943 in Chicago geboren und wuchs in Brooklyn auf. Bereits seine Familienverhältnisse gelten als mysteriös. Seine Mutter Regina arbeitete als Krankenschwester. Als Vater benannte die deutsch-jüdische Emigrantin Hans-Gerhardt Fischer, den sie 1933 in Moskau geheiratet hatte. Von dem Physiker ließ sich Regina Fischer nach zwölfjähriger Ehe scheiden. Laut FBI-Ermittlungen hat sich Hans-Gerhardt Fischer aber nie in den USA aufgehalten und emigrierte 1939 nach Chile. Deshalb hielt das FBI den ungarischen Physiker Paul Neményi, der 1942 in Chicago an der Entwicklung der Atombombe arbeitete, für den tatsächlichen Vater.

Gesicherter sind die Informationen über die ersten Schritte des kleinen Robert auf den 64 Feldern, die nicht sogleich eine alle zerstörende "Atombombe im Schach" erwarten ließ. Seine ältere Schwester Joan hatte ein Schach-Set erworben und gemeinsam studierten sie die darin befindlichen Regeln und Erläuterungen. Das königliche Spiel nahm den Jungen rasch gefangen. Aber erst 1955 machte er gewaltige Fortschritte, weil Bobby Mitglied im damals stärksten Schachklub der USA, in Manhattan, wurde. Die große Bibliothek seines Trainers Jack Collins verschlang der 12-Jährige fortan. Bereits wenige Monate später deutete sich an, dass der hagere Bursche mit dem gewaltigen Appetit ein Wunderkind sein könnte. Bobby, wie ihn Freunde nannten, bezwang nicht nur den renommierten Donald Byrne in New York - das Damenopfer beeindruckte die Experten so gewaltig, dass das Schachmagazin "Chess Review" das Duell zur "Partie des Jahrhunderts" erhob! Fischer hielt sie lange Zeit für die beste seiner Karriere - in sein legendäres Buch "Meine 60 denkwürdigen Partien" nahm er den Sieg allerdings nicht auf.

Obwohl die Begegnung bereits im Vorjahr im Zuge der Vorstellung des Werks von Ex-Weltmeister Garri Kasparow über Fischer in der Meko erschien, nachstehend noch einmal der Verlauf.











Byrne - Fischer [D97]
New York Rosenwald, 1956

1.Sf3 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.d4 0-0 5.Lf4 d5 6.Db3 dxc4 7.Dxc4 c6 8.e4 Sbd7?! [ Kasparow und andere Kommentatoren empfehlen 8...b5! 9.Db3 Da5 Droht b4 nebst Schlagen auf e4. 10.Ld3 Le6 11.Dd1 c5!?<=> Das geschah 1986 in Basel zwischen Tony Miles und Kasparow.] 9.Td1 Sb6 10.Dc5 Lg4 11.Lg5? [ 11.Le2 Sfd7 12.Da3 Lxf3 13.Lxf3 e5 14.dxe5 De8 15.Le2 Sxe5 16.0-0+/= mit geringem weißem Übergewicht in Flear-Morris (Dublin 1991).] 11...Sa4!! 12.Da3 [ Auf 12.Sxa4 folgt 12...Sxe4 13.Dc1 ( 13.Dxe7? verliert in wenigen Zügen: 13...Da5+ 14.b4 Dxa4 15.Dxe4 Tfe8 16.Le7 Lxf3 17.gxf3 Lf8-+ ) 13...Da5+ 14.Sc3 Lxf3 15.gxf3 Sxg5 und die weiße Lage ist angesichts des Minusbauern und vor allem der zerstörten Bauernformation hoffnungslos.; Auch 12.Db4 rettet Weiß nicht: 12...Sxc3 13.bxc3 Sxe4 14.Lxe7 De8 15.Td3 c5! 16.Dxb7 Sd6 17.Dc7 Sf5 18.Te3 Sxe3 19.fxe3 Lxf3 20.gxf3 Lf6! 21.Lxf6 Dxe3+ 22.Kd1 ( 22.Le2 Tab8 ) 22...Tab8 23.Kc2 Df2+ 24.Kd3 Dxf3+ 25.Kc4 Dxf6 ] 12...Sxc3 13.bxc3 Sxe4 14.Lxe7 Db6 15.Lc4 [ Laut Altmeister Juri Awerbach fällt die Position nach 15.Lxf8 Lxf8 16.Db3 Sxc3! "augenblicklich zusammen". 17.Dxb6 ( 17.Dxc3?? Lb4 ) 17...axb6 18.Ta1 Lb4 19.Ld3 Sxa2+ 20.Kf1 Lc3 21.Tb1 Lxf3 22.gxf3 Lxd4 und Schwarz gewinnt leicht dank der drei Freibauern am Damenflügel.] 15...Sxc3! 16.Lc5 [ 16.Dxc3 Tfe8 17.Lxf7+ ( 17.De3!? Lxf3! ( Und nicht das von einigen Kommentatoren angegebene 17...Dc7? , das mit 18.Lxf7+! Kxf7 19.Sg5+ Kg8 20.Db3+ Kh8 21.Sf7+ Kg8 22.Sh6+ Kh8 23.Dg8+ Txg8 24.Sf7# bestraft wird.) 18.gxf3 Dc7 und nun fällt e7, ohne dass auf f7 Gefahr im Verzug ist.) 17...Kxf7 18.Sg5+ Kxe7 19.0-0 Lxd1 20.Txd1 Db5-+ und Weiß hat keinen ausreichenden Angriff für den eingebüßten Turm.] 16...Tfe8+ 17.Kf1 "Vielleicht nahm Byrne an, dass bei Weiß alles in Ordnung ist, erwartete Sb5 mit Vorteil und übersah dabei die gegnerische Antwort", mutmaßt Kasparow. 17...Le6!! "Dieser urplötzliche und entscheidende Rückzug macht die Partie so attraktiv", befindet Kasparow. [ 17...Sb5? gestattet 18.Lxf7+! Kh8 ( 18...Kxf7? 19.Db3+ Le6 20.Sg5+ Kg8 21.Sxe6 Sxd4 22.Sxd4+ Dxb3 23.Sxb3+- ) 19.Lxb6 Sxa3 20.Lxe8 axb6 21.Lf7 und Byrne hätte eine bessere Stellung erreicht.] 18.Lxb6 [ Ein hübsches ersticktes Matt ergibt 18.Lxe6? Db5+ 19.Kg1 Se2+ 20.Kf1 Sg3+ 21.Kg1 Df1+! 22.Txf1 Se2# ; 18.Dxc3 pariert Schwarz mit 18...Dxc5! 19.dxc5 Lxc3 20.Lxe6 Txe6-+ ; 18.Ld3 reicht letztlich auch nicht: 18...Sb5 19.Db4 Dd8 20.a4 a5 21.Db2 b6 22.axb5 bxc5 23.bxc6 Ld5 24.Dc2 Lxf3 25.gxf3 Lxd4 26.Le4 Dd6 und der schwarze a-Bauer ist zu stark.] 18...Lxc4+ 19.Kg1 Se2+ 20.Kf1 Sxd4+ 21.Kg1 [ 21.Td3 axb6 22.Dc3 Sxf3-+ erweist sich als noch trostloser.] 21...Se2+ 22.Kf1 Sc3+ 23.Kg1 axb6 24.Db4 Ta4 25.Dxb6 Sxd1-+ Mit Turm und zwei Figuren für die Dame steht Schwarz materiell weit überlegen. 26.h3 [ 26.Dxb7 Ld5 27.Dd7 Te2 lässt keinen Zweifel am Ausgang der Partie.] 26...Txa2 27.Kh2 Sxf2 28.Te1 Txe1 29.Dd8+ Lf8 30.Sxe1 Ld5 31.Sf3 Se4 32.Db8 b5 33.h4 h5 34.Se5 Kg7 35.Kg1 Lc5+ 36.Kf1 Sg3+ 37.Ke1 Lb4+ [ 37...Lb3 und; 37...Te2+ setzen einen Zug schneller matt.] 38.Kd1 Lb3+ 39.Kc1 Se2+ 40.Kb1 Sc3+ 41.Kc1 Tc2# Ein hübsches Schlussbild, das Byrne seinem jungen Kontrahenten gönnte. 0-1



Trainer Collins wandelte danach begeistert ein Zitat ab, das einst auf Komponist Franz Schubert gemünzt war: "Er lernte von Gott selbst!" Und das ging enorm schnell! 1957 gewann der Junge die US Open in Cleveland und qualifizierte sich für die USMeisterschaften 1958 in New York. Auf heimischem Terrain war dem 14-Jährigen nicht beizukommen. Bobby schlug acht Gegner und remisierte nur fünfmal! Mit 10,5:2,5 Punkten hatte sich der Komet nicht nur als Jüngster aller Zeiten den US-Titel gesichert - Fischer qualifizierte sich damit auch als Jüngster für das WM-Interzonenturnier in Portoroz (Jugoslawien). Zu der Vielzahl von Rekorden dürfte ebenso sein Sieg bei der US-Meisterschaft über Samuel Reschewski in der sechsten Runde zählen. Nach lediglich zwölf Zügen stand der Topfavorit aufgabereif.











Fischer - Reschewski [B35]
US-Meisterschaft New York USA, 1958

1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 g6 5.Sc3 Lg7 6.Le3 Sf6 7.Lc4 0-0 8.Lb3 Sa5?? Dieser Fehler wurde weltberühmt. Der 14-jährige Bobby Fischer zog daraufhin rasch 9.e5! Se8? [ 9...Sxb3 rettet nichts. 10.exf6 Sxa1 11.fxg7 Kxg7 12.Dxa1 und mit zwei Figuren für Turm und Bauer steht Weiß auf Gewinn. Vermutlich hätte sich Reschewski aber darauf eingelassen, so er die folgende Abwicklung geahnt hätte.] 10.Lxf7+! Kxf7 [ 10...Txf7 kostet gleich die Dame. 11.Se6 ] 11.Se6!!+- Aber auch nun geht der Springerzug! 11...dxe6 [ 11...Kxe6? 12.Dd5+ Kf5 13.g4+ Kxg4 14.Tg1+ Kh5 15.Dg2 und das Matt im nächsten Zug ist nicht mehr zu verhindern.] 12.Dxd8 Reschewski gab zwar nicht gleich gegen den Jüngling auf - aber nach knapp 30 Zügen streckte er doch endlich in hoffnungsloser Lage die Waffen. 1-0



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