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Chemische Kampfmittel und Röntgenstrahlen

Bobby Fischer gewinnt den Kalten Krieg gegen Boris Spasski (Teil VII)

von FM Hartmut Metz, 9. März 2008

 

Die Sowjets haben die Nerven verloren, als Bobby Fischer im "Match des Jahrhunderts" seine 8:5-Führung nach Partie 13 konsequent durch ein Remis nach dem anderen verteidigte (Fortsetzung von Teil VI aus der Vorwoche zum Tod der Legende). Der sonst so filigrane Weltmeister Boris Spasski konnte den Herausforderer aus Amerika einfach nicht bezwingen. Hatte Fischer bei dem WM-Kampf 1972 in Reykjavik bis dahin mit hanebüchenen Forderungen für Unterhaltung gesorgt, gerieten nun die bisher so geduldigen Russen aus der Fassung. Spasskis Sekundant Jefim Geller musste deshalb eine Protestnote mit bizarren Vorwürfen verfassen.

"Besorgte Briefe aus aller Welt" seien auf Island eingegangen, die den Einsatz von "elektronischen Instrumenten und chemischen Substanzen" nahelegten. Überdies zeigte sich Geller verwundert, dass sich nachts Amerikaner im Spielsaal zu schaffen machten. Und warum beharrte Fischer immer auf "seinen" Sessel, obwohl beide identisch aussahen? Die Helfer des Herausforderers verheimlichten Fischer das Schreiben, der aber davon in der "New York Times" las und dabei in wildes Gelächter ausgebrochen sein soll. Das Gestühl wurde dennoch mit Röntgenstrahlen durchleuchtet. Tatsächlich entdeckte man dabei in Spasskis Sessel einen Fremdkörper! Flugs wurde er zerlegt - und fand einen Holzsplitter ...

Die bisher so angenehmen Russen hatten sich mit der Aktion die Sympathien der Isländer verscherzt. Zum Verlauf des Kalten Kriegs rund um das Schachbrett bemerkte ein amerikanischer Vertreter zufrieden: "Gott sei Dank sind sie noch dümmer als wir."

In der 21. Partie machte Fischer seinen Traum perfekt und wurde am 1. September 1972 Weltmeister. Spasski gab die hoffnungslose Hängepartie nach dem 41. Zug auf (siehe unten) und besiegelte seine 8,5:12,5-Niederlage. Bei der Siegerehrung machte der neue Champion seinem Ruf nochmals alle Ehre - und ließ rund 1 200 Gäste beim Abschlussbankett eine Stunde warten. Als ihm Max Euwe, Präsident des Schach-Weltverbandes FIDE endlich die Medaille überreichen konnte, beäugte Fischer diese kritisch und mäkelte: "Sie ist so klein."











Spasski (2660) - Fischer (2785)
28. WM Reykjavik, 31.08.1972

1.e4 c5 2.Sf3 e6!? Der Zug ist insofern bemerkenswert, als dass Fischer erstmals von seiner Sizilianisch-Lieblingsfortsetzung 2.d6 abweicht! 3.d4 cxd4 4.Sxd4 a6 5.Sc3 Sc6 6.Le3 Sf6 7.Ld3 d5 8.exd5 exd5 9.0-0 Ld6 10.Sxc6?! Das verspricht Weiß nichts, der damit in eine harmlose Schottisch-Variante überleitet. [ 10.h3 gab man schon 1972 den Vorzug.] 10...bxc6 11.Ld4 0-0 12.Df3 Le6 13.Tfe1 c5 14.Lxf6 Dxf6 15.Dxf6 gxf6 16.Tad1 Tfd8 17.Le2 Tab8 18.b3 c4! Damit deckt Fischer nicht nur den a6-Bauern und greift die weißen Bauern an! Vor allem wird dadurch der Läufer auf d6 aktiviert, der gleich gen b4 zu marschieren droht. 19.Sxd5 Mit dem damit verbundenen Qualitätsopfer will Spasski wenigstens ins Remis entwischen. [ 19.Sa4 erweist sich als unersprießlich: 19...Lf5 20.c3 ( 20.Txd5?! Lxh2+ 21.Kxh2 Txd5 ) 20...Lc2 21.Td2 ( 21.Td4!? ist zäher, verliert aber letztlich genauso: 21...Le5 22.Tg4+ Kh8 23.Tc1 cxb3 24.axb3 Lxb3 25.Sc5 a5 26.Sxb3 Txb3 27.c4 Tb2 28.Lf1 Tb4 ) 21...cxb3 22.axb3 Lxb3 23.Sb2 Le5 und Weiß kann aufgeben.] 19...Lxd5 20.Txd5 Lxh2+ 21.Kxh2 Txd5 22.Lxc4 Td2 23.Lxa6 Txc2 24.Te2 Txe2 [ 24...Tbc8 kommt eher Spasski entgegen. 25.a4! Txe2 26.Lxe2 Tc2 27.Lc4 Txf2? ( 27...Ta2 führt zur Partiestellung.) 28.a5! Ta2 29.a6 und auf einmal gewinnt fast Weiß! 29...Kf8 30.b4 Ta4 31.b5! Txc4 32.a7 Ta4 33.b6 Kg7 34.b7 Txa7 35.b8D Ta5! und dank einer Festung hält Schwarz noch gerade so die Stellung. Der Turm pendelt nur noch auf den Feldern g5 und e5, so dass der weiße König nicht im Verbund mit der Dame dem schwarzen König zusetzen kann.] 25.Lxe2 Td8 26.a4 Td2 27.Lc4 Ta2 28.Kg3 Kf8 29.Kf3 Ke7 30.g4? Jan Timman hielt [ 30.Kg3 nebst 31.f4 für ausreichend, um einen halben Punkt zu retten.] 30...f5! Schwarz löst den Doppelbauern auf und verwirklicht vor allem ein Ziel: Der h-Bauer wird zum Freibauern. 31.gxf5 [ 31.g5 bringt nichts wegen 31...f6 ] 31...f6 32.Lg8 h6 33.Kg3 Kd6 34.Kf3? Fischers Nachfolger als Weltmeister, Anatoli Karpow, hielt [ 34.f4 für stärker.] 34...Ta1! 35.Kg2 [ Bei 35.Lc4 Ke5 36.Le6 Tg1 wird der h-Bauer zur Macht, der gen Umwandlungsfeld h1 zu marschieren gedenkt. 37.a5 Weiß darf nicht zögern, um den Turm wieder von der g-Linie zu vertreiben. 37...h5 38.a6 Kd6 39.a7 Ta1 40.Lf7 h4 41.Kg4 Txa7 42.Lg6 Ta2 43.Kxh4 Txf2 44.Kg4 Ke5 45.Kg3 Tb2 und Schwarz gewinnt.] 35...Ke5 36.Le6 Kf4 37.Ld7 Tb1 38.Le6 Tb2 39.Lc4 Ta2 40.Le6 h5 41.Ld7 Spasski gab die Hängepartie auf. Schwarz behält in mehreren Abspielen die Oberhand. [ 41.Kh3 hätte auch nichts mehr gerettet. Der ehemalige Fernschach-Weltmeister Cecil Purdy analysierte nach dem Königszug: 41...Txf2 42.a5 h4! 43.a6 Kg5 44.Ld5 Ta2 45.Lb7 Ta3 46.Kg2 Kxf5 47.b4 Kg4 48.b5 h3+ 49.Kf2 h2 50.b6 Txa6! und die weißen Bauern fallen.; 41.Ld7 Kg4 Mit der Absicht, den h-Bauern endlich zu mobilisieren. 42.b4 h4 43.a5 h3+ 44.Kg1 Ta1+ 45.Kh2 Tf1 46.f3+ Txf3 47.a6 Tf2+ 48.Kh1 h2 49.a7 Kg3 50.Lb5 Tg2 51.a8D Tg1# ] 0-1



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