Mordkomplott gegen den ZarenTödlicher "Zugzwang": Bennett passt St. Petersburger Großmeister-Turnier von 1914 in Handlung einvon FM Hartmut Metz, 5. April 2008 |
Sankt Petersburg 1914: Der Zar lädt zum ersten Großmeister-Turnier der Schach-Geschichte ein. Zu den legendären Teilnehmern zählen der deutsche Weltmeister Emanuel Lasker und sein späterer Nachfolger, der elegante wie fast fehlerfrei spielende kubanische Frauenliebling José Raoul Capablanca. Viele der zahllosen Fans halten jedoch den Polen Akiba Rubinstein nach seinen zahlreichen vorausgehenden Erfolgen für den ersten Anwärter auf die vom Zar ausgesetzten 1 000 Rubel Preisgeld. Am Ende setzt sich Lasker mit einem halben Punkt Vorsprung vor Capablanca durch. Rubinstein, der bei einem Sieg wohl nächster Herausforderer des Weltmeisters geworden wäre, bleibt der Sprung in die fünfköpfige Endrunde versagt.
Für Nikolaus II. soll das Turnier nur zur Zerstreuung dienen - was der russische Herrscher in dem Roman "Zugzwang" nicht ahnt, ist das damit verbundene Mordkomplott gegen ihn. Ronan Bennett hat einen Thriller um den berühmten Wettbewerb von 1914 gebaut. Im Gegensatz zu Lasker und Capablanca erhält Rubinstein als einer der Hauptdarsteller einen anderen Namen, Awrom Chilowicz Rozental. Der Pole wird in Behandlung bei dem Psychoanalytiker Dr. Otto Spethmann geschickt - denn er fühlt sich von einer Fliege verfolgt und muss wieder für das Turnier hergestellt werden. Rozental soll schließlich gewinnen und dann von Zar Nikolaus II. höchstpersönlich den Siegeslorbeer überreicht bekommen. Wie sich aber erst im Verlauf der Handlung herauskristallisiert, würde Rozental aber dann vorher von einem Doppelgänger ersetzt, der den Zaren bei dem Treffen umbringen soll. Allerlei wilde Verfolgungsjagden und Wirrungen münden indes in ein anderes Ende.
Der Erfolgsroman von Bennett, der 2007 im Verlag Bloomsbury Berlin (316 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-8270-0681-3) erschien, bleibt bis zum Schluss spannend. Ganz kommt er aber an die besten Schach-Erzählungen heran. An vorderster Front bleibt "Lushins Verteidigung" von Vladimir Nabokov. Der Autor, der vor allem durch "Lolita" Weltruhm erlangte, verstand sich als Komponist von Schachproblemen besonders auf das königliche Spiel. Zu den besten Stücken mit dem königlichen Spiel im Mittelpunkt gehört auch zweifellos "Die Lüneburg-Variante" von Paolo Maurensig, außerdem "Der Schachautomat" von Robert Löhr. Wer die puristische Sprache von Stefan Zweig mag, wird ebenso "Die Schachnovelle" in diese Liste aufnehmen.
In den Mittelpunkt des Romans hat der Brite Bennett eine Partie seines Freundes Daniel King gestellt. Der englische Großmeister, der auch als Berater für das Werk diente, schlug 2000 in der schweizerischen Mannschaftsmeisterschaft Andrej Sokolow in einem scheinbar remisigen Endspiel. Doch in der Partie entstand wie in dem Stück ein tödlicher Zugzwang. Schachfan Spethmann führt dabei die weißen Steine gegen seinen vermeintlichen Freund, den selbstgefälligen polnischen Geiger R. M. Kopelzon.
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King (2514) - Sokolow (2565)
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