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Kramnik verweigert sich Damenopfer

Dreifacher Ehrendoktor Anand hätte lieber seinen Hut genommen

von FM Hartmut Metz, 12. April 2008

 

Mittlerweile schmücken drei Ehrendoktorhüte seine Wohnungen: Weltmeister Viswanathan Anand zählt in Indien zu den absoluten Topstars. Daher verlieh auch die Tamil Nadu Sportuniversität in Chennai (vormals Madras) dem größten Sohn der Stadt diese Würde. Der Bundesliga-Spitzenspieler des OSC Baden-Baden musste jedoch seine stolzen Eltern zu der Veranstaltung schicken, weil Anand wie gewohnt im Frühjahr beim Amber-Turnier engagiert ist. Das bedeutendste Schnell- und Blindschachturnier der Welt fand aber heuer nicht in Monaco, sondern im benachbarten Nizza statt - und der "Tiger von Madras" hätte sich im Nachhinein wohl eher gewünscht, den Ehrendoktorhut selbst entgegenzunehmen.

Der weltbeste Schnellschachspieler zeigte sich nämlich bei der 16. Amber-Auflage alles andere als von seiner besten Seite. Dabei begann der Wettbewerb famos: Gleich in der ersten Runde schlug er den Weltranglistenzweiten Wladimir Kramnik dank eines spektakulären Damenopfers. Doch damit hatte der 38-Jährige schon einen Großteil seines Pulvers verschossen. Im Blindschach hielt sich der Schaden noch in Grenzen. Bei den Partien, bei denen die Konkurrenten auf einem Laptop-Bildschirm nur ein Brett mit der letzten gezogenen Figur sehen, belegte Anand immerhin mit 6:5 Punkten Rang fünf. Kramnik, Lewon Aronjan, Alexander Morosewitsch und Wesselin Topalow lagen mit einem halben Zähler in Front. In seiner Spezialdisziplin Schnellschach enttäuschte der Weltmeister jedoch. Mit nur 5:6 Punkten kam er im zwölfköpfigen Feld lediglich auf Rang acht! Aronjan deklassierte mit acht Zählern aus elf Runden die Konkurrenz. Wassili Iwantschuk (6,5) wurde Zweiter vor Boris Gelfand, Peter Leko und Carlsen (je 6). Der in Berlin lebende Armenier Aronjan sicherte sich so auch souverän die Kombinationswertung mit 14,5 Punkten vor Kramnik, Leko, Topalow und Carlsen (alle 12). Erst auf Platz sechs folgte Anand mit Iwantschuk und Morosewitsch (je 11).

Neben Anand durften sich auch die beiden anderen Großmeister, die nur eine ausgeglichene Bilanz aufwiesen, mit einem Damenopfer trösten. Morosewitschs Blindschach-Kleinod gegen Loek van Wely findet sich unten. Am spektakulärsten fiel Iwantschuks Damenopfer aus, bekam der Ukrainer doch gegen Sergej Karjakin zunächst nur drei Bauern für die Dame! Aber sein Landsmann verlor die Nerven und ging im weißen Angriff unter - für Iwantschuk war die Partie das schönste Geschenk zu seinem 39. Geburtstag!

Einem Damenopfer anderer Art verweigerte sich Kramnik. Der Ex-Weltmeister verdiente sich dadurch den Fairness-Preis: Kontrahent Gelfand hatte offenbar im Blindschach seine Maus nicht richtig bedient und schlug statt mit dem Springer auf e4 mit seiner Dame. Die wäre nach dem "Mouseslip" verloren gewesen - Kramnik wollte aber so nicht gewinnen und offerierte dem Israeli daher ein Remis, das Gelfand dankbar annahm.











van Wely (2681) - Morosewitsch (2765)
Amber Blindschach Nizza, 21.03.2008

1.d4 d5 2.c4 e5 Wieder einmal überrascht Morosewitsch einen Kontrahenten mit einer Eröffnung abseits des üblichen Großmeister-Repertoires. Feierte der Russe mit der Tschigorin-Verteidigung schon zahlreiche Erfolge, wendet er nun das als zweischneidig geltende Albins Gegengambit an. 3.dxe5 d4 4.Sf3 Sc6 5.Sbd2 Sge7 6.a3 Le6 Für den geopferten Bauern erhält Schwarz gewisse Vorteile. Der Bauer auf d4 hemmt vor allem die natürliche Entwicklung der weißen Figuren. 7.g3 Dd7 8.Lg2 Lh3 9.0-0 Lxg2 10.Kxg2 0-0-0 [ 10...Sg6 ist eine bekannte Fortsetzung in der Variante.] 11.b4 Sg6 12.Lb2 h5 13.b5 Scxe5 14.Lxd4 Sxf3 15.Sxf3 h4 16.Lxa7? Loek van Wely schnappt sich nicht nur einen unwichtigen Bauern - schlimmer noch, dass der Läufer gleich bei der Verteidigung am Königsflügel fehlen wird. Durch [ 16.e3 bleibt die Partie offen.] 16...Dg4 Die stärkste Fortsetzung. [ 16...Sf4+!? ist eine interessante Alternative. Weiß muss dann bereits die Dame opfern, um zu überleben: 17.Kh1 Dh3 18.Dxd8+ Kxd8 19.gxf4 b6 20.a4 und Weiß kann noch kämpfen, da der Läufer auf a7 noch gedeckt gehalten werden kann mit den Hebeln a5 oder eventuell auch c5.] 17.Dc2 Überdeckt die zweite Reihe, auf der bald Verheerendes droht. 17...hxg3 [ 17...Ld6! ist noch stärker. 18.Tfd1 ( 18.c5? hxg3 19.cxd6 Sf4+ 20.Kh1 ( 20.Kg1 gxh2+ 21.Kh1 Dg2# ) 20...g2+ 21.Kg1 Sh3# ; 18.Kh1 hxg3 19.fxg3 b6 20.Tf2 ( 20.Tg1 Se7! 21.Tg2 Sf5 22.Tag1 Se3 ) 20...Lxg3 21.Tg1 Df4! 22.Tfg2 Sh4 23.Txg3 Sxf3 24.exf3 Td2 und die weiße Stellung bricht zusammen.) 18...Sf4+! 19.Kg1 hxg3 20.fxg3 Txh2!! 21.Sxh2 Dxg3+ 22.Kf1 Dh3+ 23.Kf2 ( 23.Ke1 Sg2+ 24.Kf2 ( 24.Kd2 Lf4# ) 24...Lg3+ 25.Kf3 Sh4+ 26.Ke3 De6+ 27.De4 Dh6+ 28.Df4 Dxf4# ) 23...Dxh2+ 24.Ke1 Sg2+ 25.Kd2 De5! 26.Ta2 Lxa3+ und Weiß kann aufgeben.] 18.fxg3 b6 Schließt den Läufer aus. 19.a4 [ 19.Sg1 Th5 20.Txf7 Sh4+ 21.Kh1 Sf5 erzwingt das Qualitätsopfer 22.Txf5 Txf5 , wonach der Anziehende wegen des eingekerkerten Läufers auf a7 den Kürzeren zieht. Ansonsten hätte er mit drei Bauern und Springer für den Turm genügend Material.] 19...Ld6-+ Droht den Turmeinschlag auf h2 nebst Dxg3+ und einem Matt durch Th8. 20.e3 Th3 21.Kh1 Tdh8 22.Tf2 [ 22.c5 erweist sich als zäher, reicht aber ebenso wenig. 22...bxc5 23.Lxc5 Lxc5 24.Dxc5 Dxf3+!! 25.Txf3 Txh2+ 26.Kg1 Th1+ 27.Kf2 T8h2# ] 22...Lxg3 23.Tg1 Dxf3+!! Ein hübsches Damenopfer. [ 23...Dxf3+ Weiß strich wegen 24.Txf3 Txh2+ 25.Dxh2 Txh2# die Segel.] 0-1



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