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Letzte DDR-Medaille stand 1995 mehr im Fokus

Erneutes Fernschach-Gold geht im Vergleich zu historischem Kuriosum unter

von FM Hartmut Metz, 22. Juni 2008

 

Dermaßen viel Aufmerksamkeit wie für ihre Bronzemedaille 1995 werden die Spieler diesmal nicht ernten - obwohl die Deutschen bei der 13. Fernschach-Olympiade sogar vorzeitig Gold gewannen (siehe auch Kolumne der Vorwoche). Der Weltmeister-Titel muss zwar sportlich höher bewertet werden, aber 1995 bedeutete Bronze die letzte Medaille der DDR - nachdem die Sport-Supermacht fünf Jahre zuvor mit der Bundesrepublik wiedervereinigt worden war. Zu diesem Kuriosum der Geschichte führten die langen Postlaufzeiten nach Osteuropa, weil damals die Züge noch per Postkarte versandt wurden und sich der 1987 begonnene Wettbewerb verzögert hatte. Heute geht es selbst im Fernschach per E-Mail schneller voran.

Unabhängig vom Übermittlungsweg: Fritz Baumbach ist in der Sparte eine Legende und bei allen großen deutschen Erfolgen dabei. 1988 wurde der heute 72-Jährige Einzel-Weltmeister. Bei der letzten DDR-Medaille war der gebürtige Thüringer ebenso mit von der Partie wie 1999, als Deutschland die 11. Fernschach-Olympiade gewann - ulkigerweise zusammen mit der damals auch schon untergegangenen Tschechoslowakei. Nun heimste das Team um den Präsidenten des Deutschen Fernschachbundes (BdF) alleine den WM-Titel ein. Baumbach ragte einmal mehr heraus. Der DDR-Nahschachmeister von 1970 holte mit 6,5:3,5 Punkten am Spitzenbrett die meisten Zähler unter den elf Konkurrenten.

Den Unterschied zwischen den beiden Arten seines Spiels erklärt Chemiker Baumbach gerne so: "Nahschach ist wie eine Klassenarbeit, Fernschach dagegen entspricht einer Hausarbeit." Seine Hausaufgaben bei der Olympiade machte das Ass gegen den Österreicher Peter Valent perfekt, wie auch seine Anmerkungen bestätigen.











Baumbach - Valent [E12]
13. Fernschacholympiade, 02.06.2008

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 b6 4.Sc3 Lb7 5.a3 d5 6.cxd5 Sxd5 7.Dc2 Sxc3 8.bxc3 Le7 9.e4 0-0 10.Ld3 c5 11.0-0 Dc8 12.De2 La6 13.Td1 Lxd3 14.Txd3 Sd7 15.e5 cxd4 Weltmeister Viswanathan Anand bevorzugte 2003 in Linares gegen Teimour Radjabow [ 15...Dc6 und remisierte später.] 16.cxd4 Te8 17.Lg5 Da6?! Fritz Baumbach tadelt den Damenausfall: "Mit diesem Zug geht Schwarz eigene Wege. Üblich sind an dieser Stelle [ 17...Sf8 oder; 17...Lf8 Nach dem Textzug ist die Dame zu weit vom Kampfgeschehen entfernt. Mein Gegner räumte den Fehler nach der Partie ein."] 18.Lxe7 Txe7 19.Tad1 Sf8 20.Sg5 Baumbach berichtet auf www.Chessbase.de über seine Gedanken zu dieser Position: "Ich habe die Stellung vor diesem Zug einige Wochen lang analysiert. Es ist offensichtlich, dass Weiß am Königsflügel angreifen muss, aber wie soll es weitergehen? Auf meiner Postkarte hatte ich schon [ 20.h4 notiert, aber dann gefiel mir die Antwort nicht wegen der Variante 20...Td8 ( 20...Tc8 21.Sg5 Tec7 22.Se4 ) 21.De3 Ted7 22.h5 h6! Wenn der weiße h-Bauer einen Schritt weiter nach vorne kommt, ist Schwarz ernsthaft in Gefahr. Später prüfte ich; 20.De3 Nach 20...Tc8 21.Sg5 Tec7 22.Se4 Tc1 hat Schwarz sein Ziel erreicht und kann einen Turm tauschen. Meine dritte Analyse schließlich erbrachte den stärksten Zug, ein Springermanöver."] 20...Tc7 21.Df3 Td8 22.h4 h6 23.Se4 Sg6 24.h5 Se7 25.g4! Nimmt dem schwarzen Springer zunächst f5 und leitet einen Königsangriff ein. Schwarz kommt dagegen zunächst nicht richtig am zuverlässig geschützten Damenflügel voran. 25...Db7 26.g5 hxg5 27.Dg4 Baumbach empfand diesen Zug als "extrem schwer". Es habe ihm "in den Fingern gekribbelt", [ 27.d5 auszuführen, weil der d-Bauer nur durch den Springer geschlagen werden kann: 27...Sxd5 ( 27...Txd5 verliert nach 28.Sxg5 ; 27...exd5 28.Sd6 ist ebenso trostlos.) 28.Sxg5 Dc6 29.De4 Dc4 30.Dh7+ Kf8 31.Se4 Ke7 32.Tf3 Sf4 33.Te1 ( 33.Txd8?? Df1+!! 34.Kxf1 Tc1+ 35.Td1 Txd1# ) 33...Se2+ 34.Kg2 Tf8 35.Te3 Tcc8 36.Sd6 und Weiß behält die Oberhand. "Weil ich einige Konterchancen für meinen Gegner entdeckt hatte, wählte ich die sichere Fortsetzung", begründet Baumbach seine Entscheidung für Dg4. ] 27...Tc4 Laut Baumbach "die beste Antwort. Schwarz gibt die Qualität und stellt seine Figuren auf aktive Positionen. Hier war es überhaupt noch nicht abzusehen, dass Weiß in nur zehn Zügen auf der Gewinnerstraße sein wird". 28.Sd6 Txd6 29.exd6 Sf5 30.Dxg5 Dd7 31.h6 Wieder gewährt Baumbach Einblicke in seine Großmeister-Praxis: "Hier gab es für Weiß zwei fundamentale Wege: [ 31.Df4 oder; 31.Tc1 Das sind menschliche Züge. Der Computer hingegen empfahl einen anderen - und für diesen entschied ich mich."] 31...f6 32.Dg6 Sxh6 33.Th3 Sf7 Baumbach erzählt: "Mit großer Freude fischte ich die Karte mit dieser Antwort aus dem Briefkasten, weil die nächsten zehn Züge bereits in meinem Analysebuch standen. Die Alternative war [ 33...Sf5 Danach plante ich 34.d5 e5 35.Dh7+ Kf7 36.Kh2 mit dem praktisch unparierbaren 37.Tg1. Zum Beispiel: 36...Tf4 37.Tc1 Sxd6 38.Thc3 Se8 39.Dh5+ Ke7 40.Tc8 Txf2+ 41.Kg1 Tf4 42.Txe8+! Dxe8 43.Tc7+ und Weiß gewinnt.] 34.Dh7+ Kf8 35.Tg3 Sg5 36.Dd3 b5 37.f4 Sf7 38.Dh7 g5 39.fxg5 Dxd6 40.Tg4 Dxa3 41.g6 De3+ 42.Kh1 Df4 Schwarz verlor die Lust, weshalb er sich gleich ins Matt fügte. [ 42...Df3+ 43.Tg2! Dxd1+ 44.Kh2 ; 42...Dh6+ 43.Th4! Dxh7 44.gxh7 Sh8 45.Tg1 und Schwarz kann den h-Bauern nicht mehr sinnvoll vor dem Durchmarsch stoppen.] 43.Dxf7# 1-0



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