Schachspieler ticken tatsächlich andersGroßmeisterin Vera Jürgens beleuchtet die Marotten eines seltsamen Wesensvon FM Hartmut Metz, 30. Juli 2008 |
"Ticken Schachspieler anders?" Diese berechtigte Frage wirft Großmeisterin Vera Jürgens in ihrem Erstlingswerk auf. Die klare Antwort darauf vorab: Ja, zumindest ehrgeizige Denkstrategen wirken zuweilen äußerst seltsam auf "normale" Zeitgenossen.
Um dies herauszufiltern, beschäftigt sich Vera Jürgens in dem Buch aus dem Schwieberdinger Schachverlag Kania mit nicht einmal einer Partie. Weil sich keine mystischen Kürzel von Zugfolgen (wie zum Beispiel im unten folgenden Duell der Nationalspielerin) darin finden, ist "Ticken Schachspieler anders?" auch durchaus geeignet für Außenstehende. Als Denkstratege muss man es gar dem Partner als Pflichtlektüre schenken - in der Hoffnung, dass dieser eher versteht, warum sich Schachspieler seltsam gebärden. Und es nicht so kommt, wie im Fall von Marina H. Deren Leid stellt die 38-jährige Autorin exemplarisch dar. Marina H. beging nach einer glücklichen mehrmonatigen Beziehung den Fehler, mit ihrem Markus zu einem Turnier zu fahren. Ihr Fazit danach: "Ich habe mich von Markus getrennt und würde mich nie wieder mit einem Schachspieler einlassen!"
Das erste Kapitel "Einblick in die Psyche von Schachspielenden und Nichtschachspielenden" erweist sich als brillant und treffend. Als Quintessenz sollte sich der Schachfreund - vor allem um die männliche Spezies geht es hierbei - einprägen: Nimm deine Freundin niemals und unter keinen Umständen mit zu einem Turnier! Ansonsten wird sie einen völlig anderen Menschen voller Marotten entdecken, bei dem sich plötzlich alles um einen skurrilen Mikrokosmos aus Partien, Zügen, Eröffnungen, Siegen und Niederlagen dreht.
Das famose Niveau, zu dem Frank Stiefel mit Karikaturen beiträgt, kann "Ticken Schachspieler anders?" nicht durchgängig halten. Der zweite Teil der 128 Seiten gerät zunehmend langweiliger. Es verfestigt sich lediglich der Eindruck, dass die Großmeisterin am Brett mimosenhaft auf vielerlei Verhalten des Gegners reagiert - allzu häufig mokiert sich Jürgens darüber.
Bleibt noch zu erwähnen, dass die gebürtige Bulgarin Vera Peitschewa selbst auf Nummer sicher ging: Sie ist mit einem starken deutschen Schachspieler verheiratet. Peter Jürgens lernte sie, wie in einem der letzten Kapitel erwähnt wird, 1989 bei einem Open in Berlin kennen. Als erste Annäherungsversuche dienten (typisch Schachspieler!) zwei Blitzpartien, die er mit ihr austragen wollte ... Rasch ging der Kontakt über Dame und König hinaus. Seit 17 Jahren ist Vera Jürgens verheiratet - schließlich versteht man sich sogar nach schmerzlichen Niederlagen bei Turnieren ... Keinen Anlass zu Kummer gab die Bundesliga-Partie gegen Stephanie Heinrich im Bundesliga-Match 2004 zwischen dem Hamburger SK und Chaos Mannheim.
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Jürgens, Vera (2281) - Heinrich, Stefanie (2171) [E32]
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