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Karjakin zieht die Fäden im Puppentheater

Jüngster Schach-Großmeister aller Zeiten deklassiert Nigel Short / Engländer froh, den Zweikampf überhaupt zu erleben

von FM Hartmut Metz, 3. August 2008

 

Ein wenig hat Sergej Karjakin den Anschluss verloren: Im Fernduell der Schach-Wunderkinder liegt Magnus Carlsen derzeit mit mehr als einer Nasenspitze vorne. Der 17-Jährige ist drauf und dran, Viswanathan Anand in der nächsten Weltrangliste im Oktober als Nummer eins abzulösen. Der Weltmeister aus Indien zeigt sich bereits jetzt von Carlsens Spiel beeindruckt und hält den derzeitigen Weltranglistensechsten für seinen legitimen Nachfolger. An diesem Wochenende versucht Carlsen bereits bei den Chess Classic Mainz seinen Mannschaftskameraden beim OSG Baden-Baden als Weltmeister im Schnellschach abzulösen.

Zumindest einen Rekord kann Carlsen Karjakin nicht mehr abjagen: den als jüngster Großmeister aller Zeiten. Der Ukrainer, der im Alter von fünf das königliche Spiel erlernte, eroberte im August 2002 mit zwölf Jahren und sieben Monaten den höchsten Titel des Schach-Weltverbandes FIDE. Sein norwegischer Rivale brauchte dafür ein halbes Jahr länger.

Aber auch im Kampf um die künftige WM-Krone sollte man Karjakin nicht abschreiben. Der 18-Jährige brachte sich in einem Schnellschach-Zweikampf mit Nigel Short eindrucksvoll in Erinnerung. Den Ex-Vizeweltmeister aus England deklassierte der Weltranglisten-15. mit 7,5:2,5. Die Schlappe kann der humorvolle Brite sicher leicht verdauen - der 43-Jährige ist ja schon froh, dass er den Wettkampf überhaupt noch erleben durfte. Weil der Sponsor in Kiew den Namen "Life:)" trug, berichtete der stets unterhaltsame Short von einem unbeschadet überstandenen Unglück: Karjakin hatte ihn mit Mutter Tatjana in seiner Wahlheimat Griechenland besucht. Währenddessen wurde das Trio in einen Autounfall verwickelt, bei dem Short froh war, diesen überlebt zu haben. Deshalb sei der Name der Mobiltelefon-Firma "Life:-)" für den Wettkampf passender als jeder andere, befand er.

Karjakin zog in dem Match im ältesten Puppentheater der Ukraine zwar die Fäden und gewann mehrere spektakuläre Partien. Den schönsten Sieg feierte allerdings Short.











Short (2655) - Karjakin (2727) [B23]
Schnellschach-Match: 2,5:7,5 Kiew, 04.07.2008

1.e4 c5 2.Sc3 d6 3.Sge2 Sf6 4.f4 Mit [ 4.d4 cxd4 5.Sxd4 hätte sich Short auf bekannte Pfade begeben können. Doch wie so oft spielt er unorthodox. Sein Zug findet sich in keiner Datenbank - eine halbwegs sinnvolle Neuerung im vierten Zug gibt es heutzutage eigentlich kaum mehr!] 4...e5 5.d3 Sc6 6.Sg3!? Bleibt in unbekannten Gewässern. [ 6.g3 hätte wieder bekanntere Strukturen herbeigeführt.] 6...Le7 7.Le2 Sd4 8.0-0 exf4 9.Lxf4 0-0 10.Kh1 d5 11.Lf3 Sxf3 Bevor der Läufer zum Leben erwacht, nimmt ihn Schwarz jetzt doch. 12.gxf3 Als Kompensation für das Läuferpaar erhielt Short ein gestärktes Zentrum durch den e4 deckenden f3-Bauern und die g-Linie für Operationen gegen den feindlichen Monarchen. 12...Le6 13.Tg1 Te8?! [ 13...Kh8 sieht stärker aus, um der Gefahr auf der g-Linie zu trotzen (etwa später mit Tg8).] 14.De2 g6 15.Tae1?! [ 15.Sb5! verspricht Weiß einen kleinen positionellen Vorteil: 15...Tf8 ( 15...Tc8 16.Sxa7 ) 16.c4 d4 17.Sc7 Tc8 18.Sxe6 fxe6 19.Ld2 ( oder 19.Lh6 Tf7 20.e5 Se8 21.f4 Sg7 22.Lxg7 Kxg7 23.Taf1 Kh8 24.Se4+/= ) 19...Sd7 20.f4 Lh4 21.Dg4 De7 22.Tg2 ] 15...Tc8 16.Df2 Db6 17.Le5?! [ 17.b3 liegt eher auf der Hand.] 17...dxe4?! [ 17...d4 18.Sd1 Sd7 19.Lf4 c4 garantiert Karjakin das bessere Spiel angesichts des Drucks am Damenflügel und der versprengt verteilten weißen Figuren.] 18.Scxe4! Danach steht der Springer aktiv, anstatt wie in der vorherigen Variante passiv auf d1. 18...Sd7 19.Lc3 c4? [ Überzeugender wirkt 19...f5 , um den Springer wieder einzuschränken. 20.Sd2 Lf6 und auch der tief in die gegnerische Stellung schielende Läufer auf c3 wird beseitigt.] 20.Ld4 Da6 21.dxc4 Dxc4 22.c3?! Unnötiger Zeitverlust. [ Nach 22.Sh5! verbietet sich 22...Dxc2?? wegen 23.De3 nebst bald folgendem Dh6 und entscheidendem Angriff in allen Varianten.] 22...Dxa2?! Für einen schnöden Bauern gerät die Dame auf Abwege. [ 22...f5 23.Sd2 Dc6 24.Sh5 Lf8 25.Sf4 Lf7 hätte die Stellung im Gleichgewicht belassen.] 23.Sh5 Da5 24.Sg7! Tf8? [ 24...Ted8 ist zäher, auch wenn 25.De3 Sf8 26.Sf6+ Lxf6 ( 26...Kxg7 führt zu einem undeckbaren Matt: 27.Se8+ Kg8 28.Dh6 ) 27.Lxf6 Dd5 28.Tg5 Dd2 29.Lxd8 Txd8 30.Dxd2 Txd2 31.Sxe6 Sxe6 32.Tb5 b6 33.Ta1 in ein schwieriges Endspiel für Schwarz mündet.] 25.Dd2! Die Dame strebt nach h6. 25...Tc4 26.Dh6 Txd4 Ein Verzweiflungsopfer, um den gefährlichen, nach g7 blickenden Läufer wenigstens zu beseitigen. 27.Sxe6 fxe6 28.Txg6+! Diesen Pfeil hat Short nun auch noch im Köcher. 28...Kf7 [ 28...hxg6 29.Dxg6+ Kh8 30.Dh6+ Kg8 31.Tg1+ Lg5 ( 31...Kf7 32.Dg6# ) 32.Dg6+ Kh8 33.Sxg5 Sf6 34.Se4! Dc7 35.Sxf6 und das Matt mittels Dg8+ ist nur noch hinauszuzögern.] 29.Tg7+ Ke8 30.Dxe6 Kd8 31.Dxe7+ Kc7 [ 31...Kc8 erweist sich ebenso als hoffnungslos. 32.b4! Am einfachsten. 32...Dd8 33.cxd4 ] 32.Dxf8 und mit einem Turm weniger verlor Karjakin die Lust an der Partie. 1-0



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