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Bruderküsse und Freudentränen

Mammutaufgabe Schach-Olympiade: Dresdner übertragen 5940 Partien live

Von FM Hartmut Metz, 16. November 2008

 

Die Schach-Olympiade in Dresden läuft seit Donnerstag. Diese Tradition der Mannschafts-WM, die alle zwei Jahre stattfindet, begann 1924 in Paris. Als erste offizielle Olympiade gilt die von 1927 in London, bei der sich Ungarn vor 15 Konkurrenten durchsetzte. Bei der 38. Olympiade nehmen in Dresden inzwischen 152 Verbände teil, Deutschland startet mit drei Teams. Bei den Damen, die seit 1972 in Skopje gleichzeitig eigene Wettbewerbe austragen, treten 116 Mannschaften an. Eine Mammutaufgabe für die Veranstalter, die erstmals alle 5940 Partien der elfrundigen Veranstaltung live im weltweiten Web übertragen wollen. Zudem soll ein Internet-TV bis zum Ende am 25. November rund um die Uhr Programm senden.

Beschaulicher verliefen da die ersten Olympiaden. In Deutschland machte Hamburg 1930 den Auftakt. Als weniger rühmlich gilt die inoffizielle Olympiade 1936 in München, die die Nazis zu Propagandazwecken nutzten. Besser machte es die bayrische Landeshauptstadt dafür 1958 - die DDR "konterte" mit der legendären Olympiade 1960 in Leipzig. Bei dieser war der 17-jährige Bobby Fischer die Sensation. Auch 1970 in Siegen stand der aufstrebende Amerikaner im Mittelpunkt, obwohl er gegen Weltmeister Boris Spasski noch unterlag.

Die größte internationale Sportveranstaltung des Jahres hinter den Olympischen Spielen und den Paralympics in Peking werden durch zwei Werke sehr gut beleuchtet. Zum einen widmete das "kulturelle Schachmagazin" namens "Karl" (5,50 Euro) seine dritte Ausgabe des Jahres dem Schwerpunktthema deutsche Schach-Olympiaden. Ein besonderes Auge darauf wirft auch Mario Tal. In "Bruderküsse und Freudentränen" beleuchtet der 37-Jährige unter dem bezeichnenden Titel die "Kulturgeschichte der Schach-Olympiaden" auf 420 Seiten (Papyrossa Verlag, ISBN 978-3-89438-393-0, 29,80 Euro). Der dicke Band ist lesenswert und fundiert, enthält allerdings nur wenig Partiematerial. Das wird in dem offiziellen Turnierbuch, das die Dresdner noch vor Weihnachten auf den Markt bringen wollen, und in dem weiteren angekündigten Werk des gebürtigen Gaggenauers Harald Fietz sicher anders sein.

Die nachstehende Partie stammt von der ersten Olympiade auf deutschem Boden. Taktikkünstler Kurt Richter bezwang 1930 den Litauer Leonhard Abramavicius sehenswert.











Richter - Abramavicius [C13]
Hamburg Olympiade, 18.07.1930

1.d4 d5 2.Sc3 Sf6 3.Lg5 e6 4.e4 dxe4 5.Sxe4 Le7 6.Lxf6 Lxf6 7.Sf3 Sd7 8.Ld3 0-0 9.De2 c5 10.0-0-0 cxd4 11.g4! Kurt Richter kümmert sich nicht um die Rückeroberung des Bauern. Stattdessen nutzt er seine weit bessere Entwicklung, um am Königsflügel einen Angriff einzuleiten. Derweil steht der weiße Monarch am Damenflügel völlig sicher. Schwarz benötigt viel zu viel Zeit, um genügend Kräfte für eine gefährliche Attacke heranzuführen. 11...g6 [ 11...Le7 12.h4 ( 12.Sxd4 verliert das Ziel, den Königsangriff, aus den Augen und gibt Schwarz Gegenchancen. 12...Se5 ) 12...Da5 13.Kb1 e5 14.Seg5 g6 15.h5 und Schwarz steckt bereits in der Klemme: 15...h6 16.Sxf7! Txf7 17.hxg6 Tf4 18.g5! hxg5 19.Lc4+ Kg7 20.Th7+ Kxg6 21.Tdh1 Lf8 22.Sh4+! Txh4 23.T1xh4 gxh4 24.Dh5+ Kf6 25.Tf7# ] 12.h4 Lg7 13.h5 Te8?! [ 13...Da5! Aktiviert die schwarzen Figuren. 14.Kb1 Sc5 15.hxg6 hxg6 16.Sfg5 Sxe4 ( 16...Sxd3 endet unerfreulich: 17.Dxd3 Td8 18.Th7 De5 19.Tdh1 Ld7 20.Dh3 Die Vertrippelung auf der h-Linie entscheidet. 20...Lc6 ( 20...Le8 21.f4! Dxf4 22.Th8+ Lxh8 23.Dxh8# ) 21.Th8+! Lxh8 22.Dh7+ Kf8 23.Dxf7# ) 17.Sxe4 Ld7 18.Df3 De5 ( 18...Lc6 19.Sf6+ Lxf6 20.Dxf6 Lxh1 21.Txh1 mit undeckbarem Matt in drei Zügen.) 19.Dh3 Tfc8 20.Dh7+ Kf8 21.f4 Dc7 ( 21...Dxf4 22.Tdf1 De5 ( 22...Dxg4 23.Sf6 Lxf6 24.Txf6 Le8 25.Thf1 Tc7 26.Txg6 führt zum Damenverlust.) 23.Dxg6 Le8 24.Sg5 De1+ Nur das zögert die Niederlage hinaus. 25.Txe1 fxg6 26.Txe6 Tc6 ( 26...Tc7 27.Lxg6 Lxg6 28.Txg6 Tac8 29.Td1 Txc2? 30.Tf1+ Kg8 31.Se6 T2c7 32.Sxc7 Txc7 33.Td6 ) 27.Tf1+ Kg8 28.Te7 Tb8 29.Se6 Lh6 30.g5 ) ] 14.hxg6 hxg6 15.g5 e5 16.Th4 Sf8 17.Tdh1 Lf5 18.Df1! Bereitet eine tückische Falle vor. 18...Tc8? Abramavicius fällt prompt hinein. [ 18...Se6! 19.Lb5 Tf8 20.Dg2 Sf4 ( 20...Lxe4 21.Th8+! Lxh8 22.Dh2 mit erneut undeckbarem Matt.) 21.Dh2 Sh5 22.Sg3 Dc8 23.Se1 Td8 24.Sxh5 gxh5 25.Txh5 Kf8 26.f3+/= und Schwarz bleibt im Spiel. ( 26.Th8+?! ist dagegen zu wild: 26...Ke7 ( Bloß nicht 26...Lxh8?? 27.Dxh8+ Ke7 28.Df6+ Kf8 29.Th8# ) 27.Txd8 Dxd8 und plötzlich muss sich eher Weiß sorgen.) ] 19.Th8+!! Ein geniales Turmopfer, das man übersehen kann. 19...Lxh8 20.Txh8+! Kxh8 21.Dh1+ Damit eröffnet sich der tiefe Zweck von Df1. Die Dame plante den Schwenk auf die h-Linie mit einem Schach. 21...Sh7 [ 21...Kg8 22.Sf6+ Dxf6 23.gxf6 Tc6 24.Lxf5 Txf6 ( 24...gxf5 25.Dh6 ) 25.Le4 b5 26.De1 reicht Richter ebenfalls zum Sieg.] 22.Sf6 Kg7 23.Dh6+ Verhindert die Flucht via f8, weshalb der Nachziehende wegen des Matts im nächsten Zug aufgab. [ 23.Dh6+ Kh8 24.Dxh7# ] 1-0



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