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Abschied vom liebenswürdigen Smyslow

Siebter Schach-Weltmeister stirbt kurz nach seinem 89. Geburtstag

von FM Hartmut Metz, 2. April 2010

 

Der Schachsport hat seinen Grandseigneur verloren: Vergangenen Samstag starb Wassili Smyslow drei Tage nach seinem 89. Geburtstag. Der beliebte Moskauer gehört zu den Größten aller Zeiten auf den 64 Feldern. Mit 17 deutete er bereits sein enormes Talent an, denn er gewann 1938 die Stadtmeisterschaft der Metropole. Als mit dem WM-Turnier 1948 der Nachfolger des verstorbenen Weltmeisters Alexander Aljechin gesucht wurde, belegte Smyslow hinter Michail Botwinnik den zweiten Platz.

Sein sowjetischer Landsmann sollte die nächste Dekade der größte Widersacher bleiben. Nachdem sich Smyslow beim legendären Kandidatenturnier von Zürich 1953 durchsetzte, traf er das Jahr darauf erneut auf Botwinnik. Trotz brillanter Siege konnte der ungeachtet aller Repressalien gläubige Christ dem sowjetischen Schach-Übervater die WM-Krone nicht entreißen. Ein 12:12 genügte dem Titelverteidiger. Beim zweiten Anlauf 1957 demontierte Smyslow jedoch endlich Botwinnik - da diesem aber ein Revancherecht zustand, holte sich Letzterer die Weltmeisterschaft zurück. "In diesem kurzen Zeitraum eine Höchstleistung zu wiederholen, war in psychologischer Hinsicht äußerst schwer", analysierte der stets liebenswürdige Großmeister die 10,5:12,5-Niederlage.

Bereits im ersten WM-Finale gelangen Smyslow zwei brillante Erfolge. Zuerst sein Damenopfer aus der neunten Runde.











Smyslow,W - Botwinnik,M [C18]
20.WM Moskau (UdSSR), 03.04.1954

1.e4 e6 Michail Botwinnik gilt als einer der größten Französisch-Spieler aller Zeiten. 2.d4 d5 3.Sc3 Lb4 4.e5 c5 5.a3 La5 6.b4 cxd4 7.Dg4 Se7 8.bxa5 [ 8.Sb5 ist ebenfalls interessant: 8...Lc7 9.Dxg7 ( oder 9.f4 0-0 10.Sf3 ) 9...Tg8 10.Dxh7 a6 11.Sxd4 Lxe5 12.Sgf3 Lf6= ] 8...dxc3 9.Dxg7 Tg8 10.Dxh7 Sd7 11.Sf3 Sf8 12.Dd3 Dxa5 13.h4 Ld7 14.Lg5 Tc8 15.Sd4 Sf5?! Das mutet komisch an. Zum einen zerstört es die schwarze Bauernformation, zum anderen wird der Läufer auf g5 dadurch bald gefährlicher. Vermutlich hat Botwinnik sein aktives Spiel überschätzt. 16.Tb1!? [ 16.Sxf5 exf5 17.Td1 Se6 18.Dxd5 Dxd5 19.Txd5 Sxg5 20.hxg5 f4! verspricht Weiß ein kleines Plus.] 16...Tc4? [ 16...b6 ist Pflicht.] 17.Sxf5 exf5 18.Txb7! Te4+ 19.Dxe4!! Das Damenopfer hatte Botwinnik wohl nicht bedacht, als er sich auf dieses Abspiel einließ. 19...dxe4 20.Tb8+ Lc8 21.Lb5+! Erzwingt die Rückgabe der Dame. 21...Dxb5 22.Txb5 Se6 23.Lf6 Txg2 24.h5 La6 25.h6! [ 25.h6 Botwinnik gab angesichts von 25...Lxb5 ( 25...Tg8 26.Tb8+ ; 25...Sf8 26.Td5 Se6 27.h7 ) 26.h7 mit Umwandlung des Bauern zu einer neuen Dame auf.] 1-0



Botwinnik wurde auch in der 14. Partie vorgeführt.











Botwinnik,M - Smyslow,W [E68]
20. WM Moscow URS, 15.04.1954

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.g3 Lg7 4.Lg2 0-0 5.Sc3 d6 6.Sf3 Sbd7 7.0-0 e5 8.e4 c6 9.Le3 Sg4 10.Lg5 Db6!N 1954 war das eröffnungstheoretisch ein neuer Zug. 11.h3 exd4! 12.Sa4 Da6 13.hxg4 b5 Damit gewinnt Schwarz den soeben geopferten Springer wieder zurück, weil es dem Schimmel an Rückzugsmöglichkeiten mangelt. 14.Sxd4 [ Knapp vier Jahrzehnte später geriet Schwarz nach 14.Le7! eher in Schwierigkeiten: 14...Te8 15.Lxd6 bxa4 16.e5! mit leichtem Vorteil für Weiß.] 14...bxa4 15.Sxc6!? Dxc6! Schwarz scheut nicht die daraus resultierenden Verwicklungen. 16.e5 Dxc4 17.Lxa8 Sxe5© Die Stellung ist ausgeglichen. Für die Qualität erhält Schwarz aktives Figurenspiel. 18.Tc1 [ 18.Dxd6 Le6!?© wurde später in vielen Partien erprobt.] 18...Db4!? 19.a3 [ 19.Ld5? erweist sich als schwach: 19...Lxg4 20.Dd2 Dxd2 21.Lxd2 Lf3! 22.Lc4 ( 22.Lxf3? Sxf3+ 23.Kg2 Sxd2 ) 22...Tb8! ( 22...Sxc4 23.Txc4 a3 24.b3 Le2 25.Ta4 Lxf1 26.Kxf1 Ta8 27.Txa3 Ld4 28.Ta6 Lb6 sollte ausgeglichen sein.) 23.b4!? Sxc4 24.Txc4 Le2 25.Tc6 Lxf1 26.Kxf1 d5 27.Ta6 Ld4 28.Txa4 Lb6 29.Ta3 Tc8 30.Td3 d4 31.a4 a6 mit schwarzem Mehrbauern.; Der 13. Weltmeister Garri Kasparow analysierte 19.Le7!? Lxg4 20.Lxd6! Db6! 21.Dd5~~ mit unklarem Spiel.] 19...Dxb2 20.Dxa4?! [ 20.Dxd6 oder; 20.Le4 Dxa3 21.Ta1 Db2 22.Txa4= sind besser.] 20...Lb7 21.Tb1? [ 21.Lxb7 muss geschehen. 21...Dxb7 22.Tc3!=/+ Sf3+ 23.Txf3 Dxf3 24.Le7 Tc8 25.Lxd6 führt zum Remis.] 21...Sf3+ 22.Kh1 Lxa8!! 23.Txb2 Sxg5+ 24.Kh2 Sf3+! [ Verhindert 24...Lxb2? 25.f4 , wonach es Weiß leichter hat mit der Verteidigung.] 25.Kh3 Lxb2 26.Dxa7 Le4-+ Die drei gut koordinierten Leichtfiguren sind stärker als die Dame, zumal der weiße König allein auf h3 sicher steht. 27.a4 Kg7 28.Td1 Le5 29.De7 Tc8 30.a5 Tc2 31.Kg2 [ 31.Da7 d5 32.a6 d4 33.Kg2 d3 34.Tf1 Ld4 35.De7 Sg5+ 36.Kg1 Txf2! 37.Txf2 d2! ändert nichts am Resultat.] 31...Sd4+ 32.Kf1 Lf3 33.Tb1 Sc6 Da der a-Bauer als einziger Trumpf verloren geht und der Druck auf f2 nach Ld4 zu stark wird, gab Botwinnik auf. 0-1



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