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Israelischer Brett-"Rambo" hält 523 Gegner in Schach

Alik Gerschon stellt in Tel Aviv neuen Simultan-Weltrekord auf

von FM Hartmut Metz, 30. Oktober 2010

 

Den Kampf mit 523 Gegnern gleichzeitig aufzunehmen und niederzumetzeln? Das schafft nur Sylvester Stallone als "Rambo" - oder ein Schach-Großmeister bei einem Simultan. Alik Gerschon stellte vor neun Tagen in Tel Aviv einen neuen Weltrekord auf. Der Israeli trat gegen 523 Kontrahenten an. Um ins "Guinness-Buch der Rekorde" zu gelangen musste der 30-Jährige eine Gewinnquote von mindestens 80 Prozent aufweisen. Nach 18 Stunden und 30 Minuten gab der letzte Rivale auf, und Gerschon hatte seinen 454. Sieg (86,8 Prozent) verbucht. 58 Unentschieden erhöhten die Ausbeute auf 483:40 Zähler. In nur elf Partien gab der zweimalige Junioren-Weltmeister auf.

Bis dato hatte Mortesa Mahjoob die Bestleistung gehalten. Im Sommer 2009 fanden sich 500 Spieler, die in Teheran gegen den iranischen Großmeister antraten. Für Gerschon bestand keinerlei Zweifel, dass er ins Guinness-Buch Einzug hält: "Entweder als der Rekordbrecher oder als erster Mensch, der während einer Simultanvorstellung tot umfällt", ulkte der 30-Jährige vor dem langen Marsch durch das Bretter-Quadrat, bei dem der Spieler zig Kilometer laufen muss. Um auch bei feuchtschwülen Temperaturen von über 30 Grad für die körperliche Tortur gewappnet zu sein, forcierte Gerschon fast ein Vierteljahr lang sein Fitnessprogramm.

Nach achteinhalb Stunden kam er dennoch an einem toten Punkt an. "Es stand 190:1. Der Rest war gegen starke Gegner", rekapitulierte der Israeli, der sich unter anderem mit 300 Schülern der Schachakademie seines Großmeister-Kollegen Boris Alterman maß. Gegen die Widersacher, die zwischen 5 und 84 Jahre alt waren, musste sich der ehemalige israelische Einzelmeister "immer mehr Zeit nehmen und mir unterliefen Fehler". Dank der nützlichen Tipps von Alterman in einer der erlaubten kurzen Pausen beschleunigte Gerschon jedoch wieder das Runden-Tempo, indem er auch schwierige Stellungen aufgab. So kassierte der 15-jährige Jonathan Amir als erster Gewinner einen 10 000-Schekel-Gutschein (rund 2 000 Euro) für eine Schachschule. Nach einem weiteren "Durchhänger nach 13 Stunden", erreichte der neue Rekordhalter aber die erforderliche Zahl an Gewinnpartien und verbuchte nach 16 Stunden 420 Siege.

Das Simultan war für den Denksport nicht nur ein großer medialer Erfolg - auch politisch überwand das königliche Spiel Schranken: Araber aus Tira mischten ebenfalls mit wie Palästinenser aus Ost-Jerusalem. Nach dem letzten Zug morgens um sechs Uhr kündigte Gerschon frohgemut den nächsten "Rekord fürs Guinness-Buch an: den fürs Schlafen"! Etwas aufgeweckter agierte der Israeli beim Turnier auf den Bermudas anno 2003. Gegen Alexander Schabalow musste er kaum nachdenken - sondern einfach eine hübsche Eröffnungsfalle herunterspulen, die der starke Amerikaner nicht kannte.











Gerschon,A (2571) - Schabalow,A (2613) [D92]
Bermuda GMA, 29.01.2003

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 d5 4.Sf3 Lg7 5.Lf4 0-0 6.Tc1 c5 7.dxc5 dxc4 8.e4 Da5 9.e5 Td8 [ In Betracht kommt 9...Sh5 10.Le3 Td8 11.Sd2 Lxe5 12.Lxc4 Sc6 13.Db3 e6 14.Sf3 Lf4 15.0-0 Lxe3 16.fxe3 Dxc5 17.Se4 De7 18.g4© und eine Partie zwischen Alexej Drejew und Wadim Swagintsew endete vor zehn Jahren mit einer Friedensofferte.] 10.Ld2 Sg4 11.Lxc4 Dxc5 [ Möglich ist auch das Qualitätsopfer 11...Sc6 12.Sb5 Txd2!? 13.Dxd2 Sgxe5 14.Dxa5 Sxf3+ 15.gxf3 Sxa5 und dank der schwachen weißen Bauern hat Schwarz gewisse Kompensation. Weiß steht allerdings leicht besser. ] 12.Se4 Db6 13.Lxf7+ Hübsch anzusehen - aber noch alles bekannt! 13...Kxf7 14.Sfg5+ [ Der einstige Weltmeister Tigran Petrosjan hatte das Läuferopfer bereits 1962 auf Curaçao gegen Pal Benkö gezogen! Der Amerikaner verteidigte sich aber besser als sein Landsmann Schabalow. 14.Txc8 Eine unwesentliche Zugumstellung im Vergleich zur Partie. 14...Txc8 15.Sfg5+ Kg8! Der Knackpunkt - Schabalow kannte diese Fortsetzung offensichtlich nicht. 16.Dxg4 Dc6! ( 16...Sa6? Peter Lukacs gewann danach zweimal schnell gegen Berndt (1999 bei der österreichischen Meisterschaft) und das Jahr darauf in Budapest gegen Szeberenyi! 17.Sd6! Schwarz hat keine Verteidigung mehr gegen das berühmte erstickte Matt. Ein Beispiel: 17...exd6 18.De6+ Kh8 19.Sf7+ Kg8 20.Sh6+ Kh8 21.Dg8+ Txg8 22.Sf7# ) 17.Sd6 Dd7 ( 17...exd6?? endet wieder genauso.) 18.Dxd7 Sxd7 19.Sxc8 Txc8 20.f4 Tc2 21.Ke2 Lh6 22.Sf3 Txb2 ( Nur nicht 22...Lxf4? 23.Kd3 ) 23.g3 g5 mit Remisschluss zwischen Petrosjan und Benkö.] 14...Ke8? [ Wie erwähnt, ist 14...Kg8! Pflicht.] 15.Txc8 Txc8 [ 15...Sxe5 16.Txd8+ Dxd8 17.Se6 Sd3+ 18.Kf1+- kostet den Läufer auf g7.] 16.Dxg4 Sd7 [ 16...Dc6 17.Sd6+ exd6 18.De6+ Kd8 19.exd6+- und Schwarz kann sich nicht mehr vernünftig gegen Sf7 matt wehren.] 17.Sd6+! Schabalow gab auf. Zwei Züge mehr ließ sich Röder 1999 in Gelsenkirchen das Ende gegen Rusele zeigen: [ 17.Sd6+ exd6 18.De6+ Kd8 19.exd6 1:0, denn allein 19...Tc1+ verhindert das Matt, aber nicht die Niederlage: 20.Lxc1 Da5+ 21.Ld2 De5+ 22.Kd1 Dxe6 23.Sxe6+ Ke8 24.Sxg7+ Kf7 25.Te1 und der Anziehende behält die Mehrfigur.] 1-0



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