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Topalows Sekundanten sind keine Schlafmützen

Bulgare gelingt Ausgleich zum 4:4 und nimmt Schach-Weltmeister Anand das Ruder aus der Hand

von FM Hartmut Metz, 7. Mai 2010

 

Wesselin Topalow hat bei der Schach-Weltmeisterschaft in Sofia nicht nur den Ausgleich zum 4:4 geschafft. Der einheimische Bulgare scheint auch das Ruder von Titelverteidiger Viswanathan Anand übernommen zu haben. "Das Match ist sehr schwierig", räumte der Inder nach seiner zweiten Schlappe enttäuscht ein. Dominierte der 40-Jährige die erste Hälfte des über zwölf Partien gehenden Duells, gibt nun Topalow im Kampf um die 1,2 Millionen Euro Siegprämie die Schlagzahl vor.

In der achten Partie konnte der Herausforderer zwar keinen überwältigenden Angriff wie bei seinem Auftakt-Sieg inszenieren. Doch permanent erhöhte der Weltranglistenzweite den Druck. Nach einem geschickten weißen Zwischenmanöver büßte Anand einen Bauern ein. Dennoch verteidigte sich der "Tiger von Madras" zäh. Nach fast fünf Stunden unterlief ihm allerdings in einem Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern, das meist ein Unentschieden verspricht, ein kapitaler Schnitzer. Nach dem schwachen Läufermanöver im 54. Zug streckte der Inder zwei Züge später die Waffen. "Das Endspiel befand sich nahe am Remis - aber ich sah nie, wie ich es halten konnte", tröstete sich Anand. Sein Bezwinger assistierte: "100-prozentig sicher war ich mir nicht, dass ich gewinne. Ich entdeckte aber auch keinen Remisweg für Schwarz." Nachdem Anand endlich die Hand zum Zeichen der Aufgabe über das Brett gereicht hatte, zeigte sich Topalow erleichtert. "Ich bin glücklich, dass ich nach all den vorher vergebenen Chancen endlich mal meinen Vorteil in einen Sieg ummünzte."

Noch mehr als mit dem Ausgleich zum 4:4 hatte der 35-Jährige tags zuvor in Runde sieben beeindruckt - obwohl am Schluss Anand dem Friedensschluss auswich und nach Möglichkeiten suchte, den vermutlich vorentscheidenden K.o.-Schlag zum 4,5:2,5 zu landen. Nachdem der Inder permanent die bessere Eröffnungsvorbereitung gezeigt hatte, bewies nun der Bulgare, dass seine Sekundanten auch keine Schlafmützen sind. Topalow präsentierte eine brillante Opferkaskade, die sein Landsmann Iwan Tscheparinow ausgearbeitet hatte und dafür von seinem Chef ein Extralob gezollt bekam. Jeweils zwei Stunden Bedenkzeit stehen den beiden Großmeistern für ihre 40 Züge zur Verfügung - der "Bulldozer von Salamanca" spulte indes die erste Hälfte in nur drei Minuten herunter! Obwohl Anand die weißen Steine führte, musste der Weltranglistenvierte mehr als eine Stunde investieren, um die schwarze Attacke zu entschärfen. Erst mit Zug 21 war Topalow aus seiner Vorbereitung gebracht. Anand vermochte jedoch aus der gewonnenen Figur kein Kapital zu schlagen. Topalow verteidigte nach den zwei Schwarz-Niederlagen zu Beginn des Zweikampfs das zweite Remis in Folge - ein psychologischer Sieg, auch für seine Sekundanten Tscheparinow und die beiden Holländer Jan Smeets und Erwin L'Ami.

Gleichzeitig spielte auch die Schach-Politik im Militärklub eine Rolle: Erst wurde Florencio Campomanes mit einer Schweigeminute gedacht. Der Ehrenpräsident des Schach-Weltverbandes FIDE starb mit 83 Jahren. Mit dem Filipino hielten Korruption und Günstlingswirtschaft Einzug in einen der größten Sportverbände der Welt mit rund 200 Mitgliedsföderationen. Anatoli Karpow vermied derlei Kritik in Sofia, obwohl Campomanes seinen Mammut-WM-Kampf 1985 gegen Garri Kasparow bei einer 5:3-Führung nach 48 Partien abgebrochen hatte. Lieber pries der Russe "die Bemühungen von 1972 bis 1978, ein Match zwischen mir und Bobby Fischer zu ermöglichen. Das hätte den bis heute gültigen Rekordpreisfonds von fünf Millionen Dollar aufgewiesen". Karpow führte den ersten Zug für Anand aus und erzählte anschließend am Rande der WM, warum ihn die Delegierten im Herbst zum FIDE-Präsidenten wählen sollten. Dem 58-jährigen Ex-Weltmeister werden indes geringe Aussichten gegen den kalmückischen Amtsinhaber Kirsan Iljumschinow eingeräumt.

http://www.anand-topalov.com/


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