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US-Rüpel lernt Manieren und Eröffnungen

Großmäuliger Großmeister Nakamura gibt sich nach größtem Erfolg geläutert / Sieg mit Hüpforgie gefeiert

von FM Hartmut Metz, 5. Februar 2011

 

"Ich bin im Hotelzimmer auf und ab gehüpft. Ich war so glücklich", gesteht Hikaru Nakamura seinen Gefühlsausbruch, nachdem er bei der Live-Übertragung im Web sah, dass Viswanathan Anand (Indien) seine letzte Partie im nahen Spielsaal auch nur "unerwartet" remisierte.

So blieb der US-Amerikaner beim stärksten Schachwettbewerb des Jahres in Wijk aan Zee nach 13 Runden mit 9 Punkten einen halben Zähler vor dem ungeschlagenen Weltmeister, dem Weltranglistenersten Magnus Carlsen (Norwegen), dem -dritten Lewon Aronjan (Armenien/beide 8) sowie -vierten Wladimir Kramnik (Russland/7,5). "Es ist immer schön, ein Turnier zu gewinnen - aber bei einem Elitewettbewerb wie diesem vorne zu sein, das ist etwas ganz Anderes", ordnete Nakamura seinen größten Erfolg ein und schob nach, "ich weiß gar nicht, wann ein Amerikaner zuletzt bei solch einem ,Major'-Turnier vorne lag."

Es dürfte wohl der legendäre Bobby Fischer gewesen sein, der vor seinem Rückzug als Weltmeister 1972 dermaßen triumphierte. Bis dato schien Nakamura nur bei seinem rüpelhaften Verhalten in die großen Fußstapfen des besten Spielers aller Zeiten treten zu können. Schachlich blieb der US-Rowdy dies jedoch schuldig. Zwar galt der 23-Jährige als bester "Bulletspieler" im Internet, aber die Zockerei mit lediglich einer Minute Bedenkzeit für die gesamte Partie genießt unter Topprofis eher einen zweifelhaften Ruf - passte indes zu Nakamuras schlechtem Image.

Als Provokation zog der in Hirakata als Sohn eines Japaners und einer Amerikanerin geborene Großmeister nach dem Aufzug der beiden Königsbauern mit Weiß gerne die Dame auf das Feld h5 - nur ein Anfänger versucht so primitiv das Schäfermatt. Bestrafte ihn dafür ein Rivale, musste dieser mit üblen Beschimpfungen durch das Großmaul rechnen. Schon eher harmlos klang es, als Nakamura in Moskau nach seiner Schlappe gegen Alexander Grischuk dem Russen androhte, ihn bei der folgenden Blitz-WM wie ein "Baby zu verdreschen", berichtet die Webseite www.schach-welt.de.

Nach seinem größten Erfolg an der niederländischen Küste gelobte Nakamura, Manieren und Eröffnungen gelernt zu haben. "Meine Art, wie ich Schach spiele, hat sich geändert. Ich wurde seriöser: Kein Damenzug nach h5 mehr, keine verrückten Eröffnungen mehr!", versprach der Großmeister und sieht sich auf dem richtigen Weg. "Meine Ergebnisse wurden besser und kann ich hoffentlich weiter steigern." Kletterte der Weltranglistenzehnte zuletzt schon steil nach oben, langt er nach Wijk aan Zee auf Platz sieben an. Und in die Top vier mit einer Weltranglistenzahl von 2 800 Elo will Nakamura "bis zum Jahresende" stürmen. Unter den Türmen der Stahlkocher in Wijk aan Zee ließ er die vier schärfsten Rivalen bereits hinter sich.

Nur nach seiner einzigen Schlappe gegen den diesmal zu wechselhaft agierenden Jungstar Carlsen brach das alte Temperament bei Nakamura etwas durch. "Heute hätte ich ziemlich sicher gegen jeden und jede Eröffnung übel verloren", fiel der angeblich Geläuterte in alten Jargon zurück und setzte seinen 20-jährigen Bezwinger herab. Bleibt es dagegen bei für ihn halbwegs moderaten Formulierungen und Hüpforgien im Hotelzimmer, dürfte Nakamura künftig häufiger nach einem Turniersieg ein "Yessssssssssss!!!!!!!!!!!!" via Twitter versenden.

Nachstehend Nakamuras einziges wie hübsch zu betrachtendes Ärgernis aus der achten Runde.











Carlsen,M (2814) - Nakamura,H (2751) [B92]
73rd Tata Steel A-Turnier Wijk aan Zee, 23.01.2011

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Le2 e5 7.Sb3 Le7 8.Le3 0-0 9.g4 Weiß zögert nicht lange und rollt gleich mit den Königsbauern an. 9...Le6 10.g5 Sfd7 11.h4 Sb6 12.Dd2 S8d7 13.f4!? [ 13.0-0-0 war die bisher gängigere Fortsetzung.] 13...exf4 14.Lxf4 Se5 15.0-0-0 Tc8 16.Kb1 Dc7 [ 16...Sbc4 17.Lxc4 Txc4 geschah vier Jahre zuvor im B-Turnier von Wijk aan Zee zwischen Daniel Stellwagen und Maxime Vachier-Lagrave. 18.Sd4 Dc8 19.Sd5 Lxd5 20.Sf5 Te8 21.Dxd5 Lf8 22.h5 Txc2 23.g6 Tc5~~ ] 17.h5!N Die Neuerung. 17...Tfe8?! Das gewährt Weiß wohl leichten Vorteil. Aktiver scheint [ 17...Sbc4 18.Lxc4 Sxc4 19.Dd3 Sa3+ 20.Kc1 Dc4 21.Dd2! Tfd8 mit unklarer Stellung.] 18.Ka1 Lf8 19.Sd4 Dc5 20.g6! Carlsen setzt den Standardhebel an. 20...Sec4 21.Lxc4 Sxc4 22.Dd3!? fxg6?! Den Zug kritisieren Kommentatoren wie der ukrainische Großmeister Michail Golubew. Bessere Verteidigungsmöglichkeiten biete [ 22...h6!? , wonach der König nicht so offen stünde.] 23.hxg6 [ Die Alternative 23.Sxe6 Txe6 24.Dh3! Tce8 25.hxg6 h6 26.Thg1 Db4 27.Lc1+/- gibt Weiß vorteilhaftes Spiel.] 23...h6 24.Dg3 Db6 25.Lc1!+/- Da5 [ 25...Se5 26.Sd5! ] 26.Tdf1 Se5 [ 26...Sxb2 widerlegt der Anziehende mit 27.Sxe6!+- ( bloß nicht 27.Lxb2?? Txc3 28.Dxc3 Dxa2# ) 27...Txc3 28.Df2 Sc4 29.Dxf8+ Txf8 30.Txf8# ] 27.Sd5! Lxd5 28.exd5 Dxd5?! Nakamura steht bereits schwierig, jetzt geht's aber rasch zu Ende. 29.Lxh6!! gxh6 30.g7! Le7 31.Txh6 Sf7 32.Dg6! [ 32.Th8+ scheitert leider, weil nach 32...Sxh8 33.gxh8D+ Kxh8 34.Th1+ durch die Dame auf d5 verhindert wird.] 32...Sxh6 33.Dxh6 Nach dem Turmopfer gibt es kein Entrinnen mehr für Schwarz. 33...Lf6 34.Dh8+ Kf7 35.g8D+ [ Voreilig ist 35.Txf6+? Ke7 36.Dh4 Kd7 und Nakamura lebt wieder.] 35...Txg8 36.Dxf6+ Ke8 37.Te1+ [ 37.Te1+ De5 ( 37...Kd7 38.De7# ) 38.Txe5+ dxe5 39.De6+ Kd8 ( 39...Kf8 40.Dxc8+ ) 40.Dxg8+ ] 1-0



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