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Mit Handy auf dem Klo beschissen

Christoph Natsidis wird bei deutscher Meisterschaft disqualifiziert

von FM Hartmut Metz, 14. Juli 2011

 

Igor Khenkin und Sarah Hoolt heißen die neuen deutschen Einzelmeister im Schach. Doch in Bonn bestimmten weder der Wiesbadener noch die Essenerin die Schlagzeilen. Bis zur achten Runde schien der an Position 18 im 34er-Feld gesetzte Christoph Natsidis sportlich auf sich aufmerksam zu machen. Der sächsische Meister ertrotzte gegen Khenkin ein respektables Remis und hatte mit 5:3 Zählern bereits eine Norm zum Internationalen-Meister-Titel sicher. Doch die zweithöchste Stufe hinter der eines Großmeisters schien dem 23-Jährigen nicht genug - und schaffte es damit sogar in die Online-Ausgabe der "New York Times"!

Der Spieler aus Bannewitz (bei Dresden) verschwand während seiner letzten Partie auffällig oft für "acht bis zehn Minuten" vom Brett gen Toiletten. Beschiss witterte deshalb sein gewitzter Kontrahent Sebastian Siebrecht. Der Verdacht, dass Natsidis ein Schachprogramm auf seinem Smartphone zu Rate zog, bestätigte sich. Der Schiedsrichter entdeckte die Stellung auf dem Handy. Partieverlust und sofortige Disqualifikation waren die Folge. Der Betrüger soll laut mehreren Webseiten-Berichten geständig gewesen sein.

Die Aberkennung seiner Norm war die nächste Sanktion, über weitere muss der Deutsche Schachbund befinden. In Frankreich war der Verband knallhart gegen Großmeister Sébastien Feller vorgegangen, der mit zwei Helfern ebenfalls betrogen haben soll und deshalb gesperrt wurde. Da die kleinen Schach-Programme auf den Smartphones immer stärker werden, dürfte die Versuchung wachsen, sich damit Vorteile zu verschaffen. Es wurden bereits Rufe laut, sämtliche mobilen Gerätschaften vor dem Turniersaal abgeben zu müssen. Bis dato hatten lediglich klingelnde Handys den Partieverlust zur Folge.

Unterschiedlich verliefen die Turniere für die neuen Meister: Sarah Hoolt startete mit 1,5:1,5 Punkten miserabel. Die Topfavoritin von den SF Katernberg gewann dann aber die restlichen sechs Begegnungen und überflügelte so noch die Eppingerin Alisa Frey (7:2). Von der Spitze weg agierte Khenkin. Nach drei Siegen schaltete der 43-Jährige aber wie gewohnt auf Remisieren um. Kostete den Wiesbadener das noch im Vorjahr hauchdünn den Titel, reichte es diesmal ganz knapp. Mit 6,5:2,5 Punkten blieb er dank der Feinwertung vor Jan Gustafsson (OSG Baden-Baden). Einen halben Zähler dahinter folgten Daniel Fridmann (Mülheim-Nord), Rainer Buhmann vom Bundesliga-Aufsteiger Hockenheim und Oswald Gschnitzer vom Zweitligisten SG Heidelberg-Kirchheim.

In der sechsten Runde trumpfte Niclas Huschenbeth groß auf. Im spektakulären Duell der früheren Vereinskameraden beim Hamburger SK begrub der Überraschungsmeister von 2010, der diesmal Siebter wurde, die Hoffnungen von Mitfavorit Gustafsson.











Huschenbeth,N (2502) - Gustafsson,J (2646) [C51]
82. Deutsche Einzelmeisterschaft Bonn, 31.05.2011

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 4.b4!? Wie schon einst der Weltranglistenerste Garri Kasparow wagt Huschenbeth als Überraschungswaffe das alte Evans-Gambit. 4...Lxb4 5.c3 Le7 6.d4 Sa5 7.Le2!? [ 7.Sxe5 Sxc4 8.Sxc4 d5 9.exd5 Dxd5 10.Se3 Da5 11.0-0 Sf6 12.c4 0-0 13.Lb2 Dg5 So spielte Gustafsson in einer Partie 2008. 14.f4 Dg6 15.Sc3 c6 16.Df3 Te8 17.f5 Dg5 18.Tae1 Ld6 19.g3 Ld7 20.Te2 Te7? 21.c5! Lc7 22.Lc1! Dh5 23.Sed5+- und die Partie Golubew - Korchow (Odessa 1986) endete mit einem weißen Sieg.] 7...exd4 8.Dxd4! Der Zug wirkt seltsam, ist jedoch seit dem Sieg von Garri Kasparow über Viswanathan Anand in Riga 1995 populär. [ 8.cxd4 ist natürlicher und setzt auf ein starkes Zentrum, das den geopferten Bauern kompensieren soll.] 8...d5!? Anand spielte vor 16 Jahren [ 8...Sf6 9.e5 Sc6 10.Dh4 Sd5 11.Dg3 g6 12.0-0 Sb6 13.c4 d6 14.Td1 Sd7 15.Lh6 Scxe5 16.Sxe5 Sxe5 17.Sc3 f6 18.c5 Sf7? 19.cxd6 cxd6 20.De3 Sxh6 21.Dxh6 Lf8 22.De3+ Kf7 23.Sd5 Le6 24.Sf4 De7 25.Te1 1:0.] 9.Dxg7 [ 9.exd5 Sf6 verspricht Schwarz Ausgleich.] 9...Lf6 10.Dg3 dxe4 11.Sd4 Se7N Die Computer-Empfehlung dürfte Gustafsson vorbereitet haben. 12.Sb5 Sd5 13.c4!! Ein beachtlicher Zug, mit dem man als Gegner kaum rechnet. Weiß stellt den Turm auf a1 ein - erhält dafür aber den Springer auf d5 und droht hernach auf c7 mit dem Springer einzusteigen. 13...a6! [ 13...Lxa1? 14.cxd5 kann sich Schwarz nicht leisten wegen der Springergabel auf c7.] 14.cxd5 axb5 15.Sc3+/= Weiß verfügt nun über etwas Vorteil, da er seine Figuren leichter ins Spiel bringen kann. 15...Dd6? [ 15...b4? 16.Sb5 Lxa1 17.Sxc7+ Ke7 18.0-0 macht wiederum nur dem Anziehenden Spaß.; Deshalb sollte Schwarz zu 15...De7! greifen. 16.Sxb5 Le5 17.Lf4 Db4+ 18.Kf1 Lxa1 19.Sxc7+ Kd7 20.Dg4+ Ke7 21.Dh4+ Lf6 ( Bei 21...f6 gewinnt 22.d6+ Kd8 23.g3 Tb8 24.Sd5 Dc5 25.Sxf6 Lh3+ 26.Kg1! Lxf6 27.Dxf6+ Kd7 28.a4! Tbe8 29.Lb5+ Kc8 30.Dg7 Td8 31.d7+ Lxd7 32.Lxd7+ Txd7 33.Dxh8+ Td8 34.Dxh7 ) 22.d6+ Kd7 23.Dh5! Db1+ 24.Ld1 Kd8 25.Sxa8 Sc4 26.h3 Se5 27.Lxe5 Db5+ 28.De2 Dxe5 29.g3 Ld7 30.Sb6 Lb5 31.Sc4 Dc3 32.Lb3 mit Ausgleich.] 16.Lf4! Db4 17.Le5 Deckt den Springer auf c3 und geht bald zum Angriff über. 17...De7 Alle anderen Züge sind noch schlechter. 18.Lxf6 Dxf6 19.0-0+- Weiß hat endlich seinen König aus der Gefahrenzone gebracht und den Turm auf a1 gedeckt. Somit droht der Springer von c3 aus entscheidend ins Geschehen einzugreifen. Schwarz kann das nicht mehr vernünftig verhindern. 19...Ld7 [ 19...Lf5 20.Sxb5 ] 20.Sxe4 Dd4 21.Df4 Kd8 22.Tac1 Sc4 23.Lxc4 bxc4 24.Txc4! Das gewinnt am einfachsten wie hübschesten. 24...Dxc4 25.Df6+ Ke8 26.Te1 Tf8! Gustafsson beweist Humor, beendet sein Leiden und gönnt seinem Gegner ein hübsches Doppelschach samt dem Matt. 27.Sd6# 1-0



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