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Die "Unsterbliche Partie"

Buchcover blamiert Schachspieler Helmut Schmidt und Peer Steinbrück

von FM Hartmut Metz, 5. November 2011

 

Fehler sind dazu da, um gemacht zu werden!" Der philosophisch angehauchte Großmeister Savielly Tartakower hätte stets eine gute Figur als Berater abgegeben - etwa als einer von Politikern. Nur seine feine Ironie wäre aktuell kaum sonderlich gefragt bei Peer Steinbrück und Helmut Schmidt. Nicht, weil der 1956 verstorbene Tartakower auch Namen wie Orang-Utan für eine affige Eröffnung prägte, sondern weil der Altkanzler und der Möchtegern-Zukunftskanzler plötzlich schmallippig geworden sind bezüglich des Spiels auf den 64 Feldern. Ein besonderes, ein Eckfeld, hat nämlich ihre über "Spiegel" und Günther Jauchs Talkshow lancierte Werbekampagne ins Gegenteil verkehrt.

"Zug um Zug" lautet ihr 320 Seiten starker Gesprächsband (24,99 Euro). Wie so viele, die gerne als große Denkstrategen gelten wollen, posierten Peer Steinbrück und Schmidt für das Buchcover am Brett. Dummerweise passierte ein Fauxpas, den das "Hamburger Abendblatt" scharfsichtig aufdeckte: Die beiden Sozis hatten den Schachtisch auf dem Umschlagbild um 90 Grad zu weit gedreht und somit rechts unten ein schwarzes statt ein weißes Feld liegen. Zeitnot beim Shooting mit den Politikern sorgte offenbar dafür, wie die Fotografin Ingrid von Kruse als Nicht-Schachspielerin offen einräumte.

Richtig durchdacht wirkt die Szene aber auch deshalb nicht, weil beide Spieler gleichzeitig ziehen. Etwas mehr Reflexion hätte man sich bei Schmidts "Kanzlerschaftsmentorenprogramm" für Steinbrück ("Er kann es!") doch gewünscht.

Oder war alles bei Schachbrett-Gate doch nur ein Symbol? Ein Symbol für die verkehrte Welt: aus Weiß wird Schwarz und Schwarz wird Weiß? Die Welt gerät aus den Fugen zwischen aus dem Nichts auftauchenden 55 Milliarden Euro und Euro-Krise ...

Immerhin kann man S&S zugutehalten, dass sie als durchaus versierte Hobbyspieler gelten; Steinbrück noch mehr als der 92-jährige Altkanzler, wirkte der ehemalige nordrhein-westfälische Landesvater doch schon beim alljährlichen Topturnier in Dortmund an der Seite von Ex-Weltmeister Wladimir Kramnik mit - 2012 dürfte er die Veranstaltung allerdings wohl eher meiden angesichts des sonst drohenden Spottes. Da hilft es auch wenig, dass in der "Zeit" Bilder vom selben Shooting auftauchten, auf denen der Schachtisch richtig steht. Steinbrück zeigte sich im "Spiegel" inzwischen genervt, dass es wohl "kein anderes Thema als ein bescheuertes Schachbrett" mehr gibt ...

Zweifel ob der schachspielenden Talente vieler Protagonisten gibt es aber nicht nur in der linken Politik, angefangen bei Lenin. Die von und zu Guttenbergs gerierten sich auch schon als Schach-Patzer. Oder müssen sie als "genial" gelten, weil Vater Enoch mit Sohnemann Karl-Theodor, seines Zeichens späterer schwarzer Wirtschafts- und Verteidigungsminister, anno 1996 auf einem Brett mit ausschließlich weißen Figuren agierten?

In Filmen ist es kaum besser: Während sich früher Regisseure hochkarätige Meisterspieler leisteten, um Humphrey Bogart in Kultstreifen wie "Casablanca" Schnitzer am Brett zu ersparen, wird heute gespart. Auf www.chess-in-the-cinema. de finden sich immer wieder stümperhafte Fehler ganz im Geiste Tartakowers. Harmlos sind da noch Streifen wie "Ace Ventura - Jetzt wird's wild" (1995) mit Jim Carrey. Als Ace mit dem Kanzler (!) redet, spielt dieser mit sich selbst Schach. In der nächsten Szene sind die Schachfiguren plötzlich verschwunden!

Weil von Schmidt und Steinbrück schon allein deshalb keine grandiosen Meisterwerke auf den 64 Feldern überliefert sein können, weil die Notation ja mit verdrehtem Brett erschwert ist, behelfen wir uns mit einer geistreichen Kombination von Jonathan Rowson. Der schottische Großmeister veröffentlichte das wertvolle Buch "Die sieben Todsünden des Schachspielers". Bei entsprechender Lektüre hätten der Alt- und der Vielleicht-Neukanzler damit gewiss ihre Todsünde vermieden.











Rowson,J (2415) - Preuss,F (2100) [A80]
18. Politiken Cup Kopenhagen, 1996

1.d4 f5 2.Lg5 d6 3.Sc3 h6 4.Ld2 Sf6 5.e4 fxe4 6.Sxe4 Lf5 7.Sg3 Lh7 8.Sf3 Sbd7 9.Lc4 d5 10.Ld3! Ein starker Zug: Weiß nimmt den isolierten Doppelbauern gerne in Kauf, da nun vor allem die weißen Felder im schwarzen Lager geschwächt werden. 10...Lxd3 11.cxd3 c6 12.0-0 Db6 13.b4 g5 14.Lc3 e6 15.De2 Kf7? [ Das Bauernopfer 15...0-0-0 ist Pflicht.] 16.Se5+! Sxe5 17.dxe5 Sd7 18.Dh5+ Kg7? [ 18...Ke7 erlaubt kein Matt in vier Zügen, so wie jetzt in der Partie. Weiß gewinnt aber ebenso nach 19.Sf5+ ] 19.Sf5+! Das führt in drei Zügen zum Matt. 19...exf5 20.e6+ [ 20.e6+ Kh7 21.Df7+ Lg7 22.Dxg7# ] 1-0



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