DWZ Plus von Patrick Karcher

Immer wieder die gleichen Fehler!

Ursachenforschung

von Patrick Karcher, 7. September 2011

Achtung - Risiko: Wenn Sie den folgenden Artikel lesen besteht das Risiko, dass Sie erfahren wie Sie ihre Spielstärke fundamental steigern können! Soweit noch nicht schlimm für Sie? Okay, aber noch eine Warnung: Es besteht die ernsthafte Gefahr, dass Sie entzaubert werden über die Fähigkeiten großartiger Schachspieler zu denen Sie heute noch respektvoll aufschauen! Falls Sie das nicht stört, lesen Sie ruhig weiter...

Kennen Sie das folgende Szenario nach der Lektüre eines neuen Schachbuches: Zuerst sind Sie hellauf begeistert als Sie von einer neuen Buchveröffentlichung erfahren und fackeln nicht lange, sondern schlagen direkt zu und kaufen das gute Stück. Schon die ersten Seiten fesseln ihre Sinne und gespannt lesen Sie weiter. Sie haben das Gefühl genau das richtige Buch gekauft zu haben und verstehen schnell viele neue Inhalte. Gerne möchten Sie direkt damit beginnen die Inhalte in die Praxis umzusetzen. Also ab zum Schachabend und es geht an die Anwendung des Erlernten!

Und was ist das Ergebnis? Ja, es scheint zu klappen. Sie spielen stärker, eine Partie, zwei Partien, drei Partien,... doch irgendwann kommt ein Punkt und es ist wie verhext - der erhoffte Erfolg bleibt plötzlich aus. Es funktioniert nicht mehr wie es soll; die Begeisterung schwindet. Sie sind im Unklaren woran es liegt. Vielleicht frustriert über die eigenen Fehler. Seien es alte Fehler, die sich wieder einstellen oder auch Grenzen, die Sie bei der Anwendung der neu erlernten Inhalte von ihrem Gegner aufgezeigt bekommen.

Nun, das scheint die Erfahrung vieler erwachsener Spieler zu sein. Sehr sehr schwer scheint es zu sein eigenes Spielstärkeniveau nachhaltig zu steigern. Jonathan Rowson thematisiert in in seinem Buch "Schach für Zebras" dieses Thema sehr ausführlich und zugänglich. Hier soll eine verkürzte Form über die Ursachen für diese allzu menschlichen Misserfolgserlebnisse dargestellt werden. Neben den Ursachen sollen hier auch jede Menge Lösungen aufgezeigt werden, wie Sie aus diesem Teufelskreis ein für allemal auszubrechen!

Zur Einstimmung lesen Sie bitte die folgenden zugegeben sehr provokanten Aussagen. Selbst wenn Sie nicht mit allen Aussagen übereinstimmen, können Sie hoffentlich ein paar Anregungen mitnehmen.

FALSCH Richtig (provokante Pauschalantwort)!

Die eigene Spielstärke ist hauptsächlich durch die eigene Intelligenz vorbestimmt Die eigene Spielstärke ist vor allem von den eigenen Denkgewohnheiten bestimmt und der Fähigkeit mit seinem Gefühlen umzugehen.

Mir passieren immer die gleichen Fehler. Ich sollte besser aufpassen diese typischen Fehler nicht mehr zu begehen Ihre Art über das Spielgeschehen nachzudenken hat Mängel (Lücken, falsche Annahmen, falsche Prioritäten)

Mein Gegner kannte sich besser in der Eröffnung aus... Das mag im Einzellfall stimmen. In der Regel verstand er einfach mehr vom Schachspielen, d.h. er hatte die bessere Art über das Spielgeschehen nachzudenken.

Mein schachliches Wissen ist noch nicht vollständig. Ich sollte noch mehr Wissen aneignen. Ihre Vorstellung vom Schachspiel hat Mängel. Sie sollten besser an ihren Mängeln arbeiten.

Mein schachliches Wissen ist noch nicht vollständig. Ich sollte noch mehr Wissen aneignen. Ihre Vorstellung vom Schachspiel hat Mängel. Sie sollten besser an ihren Mängeln arbeiten.

Ich sollte mehr Eröffnungstheorie lernen Sie sollten mehr Endspieltheorie lernen! Denn das Endspiel bietet die Chance das Zusammenwirken der Figuren zu lernen. Hier kann ein fast fehlerfreies Verständnis von Strukturen erreicht werden. Diese Strukturen helfen für ihr Schachverständnis und das Speichern von Strukturen.

Ich verbessere meine Spielstärke durch das Lesen von kommentierten Partien. Dort werden nur die richtigen Pläne gezeigt, aber nicht wie man darauf kommt und auch nicht wieso genau in dieser Stellung der vorgestellte Plan, der richtige Plan ist. Lösung: Stellungsanalyse.

Ich verbessere meine Spielstärke durch das Lesen von Schachbüchern Dadurch erhöhen Sie nicht fundamental ihre Spielstärke, bekommen aber immerhin neue Ideen. Leider lernen Sie dabei oft nicht diese umzusetzen.

In der Eröffnung geht es um die Figurenentwicklung, das Zentrum und die Königssicherheit. Ja, das haben Sie als Schachanfänger gelernt! Denken Sie immer noch auf diese Weise über die Eröffnung nach? Prima, dann haben wir jede Menge Potential zur Verbesserung ihrer Spielstärke erkannt!

Ich möchte spielen wie ein Spieler mit DWZ 2000 / ein Großmeister. Ich lerne deshalb die Themen A, B, und C (weil ich sie für wichtig halte; mir das ein Freund geraten hat). Ich möchte spielen wie ein Spieler mit DWZ 2000 / ein Großmeister. Deshalb lerne ich zu denken wie ein Spieler mit DWZ 2000 / Großmeister.

Die russischen Schachspieler sind intelligenter Viele russische Schachspieler haben von Anfang an mit professionellen Trainingsmethoden gelernt

Ich verbessere meine taktischen Fähigkeiten, indem ich Schach spiele Ich verbessere meine taktischen Fähigkeiten, indem ich die taktischen Grundlagen in einem Übungsbuch lerne und die Übungsaufgaben durcharbeite. Danach wende ich das Erlernte in der Turnierpraxis an

Ich verbessere meine Spielstärke, indem ich Partien starker Spieler beobachte Ich verbessere meine Spielstärke durch das Üben von Schachlektionen. Mein erlerntes Wissen wende ich gezielt an in Übungsaufgaben, in denen ich eine fundierte Stellungsanalyse mache. Danach vergleiche ich meine Lösung mit den Musterlösungen

Ich verstehe Schach als ein System starrer Regeln, an die ich mich halten muss. Ich kenne diese allgemeinen Schachregeln, bin aber willens anzuerkennen, dass in einer bestimmten Stellung eine Ausnahme vorliegt und ich einen Plan/Zug spielen kann der gegen bestimmte Regeln verspricht

Ich beurteile eine Stellung nach den Stellungskriterien von Steinitz Ich versuche die Größen "Zeit", "Material" und "besondere Stellungsmerkmale" gegeneinander zu gewichten. Oder: Ich versuche die dynamischen Faktoren der Stellung mit den statischen Faktoren zu vergleichen.

Was können Sie nun konkret tun um ihre Spielstärke zu erhöhen?

Die Aussagen oben ernst nehmen
Übungsbücher durcharbeiten, die Übungen durchführen und in der Spielpraxis anwenden

Versuch Erlebnis & Ergebnis Spielstärkesteigerung

Einfach nur Schachspielen Training des eigenen Denkmodells keiner (halten des eigenen maximalen Spielstärkelevels)

Partieanalyse Training des eigenen Denkmodells gering

Beobachten von Schachpartien Spannung, das Gefühl etwas zu lernen, das Gefühl mehr zu verstehen 0 - niente - gar nichts!

Das Lesen von Schachbüchern Viele neue Ideen, das Gefühl mehr zu verstehen +-0; neue Ideen, Verwirrung; theoretischer Zugewinn, der sich nicht in die Praxis umsetzen lässt

Das Durcharbeiten von Schachbüchern mit Übungsaufgaben Eine Menge Überwindung, Frustration, die Befürchtung das Thema nie zu verstehen und dann.... irgendwann.. der Durchbruch! Hoch!

Ein Beispiel wie sich eine konkrete Spielstärkesteigerung einstellen kann:

Vor der Übung: Sie hätten Schwierigkeiten gehabt eine bestimmte Stellung richtig einzuschätzen. Woran lag das? Sie wussten nicht wie man eine derartige Stellung richtig beurteilt. Sie fanden deshalb keinen geeigneten Plan und zogen einfach irgendetwas
Nach der Übung: Sie betrachten die Stellung mit anderen Augen und erkennen die Stellungsstruktur aus einer ihrer Übungsaufgaben. Genauer gesagt, erkennen Sie die Muster, die Sie in ihren Übungsaufgaben erlernt haben. Hier ist übrigens auch der Unterschied zwischen talentierten Spielern und weniger talentierten Spielern erkennbar: Die talentierten erlernen schneller neue Muster und tuen sich leichter diese anzuwenden. D.h. sie haben vor allem den Vorteil schneller zu lernen. Lernen diese Talente jedoch das Falsche werden auch sehr intelligente, talentierte Spieler keine Fortschritte mehr machen!
Beispiel - Sie haben eine Lektion "Figurentausch" gelernt: Nun haben Sie eine komplexe, unübersichtliche Stellung vor sich. Statt eine komplexe Berechnung durchzuführen, ob ein Figurentausch sinnvoll ist, erkennen Sie das Motiv des Figurentauschs. Sie vergleichen deshalb zunächst welche der beiden Figuren stärker ist. Ist ihre Figur stärker tauschen Sie nicht ab.
Achtung - Ausnahme (!): Sie tauschen doch ab, falls eine taktische Notwendigkeit besteht oder ihr materieller Vorteil schon so groß ist, dass ihr Sieg damit schneller oder einfacher herbeigeführt werden kann. Wie schon gesagt, lassen sich die Regeln nicht ohne Ausnahmen anwenden... und genau das macht es auch so schwierig, aber auch so unendlich spannend und manchmal amüsant...

Psychologische Erklärungsmodelle:

Ihre Augen sehen das Schachbrett und seine Figuren
Das echte Schachbrett wird als ein virtuelles Schachbrett in ihrem Gehirn abgelegt
Dieses Bild besteht aus bestimmten Strukturen - Sie erleben dieses Bild als ihre Realität des Schachgeschehens
Diese Vorstellung ist individuell unterschiedlich und damit mehr oder weniger objektiv
Auf Basis diesem ihrem Bildes (in Verbindung mit ihrem Wissens- und Erfahrungsschatz) entwerfen Sie einen Plan für das weitere Spielgeschehen
Fazit: Wollen Sie ihre Spielstärke verbessern, können Sie an diesem Bild arbeiten! (Das ist zwar nur ein Teil der Wahrheit, aber ein sehr wichtiger.)

Literatur:

"Schach, aber richtig" (J. Silman): Beschäftigt sich mit dem Denken des Amateurs
"Geheimnisse gezielten Schachtrainings" (sowie weitere Bücher von Dworetski / Jussupow): Erklären die Methode des Analysierens mit der man seine Spielstärke grundlegend steigern kann
"Schach für Zebras" (J. Rowson): Erklärt unter anderem wieso es so schwer ist seine Spielstärke als erwachsener Spieler fundamental zu steigern

PS: Möglicherweise werden Sie trotz aller Anstrengungen keine Fortschritte erzielen. Bleiben Sie am Ball! :-)

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Mein Gegner kannte sich besser in der Eröffnung aus...	Das mag im Einzellfall stimmen. In der Regel verstand er einfach mehr vom Schachspielen, d.h. er hatte die bessere Art über das Spielgeschehen nachzudenken.
Mein schachliches Wissen ist noch nicht vollständig. Ich sollte noch mehr Wissen aneignen.	Ihre Vorstellung vom Schachspiel hat Mängel. Sie sollten besser an ihren Mängeln arbeiten.
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Ich sollte mehr Eröffnungstheorie lernen	Sie sollten mehr Endspieltheorie lernen! Denn das Endspiel bietet die Chance das Zusammenwirken der Figuren zu lernen. Hier kann ein fast fehlerfreies Verständnis von Strukturen erreicht werden. Diese Strukturen helfen für ihr Schachverständnis und das Speichern von Strukturen.
Ich verbessere meine Spielstärke durch das Lesen von kommentierten Partien.	Dort werden nur die richtigen Pläne gezeigt, aber nicht wie man darauf kommt und auch nicht wieso genau in dieser Stellung der vorgestellte Plan, der richtige Plan ist. Lösung: Stellungsanalyse.
Ich verbessere meine Spielstärke durch das Lesen von Schachbüchern	Dadurch erhöhen Sie nicht fundamental ihre Spielstärke, bekommen aber immerhin neue Ideen. Leider lernen Sie dabei oft nicht diese umzusetzen.
In der Eröffnung geht es um die Figurenentwicklung, das Zentrum und die Königssicherheit.	Ja, das haben Sie als Schachanfänger gelernt! Denken Sie immer noch auf diese Weise über die Eröffnung nach? Prima, dann haben wir jede Menge Potential zur Verbesserung ihrer Spielstärke erkannt!
Ich möchte spielen wie ein Spieler mit DWZ 2000 / ein Großmeister. Ich lerne deshalb die Themen A, B, und C (weil ich sie für wichtig halte; mir das ein Freund geraten hat).	Ich möchte spielen wie ein Spieler mit DWZ 2000 / ein Großmeister. Deshalb lerne ich zu denken wie ein Spieler mit DWZ 2000 / Großmeister.
Die russischen Schachspieler sind intelligenter	Viele russische Schachspieler haben von Anfang an mit professionellen Trainingsmethoden gelernt
Ich verbessere meine taktischen Fähigkeiten, indem ich Schach spiele	Ich verbessere meine taktischen Fähigkeiten, indem ich die taktischen Grundlagen in einem Übungsbuch lerne und die Übungsaufgaben durcharbeite. Danach wende ich das Erlernte in der Turnierpraxis an
Ich verbessere meine Spielstärke, indem ich Partien starker Spieler beobachte	Ich verbessere meine Spielstärke durch das Üben von Schachlektionen. Mein erlerntes Wissen wende ich gezielt an in Übungsaufgaben, in denen ich eine fundierte Stellungsanalyse mache. Danach vergleiche ich meine Lösung mit den Musterlösungen
Ich verstehe Schach als ein System starrer Regeln, an die ich mich halten muss.	Ich kenne diese allgemeinen Schachregeln, bin aber willens anzuerkennen, dass in einer bestimmten Stellung eine Ausnahme vorliegt und ich einen Plan/Zug spielen kann der gegen bestimmte Regeln verspricht
Ich beurteile eine Stellung nach den Stellungskriterien von Steinitz	Ich versuche die Größen "Zeit", "Material" und "besondere Stellungsmerkmale" gegeneinander zu gewichten. Oder: Ich versuche die dynamischen Faktoren der Stellung mit den statischen Faktoren zu vergleichen.

Versuch	Erlebnis & Ergebnis	Spielstärkesteigerung
Einfach nur Schachspielen	Training des eigenen Denkmodells	keiner (halten des eigenen maximalen Spielstärkelevels)
Partieanalyse	Training des eigenen Denkmodells	gering
Beobachten von Schachpartien	Spannung, das Gefühl etwas zu lernen, das Gefühl mehr zu verstehen	0 - niente - gar nichts!
Das Lesen von Schachbüchern	Viele neue Ideen, das Gefühl mehr zu verstehen	+-0; neue Ideen, Verwirrung; theoretischer Zugewinn, der sich nicht in die Praxis umsetzen lässt
Das Durcharbeiten von Schachbüchern mit Übungsaufgaben	Eine Menge Überwindung, Frustration, die Befürchtung das Thema nie zu verstehen und dann.... irgendwann.. der Durchbruch!	Hoch!