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Dmitrij Oleinikov: Bird-Verteidigung

Die ChessBase-CD im Test

Rezension von Robert Miklos, Mai 2002

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Oleinikov: Bird-Verteidigung

ChessBase 2002, €24,99
Systemvoraussetzungen: 32 MB RAM, Windows 95/98/2000/XP

Bewertung des Rezensenten: Bewertung 3 aus 5

 

   Der erste Eindruck täuscht: Dem Titel nach erwartet man eher eine CD mit einer Eröffnung für Schwarz - es handelt sich jedoch um 1.f4, laut Autor die "solideste Nicht-Gambit-Eröffnung". In einer der Hauptvarianten (From's Gambit 1.f4 e5) muss Weiß anfangs defensiv agieren, hat aber laut Oleinikov gute Chancen auf Vorteil, bei allen anderen schwarzen Gegenzügen kann der Anziehende oft eine Angriffsstellung am Königsflügel erreichen.

Der Autor empfiehlt die CD für Spieler mit einer Wertungszahl von 2000. Sie bietet ein komplettes Repertoire für Weißspieler. Schwarz-Spieler finden auch ihre Möglichkeiten, müssen aber ein bisschen mehr Selbstständigkeit zeigen. Die CD ist zweisprachig, wobei in wenigen Fällen das Englische durchscheint, da die deutsche Version fehlt.

Oleinikov hat viel Inhalt auf die CD in vier Datenbanken gepackt, dazu noch ein paar Zugaben:

 

In der Bird-Base ist ein kleiner Trend zu erkennen. Nach einem stetigen Anstieg der Bird-Partien von 1989 bis 1999, gibt es eine Abnahme in den letzten drei Jahren, obwohl durch die zunehmende Vernetzung und Computerisierung eigentlich eher mehr Partien verfügbar sein sollten, hier die Zahlen für die jeweiligen Jahre: 2001 (729), 2000 (1008), 1999 (1195), 1998 (1187), 1997 (1114), 1996 (1124), 1995 (1095). Die Partien stammen aus dem Fernschach und von diversen Open, ihre Editierung könnte noch einen letzten Feinschliff vertragen. Bei zwei 1995 in Paderborn gespielten Computer-WM-Partien heißen die zwei Kontrahenten einfach beide "Computer" und auch sonst gibt es kleinere Ungenauigkeiten, meistens weil der Vorname nicht ausgeschrieben ist.

Die interessanteste Datenbank ist sicherlich der Bird-Instruktor. Neben den 200 kommentierten Partien gibt es noch 13 Datenbanktexte, neun davon zu unterschiedlichen Schwarzsystemen, in denen der Autor strategische und taktische Erklärungen präsentiert (aber kaum konkrete Zugfolgen, die muss man sich z.B. im Eröffnungsbuch anschauen): der klassische Aufbau mit 1...d5, das schwarze Königsfianchetto, Schwarz wählt einen königsindischen oder Drachenaufbau ohne d5, Froms Gambit, abgelehntes Froms Gambit, Neo-From mit 2….Sc6, Schlechter-Verteidigung mit 1.f4 d5 2.Sf3 Sf6 3.e3 Lg4, symmetrische Varianten mit 1.f4 f5, seltene Fortsetzungen; dazu findet man noch Vorabinformationen (Inhalt, Einleitung, Vorschläge zur Benutzung der CD), Zusatzinformationen (über den Autor, die besten Bird-Spieler, Tipps zum Repertoireaufbau) und eine Vorstellung des Namensgebers der Eröffnung, Henry Edward Bird, geschrieben von G. A. Macdonnell 1894.

Der Autor hat 1000 Partien im Internet Chess Club (ICC) gespielt. Die Zahl an sich ist sicherlich beeindruckend, ohne Zusatzinformation leider wenig aussagekräftig. Es ist wohl kaum anzunehmen, dass es Partien mit Turnier-Bedenkzeit waren, bei Blitz- oder Bullet-Partien dürfte Schwarz mehr Risikobereitschaft zeigen. Gleich die ganze ICC-Partiesammlung als Extra-Datenbank wäre doch was gewesen!?

Hier eine klassische Partie, deren Schlusskombination in den meisten Taktikbücher zu finden ist:










Lasker,E - Bauer,J [A03]
Amsterdam Amsterdam, 1889
[Kasparov/Oleinikov]

 

Diese Partie beinhaltet eine der schönsten Kombinationen des jungen Lasker, die späteren Läuferpaaropfern als Vorbild diente und zahlreiche gegnerische Könige das Leben kostete. 1.f4 d5 2.e3 Sf6 3.b3 e6 [3...d4 ; 3...Lg4 4.Le2 Lxe2 5.Dxe2 Sbd7 ] 4.Lb2 Le7 Schwarz wählt eine raffinierte Zugfolge, da er das Manöver Lb5xc6 nicht zulassen möchte. Deshalb entscheidet sich Lasker für eine andere Angriffsaufstellung. 5.Ld3 b6 6.Sf3 Lb7 7.Sc3 Sbd7 8.0-0 0-0 9.Se2 enthüllt den Lb2 und bereitet den Abtausch des Sf6, des wichtigsten Verteidigers des schwarzen Königsflügels mit Se2-g3-h5 vor. 9...c5 [9...Sc5 ] 10.Sg3 Dc7 11.Se5 Sxe5 12.Lxe5 Dc6 [12...Ld6 13.Lxf6 gxf6 14.Dh5 f5 15.Dg5+ Kh8 16.Df6+ Kg8 17.Sh5 ] 13.De2 a6 Nach sehr passivem schwarzen Spiel in der Eröffnung stehen die weißen Figuren zum Angriff bereit. Lasker beginnt nun die entscheidende Attacke. 14.Sh5 Sxh5 [14...d4 15.Lxf6 Lxf6 16.Dg4 Kh8 (16...e5 17.Le4! ) 17.Tf3 Tg8 18.Lxh7! ] 15.Lxh7+! [15.Dxh5 f5 führt zu nichts.] 15...Kxh7 16.Dxh5+ Kg8 17.Lxg7!! Heutzutage würde Lasker vielleicht versuchen, diese Idee urheberrechtlich für sich in Anspruch zu nehmen. (Kasparov) 17...Kxg7 18.Dg4+ Kh7 19.Tf3 Dieses Turmmanöver hatte Weiß geplant 19...e5 20.Th3+ Dh6 21.Txh6+ Kxh6 Schwarz ist knapp dem Matt entronnen, aber 22.Dd7! This is the move Lasker had found calculating his double bishop sac. Without this fork only Black will think about a win. gewinnt eine Figur und die Partie. 22...Lf6 23.Dxb7 Kg7 24.Tf1 Tab8 25.Dd7 Tfd8 26.Dg4+ Kf8 27.fxe5 Lg7 28.e6 Tb7 29.Dg6 f6 30.Txf6+ Lxf6 31.Dxf6+ Ke8 32.Dh8+ Ke7 33.Dg7+ Kxe6 34.Dxb7 Td6 35.Dxa6 d4 36.exd4 cxd4 37.h4 d3 38.Dxd3 1-0

 

Und hier noch eine der aktuellen Partien aus der Datenbank, in der Epischin gegen die Bird-Eröffnung ganz schnell verliert:

 










Chernyshov,K (2536) - Epishin,V (2579) [A03]
54th ch-RUS Elista RUS (3), 02.05.2001
[Oleinikov]

 

1.f4 d5 2.Sf3 g6 3.e3 Lg7 4.Le2 Sd7 5.0-0 [5.d4!? ; 5.c4!? ] 5...e5 6.fxe5 Sxe5 7.Sxe5 Lxe5 8.d4 Lg7 9.c4 dxc4 [>=9...Sf6 10.cxd5 0-0 A.Bezgodov] 10.b3! Einfallsreich gespielt. Weiß öffnet nicht nur die Diagonale b3-f7 für seine D+L Batterie, sondern bereitet zugleich La3 vor, was den schwarzen König nicht rochieren lässt. 10...Sh6 [10...Se7 11.Lxc4 Le6 12.Lxe6 fxe6 13.Df3 Sf5 14.La3 Dd5! A.Bezgodov; 10...cxb3 11.Dxb3© Sh6 12.La3 c6 13.Lc4 Dc7 14.Sc3 Lf5 ] 11.La3 Dg5 [11...Le6 12.Lxc4 Dd7 13.Sc3 0-0-0 14.Df3+/= ] 12.Tf4 Sf5 13.h4 Sxh4 14.Df1 Sf5 [14...Le6 15.Lxc4 0-0-0~~ ] 15.Df3 c6 16.Sd2 Kd8 17.Se4 Dh6 18.g4 Sxd4 19.Td1 f5 20.g5 Dh5 21.Dg2 1-0

 

In der letzten Zeit sind viele Eröffnungs-CDs von Chessbase erschienen, es zeichnet sich ein Wechsel Buch-CD ab, wobei die Vorteile eindeutig bei der CD liegen. Man kann sie zwar nicht überall mitnehmen, für ein ernsthaftes Arbeiten sind sie jedoch ideal.


Kurzum: Eine inhaltsreiche CD zum Thema Bird (1.f4 und Ähnliches, wie z.B. aber nicht nur 1.b3).

Zielgruppe: Fortgeschrittene Anfänger bis angehende Meisterspieler (DWZ etwa 1400-2200); Schwarzspieler, für die Bird unbekanntes Terrain ist; Weißspieler, die Bird spielen wollen oder eine leicht zu erlernende zweite Eröffnung lernen möchten.

Besonderheit: 200 kommentierte Partien nebst einer großen Datenbank und zwei Trainingsdatenbanken. Ein umfangreiches Werk mit kleinen Ungenauigkeiten zu einem noch selten gespielten Eröffnungskomplex.

 

Eine zweite Meinung: Rezension von Harald Fietz.

 

 

Die CD stellte ChessBase, Mexikoring 35, 22297 Hamburg, für die Rezension zur Verfügung


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