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Ein Dutzend Schachperlen verständlich gemacht

Yasser Seirawan: Winning Chess Brilliancies

von Jennifer Sdunzik, Dezember 2003

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Yasser Seirawan: Winning Chess Brilliancies

Everyman Verlag 2003
ISBN 1-85744-347-0; 257 Seiten; 23,40 Euro
English: Advanced English

Bewertung der Rezensentin: Bewertung 4,0 aus 5

 

   In dem Buch "Winning Chess Brilliancies" aus dem Everyman Verlag stellt der amerikanische Großmeister Yasser Seirawan zwölf Glanzpartien aus den letzten 25 Jahren vor und analysiert sie auf 257 Seiten! Diese Partien sind zeitlich an die Schachkarriere des Autors gebunden: So fällt z.B. die erste 1972 Fischer - Spassky in die Zeit, als ihn, der 1960 geboren wurde, das "Schachfieber" befiel.

   Schon in der Einleitung versprüht der Autor Witz und Charme, wie ihn der Schachvirus ("chess bug") in seiner Jugend ergriff. Er nennt am Anfang seines Buches - neben anderen seiner schon veröffentlichten Werken - den Grund für dieses, nämlich dass er es zur Erklärung einfach aussehender Züge geschrieben habe. Fragen sollen beim "Zug-um-Zug-Verständnis" beantwortet werden. Dass bei so einer Masse von Glanzpartien die Entscheidung für nur zwölf "Schachperlen" nicht leicht fiel, ist verständlich. Auf wie viele Meisterpartien kämen Sie oder Ihre Freunde denn? In der Schachspitze gibt es reichlich Superstars, also vervielfachen sich die Partien ganz schnell!

   Ich halte die Partienauswahl des Autors für geglückt. Besonders gelungen sind die kleinen Vorgeschichten zu jeder Begegnung, die einen kurzweilig in die Turnieratmosphäre eintauchen lassen. Auch persönliche Erlebnisse spielten bei der Auswahl eine Rolle, so z.B. die Erwähnung einer Partievorbereitung mit seinem Freund Viktor Kortschnoi anlässlich des Weltmeisterschaftskampf 1981, die dann auch von Seirawan 1982 gegen Kortschnois damaligen Erzrivalen Anatoli Karpow im Londoner Turnier erfolgreich angewandt wurde ...

  Die Zielgruppe sind primär Anfänger, da allgemeine Eröffnungen, Strategien und Taktiken, gewisse Logiken des Schachspiels ausführlich erklärt werden. Der Einblick in die Schachlogik der Weltklassespieler und die Analyse von bestimmten Zügen und Varianten bieten aber auch was für Fortgeschrittene bis DWZ 1900. Die Partien und die Schachgeschichte aus dem letzten Viertel des 20. Jahrhunderts offeriert jedem etwas - es ist doch immer interessant, aus der Warte eines Topspielers zu wissen, was in seinem Sport so passiert. Fußballer interessieren sich schließlich auch für Golden Goals und Techniken der "Könige" an den Bällen - so sollte es in jedem Sport sein!?!?

  Neben dem schachgeschichtlichen Aspekt bietet das Buch auch einen kleinen Einblick in die große Welt der Eröffnungen. Gerade beim Eröffnungsstudium sollte man Partien von Großmeistern nachspielen, um Strategie und Umsetzung besser nachvollziehen zu können. Seirawan gibt Anreize und Ideen zu bestimmten Eröffnungen (z.B. Scheveninger System in der Sizilianisch Eröffnung oder Tartakover-Variante im Damengambit), so dass man sich auf die ein oder andere Variante spezialisieren kann.

   Das Buch zeigt ebenfalls, dass die Superstars des Schachs auch nur Menschen sind und Fehler machen, nicht alles berechnen können, die falsche Figur berühren oder in Zeitnot geraten und dann nicht die Nerven behalten - etwas, was viele von "uns" sicherlich nachfühlen können. Da zeigt sich wieder - Erfahrung zahlt sich aus! Doch auch neue, junge Spieler braucht der Sport, so wie Garry Kasparow 1985 bei der FIDE-Weltmeisterschaftspartie gegen den damals amtierenden Weltmeisters Karpow. Hier die absolute Meisterleistung.

 










Karpow,A - Kasparow,G [B44]
FIDE Weltmeisterschaft Moskau 1985

1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sb5 d6 6.c4 Sf6 7.S1c3 a6 8.Sa3 d5 Karpovs Strategie war es, Schwarz sich nicht befreien zu lassen, doch Kasparov machte da wohl nicht mit und opferte dafür sogar einen Bauern 9.cxd5 exd5 10.exd5 Sb4 11.Le2 Lc5 ein Meisterzug wie das Buch verrät 12.0-0 0-0 13.Lf3 Lf5! 14.Lg5 Te8 15.Dd2 b5! 16.Tad1 Sd3!! Buch: Die Figur ist zwar nur ein Springer, wird aber schnell zu einem Monstrum. Logisch, so eine Figur hätte jeder Schachspieler mal, oder!? 17.Sab1? [ 17.d6 Ta7 18.Sd5~~ wird hier von Kasparov empfohlen] 17...h6 18.Lh4 b4! 19.Sa4 Ld6! 20.Lg3 Tc8! 21.b3! g5!! 22.Lxd6 Dxd6 23.g3 Sd7! Buch: Ein brillianter Zug! 24.Lg2 Df6! 25.a3 a5 26.axb4 axb4 27.Da2 Lg6! 28.d6 g4! 29.Dd2 Kg7 30.f3 Dxd6 31.fxg4?! Dd4+ 32.Kh1 Sf6! 33.Tf4 Se4! 34.Dxd3 Sf2+ 35.Txf2 Lxd3 36.Tfd2 De3! und nun folgt ein wundervolles Ende 37.Txd3 Tc1!! 38.Sb2 Df2! 39.Sd2 Txd1+ 40.Sxd1 Te1+ Nach dieser Partie lässt sich fragen: Hat jemand schon mal so viele Ausrufezeichenzüge von nur einem Spieler in einer Partie gesehen? 0-1

 

   Inzwischen gehört auch dieser Kasparow, der sich damals mit dem "Moskauer Wunder" einen Namen gemacht hat, längst zur Spitze des Schachs.

   Aber auch andere Weltmeister werden genauer unters Licht genommen. Wenn Sie also wissen wollen, wie Bobby Fischer auf den Schachthron stieg, seinen Titel jedoch dann wieder verlor - das Buch verrät es. Weitere Episoden rund um andere Cracks wie z.B. John Nunn, Jan Timman, Alexander Beljawski usw. sind interessant und sollte man nicht missen müssen. Zur Gestaltung des Buches - es ist ansprechend layoutet und lässt sich mit seiner Leimung prima aufgeschlagen neben das Brett legen - lässt sich nur Gutes sagen. Es ist übersichtlich durch die Einteilung in zwölf Kapitel und mit vielen Brettstellungen. Nebenvarianten werden ebenfalls mit einem kurzen Stellungsüberblick per Diagramm präsentiert.

   Allerdings ist das Buch für Jugendliche oder Mittelklassespieler, die die englische Sprache nicht gut oder sehr gut beherrschen, schwer zu verstehen. Das sollte aber niemanden abschrecken!

 

 

Das Rezensionsexemplar stellte die Firma Niggemann (Industriestraße 10, 46359 Heiden) zur Verfügung.


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