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Fritz, die 8.

ChessBase: Fritz 8

von Robert Miklos, Februar 2003

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Chessbase: Fritz 8

ChessBase 2002, etwa 50 Euro
ISBN 3-935602-52-9
Systemvoraussetzungen: Pentium-PC, Win95/98/2000/ME/XP, CD-Laufwerk

Bewertung des Rezensenten: Bewertung 4,5 aus 5

 

"Das Schachprogramm, das alles kann"

   Über die Jahre wurde man von ChessBase verwöhnt, mit jeder Version ihres berühmtesten Schachprogramms Fritz wurde etwas Neues angeboten. Dazu ließen sich die Hamburger immer viel Zeit. Bei der achten Version, die etwa ein Jahr nach dem Vorgänger Fritz7 herauskam, muss man genauer hinschauen, um die Neuigkeiten zu sehen. Doch Hinschauen lohnt sich: Das Programm hat einen neuen 3D-Modus für die Schachfiguren und die Notation wird auf Wunsch auf einem realistischen Partieformular präsentiert.

   Beim Online-Schach hat sich das meiste getan, nicht nur beim Programm (Simultanvorstellungen - für jeden!, erweiterte Chatfunktionen, ein internes Mailsystem, Bewertungsmöglichkeit von anderen Spielern, spezielle Schachformen wie Achtbauernschach, Shuffle-Schach, Themablitz sind neu dazu gekommen), sondern auch bei ChessBase selbst: Es gibt regelmäßiges öffentliches Schachtraining mit bekannten Großmeistern, Turniere und Live-Übertragungen wichtiger Schachereignisse. Bei der Übertragung der Partien aus dem Match Kasparow gegen Deep Junior waren etwa 1400 Zuschauer aus der ganzen Welt dabei, ohne technische Probleme. Beim Verfolgen fremder Partien kann man eine der Schachengines mitlaufen lassen, so weiß man oft mehr als der spielende Großmeister! Einmal pro Woche bietet Matthias Wahls Schachtraining an, auch andere starke Spieler (IM Dennis Breder, GM Dorian Rogozenko) zeigen Lektionen, es ist aber chaotisch ("mann mann mann, wie im Hühnerstall, alle durcheinander" - ein unbekannter Schachfreund), schließlich sind es mehrere Hundert Zuschauer, die auch alle reinreden dürfen, falls man das nicht gesperrt hat.

   Ein Prunkstück der Offline-Version ist die Vollanalyse, hier ein paar Beispiele dafür mit den Partien aus dem legendären Wettkampf Mensch-Maschine von 1997. Bei den kritischen Stellungen habe ich noch einen Extratest gemacht, sicherheitshalber nach jeder getesteten Stellung Programm beendet. Die beobachtete Tiefe lag bei 17/48, 15/42, was immer das ganz genau bedeuten mag (pure Brute Force 17 Züge tief ist eher unwahrscheinlich, wahrscheinlich mit selektiven Abschneidungen, selektive Spitzen von fast 50 Halbzügen - Respekt!), auf einem Athlon 1,4 GHz wurden 400.000-800.000 Stellungen pro Sekunde untersucht. Die Vollanalyse ist übrigens noch nach alter Rechtschreibung ("muß beachtet werden"). Hilfreich wäre eine Möglichkeit, die Vollanalyse mal abbrechen zu können (schließlich dauert sie auch mal einen halben Tag), um sie später weiterführen zu können. Es gibt viele Optionen, man merkt, dass die Partienanalyse - und das Programm! - über Jahre hinweg gereift ist.

Deep Blue gegen Kasparow

 

   Neu ist das Eröffnungstraining, allerdings ein bisschen stiefmütterlich behandelt, erst durch mehrere Mausklicks erreichbar und einstellbar. Den gleichen Mechanismus kann man auch für Endspiele nutzen. Leider hat es auch noch Fehler: Wenn man partout nicht das spielen möchte, was im Trainingsbuch steht, liefert es unmögliche Zugvorschläge, die nach Aufforderung sogar auf dem Brett gezogen werden, da es sich stur an die Vorgaben hält; Zugumstellungen werden auch nicht erkannt. Man kann die Lerndatenbanken auch selbst erweitern, demnächst gibt es sicherlich auf den Eröffnungs-CDs auch solche Lerndatenbanken zum interaktiven Üben.

   Die neue JavaScript-Ausgabe, mit der sich nachspielbare Online-Partien erstellen lassen (wie die obigen), ist auch nicht fehlerfrei. Bei einer stark kommentierten Partie gab es einen Runtime Error, Fritz8 stürzte ab, die nachspielbare Partie war aber erstellt. Bei anderen, schlanken Partien, ging es ohne Fehler. Bei einer der nachspielbaren Partie verschwand der per en-passant geschlagene Bauer nicht - das passiert allerdings auch bei der Partienausgabe von ChessBase8. Dass die JS-Ausgabe ("Partie im Web publizieren") unter dem Menüpunkt "Drucken" zu finden ist und nicht wie bei ChessBase8 in der Partienliste unter "Ausgabe", ist nicht schlimm, wenn man es erst mal gefunden hat - die Menüpunkte sind immer noch wenig intuitiv, allerdings gleich wie beim Vorgänger, genauso wie der Startbildschirm, auf dem man wählen muss, ob man online oder offline spielen und trainieren möchte (jeder zusätzliche unnötige Mausklick/Tastendruck zum Starten eines Programms nervt).

   Fritz8 kommt auf zwei CDs: Die erste beinhaltet das Programm (und DirectX 8.1 für das 3D-Schach, das nur auf schnellen Rechnern ein Genuss ist), ein Eröffnungsbuch und eine "kleine" Datenbank mit knapp über 500.000 Partien. Auf der zweiten CD wurde an die Anfänger gedacht, die bei starken Schachprogrammen oft wenig zu lachen haben: Ein Anfängerlehrgang und 10 Partieklassiker, die ausführlich multimedial kommentiert wurden. Der bekannte Großmeister Helmut Pfleger plaudert über die Züge und ihre Ideen, die möglichen Varianten, ab und zu wird noch eine Anekdote eingestreut. Die Vorgeschichte und ein Fazit zur Partie (jeweils ein Videoclip am Anfang und am Ende der Partie, mittendrin etwa zu jedem zweiten Zug Audio-Kommentare - eher auf Anfängerniveau; das Nachvollziehen am Bildschirm ohne die Figuren ziehen zu dürfen, weil dann der Kommentar weg ist, verlangt aber schon nach Fortgeschrittenen) erweitern auch die allgemeine Schachbildung, deshalb wäre es hilfreich gewesen, in der Datenbank die Turniernamen und die Jahreszahlen der Partien reinzustellen. Schachpartien mit Multimedia-Kommentaren sind natürlich nichts Neues, in den vierteljährlich herausgegebenen ChessBase-Magazinen gibt es sowas schon lange. Eine Kleinigkeit: Manche gesprochenen Kommentare werden nach dem Zug gestartet, wobei Pfleger aber eindeutig erwartet, dass erst nach dem Ende seiner Worte der Zug ausgeführt wird - nicht schlimm. Dann fehlen noch einige der gesprochenen Kommentare auf der CD, so dass der Klassiker Larsen-Spassky teilweise stumm bleibt. Zusätzlich gibt es auf der zweiten CD noch eine Demo-Version von Fritz&Fertig, der vielfach gelobten Trainings- und Lernsoftware für Kinder (Rezension von Fritz&Fertig).

   Das Programm ist nicht fehlerfrei, das dürfte nach der obigen Aufzählung aufgefallen sein; welches Programm, auch außerhalb der Schachszene, ist es aber? Auf der Seite von ChessBase werden regelmäßig Updates zum Download angeboten. Im "normalen" Betrieb (Spiel gegen Fritz8, Partieanalyse) gab es keine Abstürze auf meinem Rechner. Trotz der kleinen Schönheitsfehler gehört das Programm (besser gesagt, die Oberfläche mit einer der aktuellen Engines - dann hat man aber u.U. nicht die zweite CD mit den Training) wegen der reichen Ausstattung zur Standardausrüstung eines jeden Schachenthusiasten. Wer soll Fritz8 denn nun kaufen? Die Freaks haben es schon, mit Sicherheit. Wer einige Versionen übersprungen hat und einen schnellen Rechner besitzt, sollte mal wieder, der Online-Bereich ist nach einem guten Jahr ausgereift, der Schachmotor stärker, die Funktionalität überragend. Wer allerdings Fritz7 oder eine der vergleichbaren Engines hat, muss nicht unbedingt.

 

 

Die CDs stellte ChessBase, Mexikoring 35, 22297 Hamburg, für die Rezension zur Verfügung


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