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Faszinierendes Königsgambit-Buch

Thomas Johansson: The Fascinating King's Gambit

Rezension von FM Hartmut Metz, Januar 2006

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Thomas Johansson: The Fascinating King's Gambit

Trafford Publishing
ISBN 1-4120-4647-5
215 Seiten, 36 US-Dollar

Bewertung des Rezensenten: Bewertung 4,5 aus 5

 

   In Sachen Königsgambit gibt es zweierlei zu beklagen: Boris Spasski spielt es nicht mehr. „Ich habe noch nie eine Partie damit verloren – und diesen Rekord möchte ich behalten“, erklärte der ehemalige Weltmeister auf die Frage bei den Chess Classic Mainz, ob er jemals wieder ein Königsgambit wage. Das ist der eine Jammer. Der andere ist der Mangel an exzellenten Büchern darüber. In den 80ern gab es zuletzt Stefan Bücker, der innovative Werke wie „Das neue Königsgambit“ verfasste. Danach folgte noch „Das Königsgambit für den erfindungsreichen Angriffsspieler!“ aus dem Schachverlag Kania anno 1998. Das Buch des Schweden stellte das unverständlicherweise mehr gepriesene Königsgambit-Werk von Großmeister Joseph Gallagher klar in den Schatten. Es war innovativer im Geiste Bückers, mehr Eigenarbeit steckte darin und in Untervarianten wird man nicht von Fortsetzungen überrascht, die bei Gallagher das vermeintliche Hauptabspiel häufig in Frage stellten.

   Endlich legt Johansson nach. Diesmal nur in Englisch, nachdem sein Königsgambit-Erstling beim Schachverlag Kania auch in den Textanmerkungen die Weltsprache neben deutsch beinhaltete. Außerdem baut der 35-Jährige nun auf 3.Lc4, weil seiner Ansicht nach einige Varianten mit Hilfe von Computern widerlegt worden seien. Deshalb schrieb Johansson das erste Buch, das den Läuferzug zum Hauptthema erhebt. Auch wenn man selbst 3.Sf3 noch lange nicht am Ende sieht, verspricht „The Fascinating King’s Gambit“ ein faszinierendes Buch und beeindruckt auf 215 Seiten. Der Autor hat nicht nur emsig Partien gesammelt und diese fleißig zusammengeschustert. Bei dem im kanadischen Trafford Verlag erschienenen Werk merkt der Leser schnell, dass der Schwede mit der Eröffnung sympathisiert („Die einzige Eröffnung, die ich wirklich liebe!“ steht auch schon im Vorwort) und nach vorteilhaften Pfaden für Weiß forscht –Objektivität aber dennoch zu wahren sucht. Der Feuerseifer Johanssons beschränkt sich bei der Analyse nicht nur auf bekanntes Datenbank-Material, sondern auch unbekanntere Partien werden einbezogen. Studienmaterial liefert beispielsweise Alexander Morosewitsch und sei es nur in Blitzpartien auf dem ICC-Server. Auch ansonsten nimmt sich der Spieler mit einer Elo-Zahl von knapp über 2200 viel Zeit für ungewöhnliche Abspiele, die durchaus dem Anziehenden zum Erfolg verhelfen können.

   Trotz einer Vielzahl von Varianten und Analysen bleibt die Übersicht auf den großformatigen Seiten gewahrt. Diagramme und Fettdruck lassen den Leser nicht gänzlich ersticken im Variantengestrüpp. Kleinere Fehler (etwa auf Seite 150 der fehlende Fettdruck des Hauptzuges, der wie eine Untervariante wirkt) sind wohl unvermeidlich bei derlei Materialfülle, halten sich aber in Grenzen. Die grandiosen Partien und Abspiele entschädigen allemal. Nutzen aus dem Buch über Königsgambit mit 3.Lc4 kann auch durchaus der 3.Sf3-Befürworter ziehen: Ab Kapitel 23 und damit auf 90 Seiten geht es um Fortsetzungen, die ebenso die Traditionalisten betreffen: Lc4 bleibt im Abgelehnten Königsgambit natürlich im dritten Zug außen vor. Die Erläuterungen in dem Buch sind ansprechend. Besonders gefällt die Übersicht auf den ersten Seiten, die dem Leser die Dinge einprägen, die er als Weißer oder Schwarzer im Königsgambit immer im Hinterkopf haben sollte. „The Fascinating King’s Gambit“ ist für jeden Schachspieler eine Freude, der es schätzt, wenn das Brett bereits nach wenigen Zügen in Flammen steht.

   Ein besonders eindruckvolles Königsgambit-Beispiel gelang dem Franzosen Luc Devocelle - wohlgemerkt noch zu Zeiten, als Fernschach-Partien ohne Schachprogramme gewonnen wurden! Devocelle war auch einer der Teilnehmer des Metz-Angriff-Thematurniers, das der Weltfernschachbund ICCF ausrichtete. Dabei bewies der Gallier auch sein großes Königsgambit-Verständnis mit einem vorderen Platz im Finale.










Devocelle,Luc (FRA) - Schmitz,B [C33]
ICCF World Cup8-9 prel-092 corr, 1990

1.e4 e5 2.f4 exf4 3.Lc4 g5?! 4.h4 d5!? 5.exd5! g4 6.d4 Ld6 7.Sc3 Lf5 8.Sge2 De7 9.0-0 f3 10.Lg5!! fxe2 11.Lxe2 Dd7 12.Lb5 c6 13.De2+ Kf8 14.dxc6 bxc6 15.Lc4 Lg6 16.Le6 De8 17.Dc4 Kg7 18.Tae1 fxe6 19.Txe6 Lf7 20.d5! Lxe6 21.Dd4+ Kg6 22.Tf6+ Kh5 23.Txe6 Df8 24.Se4 1-0

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